Aumühle
Bismarck-Gedächtnis-Kirche
Börnsener Straße 25
21521 Aumühle
-
Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte beim Pfarramt erfragen! Anschrift Pfarramt Kirchenbüro
Börnsener Straße 25
21521 Aumühle
04104 3059
E-Mail
Zur Webseite
Öffnungszeiten Pfarramt MO - FR: 10.00 - 12.00 Uhr
DI, DO: 14.00 - 16.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.kirche-aumuehle.de.
Kirchen im Norden
Im Kreis der Gemeinde
„Ich sehe sehr trübe in die Zukunft. Aber Gott, der die Welt halten und auch zerschlagen kann, weiß, warum es alles so sein muss.“ 1859 zeigte sich der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck schicksalsergeben – so zumindest zitierte ihn der Aumühler Pfarrer Dr. Gerhard Ehrenforth 1962 in seiner Abschiedspredigt. Damit zeichnete er den Namenspatron seiner Kirche nicht als nationalen Übervater, sondern als hadernden Christen. Ähnlich ging fünf Jahre später der Architekt Friedhelm Grundmann an den Rundbau heran, den Heinrich Bomhoff und Hermann Schöne 1930 im Stil des Hamburger Backsteinexpressionismus fertiggestellt hatten: Aus einer deutungsschweren „Zuhörerkirche“ formte er einen heiteren Raum im Geist der späten Nachkriegsmoderne, wo die Gemeinde sich unter einem Lichtkranz versammelt.
- ÜberblickOrt
Aumühle
Landeskirche
Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche)
Name der Kirche
Bismarck-Gedächtnis-Kirche
Einweihung
1930 (30. Juli)
Architekten
Heinrich Bomhoff, Hermann Schöne, Friedhelm Grundmann
Künstler
Hermann Jünger, Hans Kock, Lioba Munz, John NickelsenBesonderheit
Der Bau zeigt nach außen die monumentale Gestalt einer Gedächtniskirche des Backsteinexpressionismus, um nach innen einen weiten Gemeinschaftsraum der späten Nachkriegsmoderne zu entfalten.
Nutzung
Gemeindekirche
Standort / Städtebau
Etwas abgerückt östlich der Börnsener Straße, die Aumühle von Norden nach Süden erschließt, steht die Bismarck-Gedächtnis-Kirche frei am nördlichen Rand des Sachsenwalds. - Beschreibung
Grundriss
An den kreisförmigen Grundriss der Bismarck-Gedächtniskirche ist die Taufnische (der ehemalige Altarbereich) im Südosten als Quadrat angefügt. Zwei Treppenhäuser auf je längsrechteckiger Grundfläche erschließen den Bau von Norden und von Westen. Sie rahmen die Vorhalle, die sich in das Kreisrund des Grundrisses einfügt.
Außenbau
Der zylindrische Klinkerbau wird von einem kupferbedeckten Kegeldach bekrönt, dem mittig ein Glockenturm als erhöhte Laterne aufgesetzt ist. Zwischen den wandhohen Treppenhäusern öffnen sich die drei flachen Spitzbögen der niedrigeren Vorhalle. Darüber wird die zurückspringende Kirchenwand durch hochrechteckige Schlitzfenster gegliedert, deren Rhythmus im unteren Dachbereich leicht versetzt durch Gauben aufgegriffen wird.
Innenraum
Hat man die Vorhalle durchschritten und ist unter der Orgelempore hervorgetreten, führt der Mittelgang zwischen den Bänken nach Südosten zur Altarinsel. Dahinter öffnet sich die niedrige, indirekt von der Seite belichtete Taufnische. Der Hauptraum wird durch die umlaufenden Schlitzfenster und die Laterne erhellt.
- Liturgie und Raum
„Die Säule der Bismarck-Gedächtniskirche stehend im Mittelpunkt des germanischen Volkstums der Welt“, so deutete Pastor Karl Giesecke um 1927 die Pläne für seine Predigtstätte. Der durchaus monumental angelegte Bau sollte den historischen Ort – die Nähe zu Bismarcks Alterssitz und Grablege in Friedrichsruh – kirchlich markieren und steigern. Dabei begrenzte die symbolträchtige (und wohl auch statisch praktische) Mittelsäule, welche die Decke ab 1930 tragen sollte, die liturgischen Möglichkeiten im Inneren: Drei Bankblöcke wurden auf die dreifach gestufte Altarnische hin ausgerichtet, wo der nochmals um zwei Stufen erhöhte Altarblock an die Wand gerückt wurde. Mittig vor dem Altar kamen der Taufstein und auf den Stufen die Kanzel zu stehen.
Bei der Neugestaltung von 1966/67 wurde die Mittelsäule, so der Architekt Friedhelm Grundmann, „herausoperiert“. Die Last des Kirchenraums lagerte man stattdessen auf seitliche Stahlstützen und -träger. Damit befreite sich die Gemeinde zugleich von einer inhaltlichen Überfrachtung, einer möglichen nationalen Projektionsfläche und einer liturgischen Beschränkung: Der neue Altar rückte auf einem zweifach gestuften Podest näher an die Raummitte. Die Kanzel steht jetzt an der Seite, wohin man ihren Vorgänger bereits nach dem Krieg versetzt hatte. Der moderne Taufstein, dessen Vorgänger nach 1950 mittig unten vor den Stufen stand, wanderte in die ehemalige Altarnische. Die neuen Bankblöcke scharen sich nun, von einem Mittelgang durchzogen, hufeisenförmig um den Altar. Die neue Taufnische (der ehemalige Altarbereich) war ausdrücklich als flexible Raumreserve gedacht, die bei größeren Feiern bebankt werden sollte. Über dem Altar betont ein kreisrunder Lichtkranz den Gemeinschaftscharakter des umgestalteten Gottesdienstraums.
- Ausstattung
Von der Ausstattung der Bauzeit blieb die Glasgestaltung des Hamburger Künstlers John Nickelsen erhalten, welche die zwölf Apostel zum Thema hat. Mit der liturgischen Neuordnung der Jahre 1966 und 1967 formte der Hamburger Bildhauer Hans Kock Altar, Kanzel und Taufstein aus weiß gefärbtem Beton. Das feuervergoldete Bronzekreuz wurde vom Künstler Hermann Jünger aus Taufkirchen bei München gefertigt. Hinter dem Altarbereich findet sich ein Triptychon, den die Fuldaer Benediktinerin Lioba Munz 1979 für Aumühle schuf. In Senkemaille-Technik versinnbildlichte sie das Motto „ora et labora“ mit König David sowie Adam und Eva, die sich jeweils Christus zuwenden. Die heutige Orgel, eine Arbeit der Hamburger Werkstatt Rudolf von Beckerath, kam 1962/78 hinzu. Die blauen bzw. grünen Akzente an Teilen des Orgelprospekts, an der Emporenbrüstung und den Bänken entlehnte der Architekt Friedhelm Grundmann 1966/67 ausdrücklich den Farbklängen der expressionistischen Fenstergestaltung.
- Von der Idee zum Raum
Zur Reichsgründung im Jahr 1871 hatte Kaiser Wilhelm I. seinem Kanzler Otto von Bismarck (1815-98) den Sachsenwald geschenkt. Knapp zwei Hektar der Waldfläche wurden 1911 der gerade selbständig gewordenen, evangelischen Kirchengemeinde Aumühle zur Friedhofsnutzung überlassen. Die Gottesdienste feierte man zunächst teils in der örtlichen Schule, teils in der Bismarck’schen Gruftkapelle im nahen Friedrichsruh. Krieg und Inflation vereitelten die ersten Kirchbaupläne, so dass in den 1920er Jahren ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben werden musste. Das Preisgericht, in dem u. a. Martin Elsässer saß, fand keinen der eingereichten Vorschläge passend und schlug stattdessen das Hamburger Architektenduo Heinrich Bomhoff und Hermann Schöne vor. Den Grundstein legte man am 30. Todestag Bismarcks, am 30. Juli 1928, und feierte die Einweihung auf den Tag genau zwei Jahre später. Von 1966 bis 1967 leitete der Hamburger Architekt Friedhelm Grundmann die Umgestaltung des Kirchenraums an.
- Die Architekten Heinrich Bomhoff, Hermann Schöne und Friedhelm Grundmann
Heinrich Bomhoff (* 1878 in Westerland auf Sylt, † 1949 in Hamburg) absolvierte eine Maurerlehre, besuchte die Eckernförder Baugewerkschule und studierte an der TH Hannover. Ab 1906 war er als freier Architekt in Hamburg tätig, ab 1928 in einer Büropartnerschaft mit seinem vormaligen Mitarbeiter Hermann Schöne. Gemeinsam verwirklichten sie in der Hansestadt vor allem Projekte im Siedlungs- und Schulbau, die sich zwischen Heimatstil und Backsteinexpressionismus bewegten.
Nach dem Krieg tat sich Hermann Schöne (* 1894 in Hamburg, † 1982 in Hamburg) mit dem Architekten Günther Schudnagies zusammen und war als Vorsitzender des BDA Hamburg tätig. Im dortigen Kirchenbau hinterließ er deutliche Spuren, errichtete z. B. mit der Immanuelkirche in Hamburg-Veddel (1954) oder St. Gabriel in Hamburg-Barmbek (1956) Backsteinbauten im Sinne einer gemäßigten Moderne.
Friedhelm Grundmann (* 1925 in Warmbrunn in Schlesien, † 2015 in Hamburg) war nach seinem, durch den Krieg unterbrochenen, Studium in Breslau und München bis 1956 im Hamburger Büro von Werner Kallmorgen tätig. Anschließend arbeitete er in der Hansestadt selbständig in Partnerschaften mit Horst Sandtmann, Friedhelm Zeuner, Otto E. Rehder und zuletzt Mathias Hein. Bekannt wurde Grundmann durch seine kirchlichen Um- und Neubauten, er verwirklichte aber ebenso zahlreiche U-Bahn-Projekte.
- Literatur (Auswahl)
- Heinrich Bomhoff/Hermann Schöne: Bismarck-Gedächtniskirche, Aumühle, in: Lauenburgische Heimat 6, 1930, 124-127.
- Karl Giesecke (Hg.): Der Sachsenwald, sowie Handel und Wandel in den umliegenden Gemeinden, hg. zur Einweihung der Bismarck-Gedächtniskirche im Sachsenwald, Düsseldorf/Aumühle 1930.
- Volker Jakob: Die evangelische Landeskirche Schleswig-Holstein in der Weimarer Republik. Sozialer Wandel und politische Kontinuität, Münster/Hamburg 1993, 64, 170 (zugl. Diss., Münster, 1984).
- Ute Keyer: Die Bismarck-Gedächtniskirche in Aumühle bei Hamburg, Abschlussübung Baugeschichte, FH Hamburg, Fachbereich Architektur, 1982 (Typoskript).
- Ralf Lange: Architekturführer Hamburg, Stuttgart 1995, 311.
- Hans-Georg Soeffner u. a.: Dächer der Hoffnung. Kirchenbau in Hamburg zwischen 1950 und 1970, Hamburg 1995, 194, 197.
- Claudia Tanck: Salz der Erde. Licht der Welt. Evangelisch-Lutherische Kirche zwischen Trave und Elbe, Rostock 2016.
- Henning von Wedel: Vortrag aus Anlass der Feier des 75 Geburtstages der BismarckGedächtnis Kirche in Aumühle, 20. Juni 2005 (Mitschrift) (www.kirche-aumuehle.de/images/gedaechtnis-kirche/Festvortrag_1.pdf, Abrufdatum: 1. Juli 2017).
- Archiv Friedhelm Grundmann (Büro Grundmann + Hein): Fotomaterial, Pressebeiträge, handschriftliche Notizen.
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: insbesonderedem Ev.-Luth. Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, dem Archiv Grundmann, dem Hamburgischen Architekturarchiv und Alexander Baur für die Erlaubnis, Bilder der Bismarck-Gedächtniskirche verwenden zu dürfen.