Bad Dürrenberg
St. Bonifatius
Platz der Freiheit 1
06231 Bad Dürrenberg
-
Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche zu den Gottesdienstzeiten Anschrift Pfarramt Katholisches Pfarramt St. Norbert
Bahnhofstraße 14
06217 Merseburg
03461 210071
E-Mail
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Öffnungszeiten Pfarramt MO, DI, FR: 9.00 - 12.00 Uhr
DI, DO: 15.00 - 18.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die Gottesdienstzeiten können online abgerufen werden unter: www.katholische-kirche-merseburg.de/gottesdienste
Kirchen im Osten
„Die modernste Kirche Deutschlands, wenn nicht der ganzen Welt“
So wurde 1931 die neue, weiß verputzte Rundkirche in der Lokalpresse überschwänglich für ihre futuristisch anmutende Form gelobt. Das Innere von St. Bonifatius bezog sich auf frühchristliche Zentralbauten und verarbeitete zugleich die zeitgenössischen Diskurse um den christozentrischen Raum. Nicht zuletzt schuf der Maler und Bildhauer Hannes Schulz-Tattenpach (= Odo Tattenpach) hier ein expressives Altarbild, das von der kirchlichen Behörde als „anstößig“ verworfen wurde. Nur durch den Einsatz des damaligen Pfarrers konnte das Kunstwerk im Raum verbleiben, wurde allerdings lange Zeit verhängt.
- ÜberblickOrt
Bad Dürrenberg
Bistum
Bistum Magdeburg
Name der Kirche
St. Bonifatius
Weihe
1931 (18. Oktober, benediziert; konsekriert am 18. Oktober 1981)
Architekt
Rudolf Straubinger
Künstler
Rudolf Brückner-Fuhlrott, Klaus Messerschmidt, Odo TattenpachBesonderheit
Der Zentralraum fügt sich in einen hufeisenförmigen Baukomplex aus Kirche und Pfarrhaus.
Nutzung
eine von fünf Kirchen der Katholischen Pfarrei St. Norbert Merseburg
Standort / Städtebau
St. Bonifatius erhebt sich am Platz der Freiheit westlich eines Kreisverkehrs. Hier trifft sich die alte Dürrenberger Hauptstraße mit den Fernstraßen, welche die Kurstadt in jede Himmelsrichtung mit dem Umland verbinden. Diese städtebaulich herausgehobene Position wird durch die Erhöhung des "Aschehügels" zwischen Salinen- und Merseburger Straße noch unterstrichen. - Beschreibung
Grundriss
Der Grundriss setzt sich aus zwei Formen zusammen: Auf einer halbkreisförmigen Fläche erhebt sich der Kirchenraum mit Haupt- und Seitenschiffen, während die sich anschließenden Räume für Sakristei, Gemeindesaal und Pfarrhaus auf einem querrechteckigen Grundriss ruhen. Somit ergibt sich insgesamt die Form eines Hufeisens. Da der Grundriss des Kirchenraums wiederum wie eine Apsis halbkreisförmig in das Rechteck der Nebenräume hinein ragt, entsteht ein Vollkreis. Vom Kirchenrund hebt sich der Turm auf quadratischem Grundriss leicht ab. Ihn rahmen zwei Anbauten, deren Grundfläche sich jeweils in die geschwungene Außenmauer fügt.
Außenbau
Der Bau erhebt sich auf einer leichten Anhöhe. Nach außen treten Kirche, Pfarrhaus und Gemeindesaal als einheitlicher Block auf. Den Mittelpunkt der Anlage bildet die mit einer flachen Stahlbeton-Schalenkuppel bedeckte Kirchenrotunde. Aus ihrem Rund tritt der quaderförmige Turm im Osten nur leicht heraus. Er wird von zwei niedrigeren Prismen gerahmt und erinnert damit an ein traditionelles dreistufiges Westwerk. Gleichzeitig markiert der Turm den Eingang zur Kirche. Über diesem ist – als einziger äußerer Schmuck – ein goldfarben umsäumtes Kreuz aus braunen Keramikplatten angebracht. Nur auf der Nord- und Südseite des Turms finden sich Schallfenster. Die niedrigeren Seitenschiffe zeigen deutlich sichtbare Betonglas-Fensterbahnen.
Innenraum
Durch den Haupteingang eintretend, gelangt der Besucher zunächst in eine Vorhalle unter der Orgelempore, die den gesamten Eingangsbau einnimmt. Der Blick richtet sich sogleich auf das Altarbild, das den nach Westen fensterlosen Hauptraum beherrscht. Davor erhebt sich die kreisrunde, von der Wand gelöste Altarinsel mit Ambo und Sedilien, um die sich die Bänke im Halbrund gruppieren. Die flache Kuppel wird von einer Glaslaterne bekrönt, die Nord- und Südseite der Rotunde erhalten ihr Licht ebenso wie die Seitenschiffe durch farbig-abstrakt gestaltete Betonglasfenster. Im nördlichen Seitenschiff findet sich die Werktagskapelle, im südlichen die Kapelle des Kirchenpatrons. Unter der Empore wurde anstelle der ursprünglichen Andachtskapelle der Beichtstuhl eingerichtet.
- Liturgie und Raum
Der Gottesdienstraum überrascht durch eine helle Weite, die sich der Umgestaltung von 1976 bis 1981 verdankt. Damals wurden nicht nur die Betonglasfenster eingesetzt, sondern auch der Hochaltar, die Kommunionbank, die Kanzel und der Taufstein entfernt. Trotz dieses Eingriffs konnte das ursprüngliche liturgische Konzept bewahrt, ja noch gesteigert werden: Eine dreistufige Altarinsel mit Volksaltar und Ambo nimmt heute das Kirchenrund auf. Das liturgische Zentrum ist zur Gemeinde hin vorgerückt, die feiernde Gemeinde umschließt sie als Circumstantes und wird somit noch unmittelbarer ins Geschehen hineingenommen. 1931 hatte sich Straubinger an den Grundgedanken der „Christozentrischen Kirchenkunst“ orientiert, wie sie der Priester Johannes van Acken 1922 in der gleichnamigen Programmschrift erläutert hatte. Darin galt der Zentralraum als ideal, um den ganzen Raum auf den Altar zu beziehen und die Gemeinde näher an das in der Liturgie gefeierte Geheimnis heranzuführen. Van Acken empfahl, den Altar durch ein monumentales Bild als Stätte des Opfers Christi hervorzuheben – auch dies findet sich in Bad Dürrenberg mit Tattenpachs Mosaik. Das nördliche Seitenschiff wurde für Werktagsgottesdienste hergerichtet und mit tragbaren hölzernen Prinzipalstücken ausgestattet.
- Ausstattung
Der Künstler Hannes Schulz-Tattenpach (auch: Odo Tattenpach, 1905-53) entwarf das in Opalglasplatten ausgeführte Mosaik über dem Altar – damals, zumal im sakralen Raum, eine noch neue Technik. Es zeigt Christus, der sich vom Kreuz herab seiner verzweifelten Mutter Maria zuneigt. Als bei der Innenraumneugestaltung (1976-81) auch der Hochalter entfernt wurde, fügte der Künstler Klaus Messerschmidt dem Mosaik noch Schieferplatten hinzu. So scheint die Figurengruppe nun auf einem Hügel zu stehen. Die Bonifatiusfigur im Seitenschiff sowie der neue Volksaltar mit einer Reliefarbeit, der Ambo und die Sedilien aus Vraza-Marmor wurden ebenfalls von Messerschmidt gefertigt. 1981 ergänzte der Maler und Bildhauer Rudolf Brückner-Fuhlrott (1908-84) abstrakt-farbige Glasbetonfenster. Vom selben Künstler stammt auch die geschnitzte Madonna mit Kind in der Werktagskapelle.
- Von der Idee zum Bau
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Bad Dürrenberg und Umgebung nur wenige Katholiken. Das Gebiet gehörte zur großen Missionspfarrei Lützen im Erzbistum Paderborn. Durch den Zuzug katholischer Arbeiter für den nahen Industriebetrieb Leuna wurde ein eigener Kirchenbau immer drängender. Der seit 1927 für die Messe genutzte Saal der Kur-Lichtspiele erwies sich schnell als zu klein. Mit Unterstützung des Bonifatiusvereins konnte die Aschehalde der alten Saline als Bauplatz erworben werden. Der Architekt Rudolf Straubinger ging im Januar 1931 als Sieger aus einem internen Wettbewerb hervor und erhielt den Auftrag. Am 26. Juli 1931 wurde der Grundstein gelegt und die neue Kirche am 18. Oktober 1931 benediziert. Die Weihe musste durch den Tod des Paderborner Weihbischofs zunächst entfallen. Schon nach wenigen Jahren zeigte der Neubau erhebliche Schäden, die Ende der 1930er Jahre behoben werden mussten. Den größten Eingriff in das originale Raumkonzept brachte aber eine zwischen 1976 und 1981 mit viel Eigenleistung und Hilfe aus dem Westen ermöglichte Innenraum-Umgestaltung. Am 18. Oktober 1981 erhielt die Kirche schließlich ihre Weihe durch den Apostolischen Administrator in Magdeburg, Bischof Johannes Braun.
- Der Architekt Rudolf Straubinger
Rudolf Straubinger wurde am 23. Juni 1896 im niederbayerischen Perbing geboren. Nach einem vierjährigen Kriegsdienst (1915-1919) studierte er bis 1922 Architektur an der TH München. Hierauf folgten das Referendariat am dortigen Landbauamt und die Staatsprüfung für den höheren Baudienst. Nach dem 1925 erfolgreich abgelegten Staatskonkurs war er zunächst freiberuflich tätig.
Ab 1928 ist Straubinger in Leipzig nachweisbar und bezog 1931 seine Wohnung in der bis 1930 neu errichteten sogenannten Kroch-Siedlung (Leipzig-Gohlis). Für diese Siedlung entwarf Hans Heinrich Grotjahn – zeitgleich zu Straubingers Bad Dürrenberger Kirche – die evangelische Versöhnungskirche. Mit St. Bonifatius verwirklichte Straubinger seinen einzigen Sakralbau. Nach Kriegsende wurde er aufgrund seiner vorangegangenen Zugehörigkeit zur NSDAP und zur NS-Kulturkammer enteignet. Er übersiedelte nach Mainz, wo er die Leitung eines Werkes für Kunststein und Betonfertigteile übernahm. Rudolf Straubinger verstarb am 16. März 1973 ebendort im Alter von 76 Jahren.
- Literatur (Auswahl)
- Johannes van Acken: Christozentrische Kirchenkunst. Entwurf zu einem liturgischen Gesamtkunstwerk, 2. Auflage, Gladbeck 1923.
- Rainer Behrends: Odo Tattenpach. Leben und Werk des Malers und Bildhauers Hannes Schulz-Tattenpach (1905-1953), Leipzig 2013, 62-69.
- Katholische St. Bonifatius-Kirche in Bad Dürrenberg A. S., in: Deutsche Bauzeitung 62, 1932, 288-290.
- Daniel Greb: Gerühmt und umstritten. Die Diasporakirche St. Bonifatius zu Bad Dürrenberg (1931) vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Diskussion um den angemessenen Sakralbau, in: Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- und Ordensgeschichte 13, 2017, 221-279.
- Daniel Greb: Schulz-Tattenpach, Hannes (1905-1953), in: BBKL Band XL (2019), 1230-1235.
- Daniel Greb: Straubinger, Rudolf (1896-1973), in: BBKL Band XL (2019), 1321-1331.
- Rudolf Joppen: Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg. Teil 10: Geschichte und Rechtsstellung vom Ausgang der Weimarer Republik bis zum Ende des zweiten Weltkrieges 1930-1945, Leipzig 1978, 48-55.
- Pfarrarchiv der Katholischen Gemeinde St. Norbert Merseburg, Materialien aus der Bauzeit (darunter – sie lassen sich leider nicht in jedem Fall eindeutig einer Zeitung zuordnen – Artikel der frühen 1930er Jahre, hieraus auch das Zitat der Einleitung).
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