Baienfurt

Mariä Himmelfahrt

Anschrift Kirche
Kirchstraße 6
88255 Baienfurt
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche 9.00 - 18.00 Uhr
    Anschrift Pfarramt Pfarramt Baienfurt
    Kirchstraße 8
    88255 Baienfurt
    0751 43633
    E-Mail
    Zur Webseite
    Öffnungszeiten Pfarramt MO, MI, DO: 9.00 - 11.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche SA: 18.30 Uhr
    SO: 10.00 Uhr

    Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.katholisch-baienfurt-baindt.de/gottesdienste.htm.
    Kirchen im Südwesten

Durch tiefblaue Sphären

Die Pfarrkirche von Baienfurt ist als expressionistischer Kirchenbau an sich bereits etwas Besonderes: Inmitten der barocken Kirchenlandschaft Oberschwabens mutet St. Mariä Himmelfahrt geradezu exotisch an. Während sich der Außenbau in Baienfurt zurückhaltend gibt, taucht der Besucher im reich ausgemalten Kirchenraum in eine andere Welt ein. Ringsum herrscht ein dunkles nuancenreiches Blau, das je nach Tageszeit und Lichteinfall ins Ultramarin, Blaugrün oder Blauviolett übergeht. Stolz nennen die Einheimischen ihre Pfarrkirche daher auch „unsere blaue Grotte“.

  • Überblick
    Ort
    Baienfurt

    Bistum
    Bistum Rottenburg-Stuttgart

    Name der Kirche
    Mariä Himmelfahrt

    Weihe
    1927 (6. Juli)

    Architekt
    Otto Linder

    Künstler
    Joachim Sauter, Alois Schenk
    Besonderheit
    Als erste Kirche in Eisenbeton-Skelettbauweise im Bistum Rottenburg-Stuttgart bildet Mariä Himmelfahrt – von der Lichtführung bis zur malerischen Ausgestaltung – ein expressionistisches Gesamtkunstwerk.

    Nutzung
    Pfarrkirche der Gemeinde Mariä Himmelfahrt, Baienfurt

    Standort / Städtebau
    Die Kirche findet sich etwas zurückgesetzt von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Hauptstraße, längs einer Nebenstraße, mit einem freien Platz im Westen vor dem Haupteingang und einem begrünten Parkplatz im Osten.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Grundriss

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Grundriss

    Der Grundriss zeigt einen in West-Ost-Richtung angelegten dreischiffigen Längsbau, ein angedeutetes Querschiff und einen leicht vorspringenden Eingangsraum. Der schmale eingezogene Chor auf quadratischer Grundfläche wird im Norden durch den Turm, im Süden durch die Sakristei gerahmt. Auch diese beiden Baukörper ruhen je auf einem quadratischen Grundriss.

     

    Außenbau

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Außenbau | Foto: Hans Wierer

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Foto: Hans Wierer

    Am gestaffelten Baukörper mit seinem hohen abgestuften Walmdach fällt zunächst die Westfassade mit ihrer großen parabelförmigen Portalnische auf. Die schmalen hohen Rechteckfenster sind an der Nord- und Südfassade zu gestaffelten Dreiergruppen zusammengefasst. Mit ihren in rötlichem Ocker gefassten Rahmungen sowie ihren überlängten Laibungen und Stürzen beleben alle Fenster deutlich sichtbar den hellen Rauputz mit seinen horizontalen Ritzfugen.

     

     

    Innenraum

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Innenraum | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Auf den schmalen Eingangsraum und dessen Nebenräume, über denen sich die Empore erstreckt, folgt der breite hohe Gemeinderaum. Jeweils fünf Parabelbögen auf gestreckten Konsolen verbinden das Hauptschiff mit den Seitenschiffen. Letztere sind so schmal, dass sie wie ein Umgang wirken. Das Gewölbe des Hauptschiffes erinnert an ein spätgotisches Netzgewölbe: 14 gefaltete und mit Stabwerk besetzte Flächenbahnen werden von Gurtbogengesimsen unterteilt. Den um sieben Stufen erhöhten Chor trennt ein parabelförmiger Triumphbogen vom Gemeinderaum. Das Bogenmotiv wiederholt sich mehrfach abgestuft an der Stirnwand. Im Chorraum fällt das Licht indirekt von Süden ein. Die blauen Wandflächen hellen sich in den Seitennischen, an der Empore und im Bereich der Seitenaltäre zu Grau auf und gehen im Chor zu Violett über. Dabei wird der Farbauftrag von andersfarbigen Winkelformen durchzogen und bewusst diffus gestaltet.

  • Liturgie und Raum
    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Stirnwand über dem Hochaltar | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Stirnwand über dem Hochaltar | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Der in Baienfurt vorherrschende Blauton verweist auf Maria, die Patronin der Kirche. In der Stirnwand über dem Hauptaltar lichtet sich das helle Blau zu goldenen Sphären, die eine Mariendarstellung umfangen. Hier verband der Maler Alois Schenk Motive der Himmelfahrt und der Krönung Mariens. Die auf den Altar hin ausgerichtete Längsachse des Raums nimmt die Gläubigen in Gänze auf. Sowohl die Farbdramaturgie als auch die Raumform sind Ausdruck einer neuen Frömmigkeit: Kirche soll sich als Gemeinschaft ebenso wie als Bauwerk ganz auf Christus als König bzw. auf Maria als Königin beziehen. Die 1999 vom Künstler Joachim Sauter eingefügte Altarinsel mit Ambo und Zelebrationsaltar greift diesen Gedanken auf. Der Altar wurde in Anlehnung an die kristallinen Lampenformen und an das intensive Blau der umgebenden Wände aus dunkelblauem Quarzit gestaltet.

  • Ausstattung
    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Seitenschiff | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Seitenschiff Durchgang | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Die farbige Wandgestaltung in Blautönen und die Wandmalerei über dem Hochalter wurden vom Maler Alois Schenk geschaffen. Von ihm stammen auch die Fenstergestaltungen mit Szenen aus dem Leben Jesu: Wunderbarer Fischfang (an der Nordwand/im nördlichen Querhaus) und Taufe im Jordan (an der Südwand/im südlichen Querhaus, hier findet sich auch das Taufbecken). Der Kreuzweg, den Schenk erst 1934 vollendet hat, zeigt kantige herbe Gestalten in gebrochenen Formen. 1927 wurde der Hochaltar mit Tabernakel von der Ravensburger Werkstatt Schnell gefertigt. An den Seitenaltären finden sich Bildwerke des lokalen Künstlers F. X. Eberhard mit den Motiven: die Heilige Anna mit Maria als Kind und der Heilige Joseph mit dem Jesusknaben. Die heutige, 1988 durch die Firma Reiser aus Biberach eingebrachte Orgel ersetzt ein Vorgängerinstrument derselben Firma aus dem Jahr 1934.

  • Von der Idee zum Bau
    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Foyer | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Vorraum | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    In Baienfurt gründete sich 1919 ein Kirchenbauverein, nachdem 1918 die Weingarter Filialgemeinde zur selbständigen Gemeinde erhoben worden war. Da sich der Baubeginn mehrfach verzögerte, konnte der beauftragte Architekt Otto Linder seinen ersten, noch eher traditionellen Entwurf mehrfach überarbeiten. Schließlich wurde die Grundsteinlegung am 7. Juni 1925, die Weihe am 6. Juli 1927 gefeiert. 1953 vollendete man den bis dato nur bis zum Dachfirst bestehenden Turm – allerdings nicht in der von Linder geplanten Form. Von 1975 bis 1977 erfolgte eine Außenrenovierung. Nach einem längeren Provisorium wurde der Chorraum 1999 um einen vorgezogenen Zelebrationsaltar erweitert.

  • Der Architekt Otto Linder
    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Deckengestaltung | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Baienfurt | Mariä Himmelfahrt | Deckenstruktur | Foto: Iris Dostal-Melchinger

    Otto Linder (* 24. April 1891 in Weißenstein bei Göppingen, † 26. Mai 1976 in Stuttgart) absolvierte vor dem Ersten Weltkrieg eine Maurerlehre, besuchte die Staatliche Höhere Bauschule Stuttgart und arbeitete in verschiedenen Architekturbüros. Nach Kriegsende studierte Linder an der Stuttgarter Kunstakademie u. a. bei Paul Bonatz und Ernst Fiechter, die eine Abkehr vom Historismus einforderten. Zwischen 1920 und 1971 wirkte Linder als freier Architekt vor allem von Stuttgart aus.

    Nach dem Ersten Weltkrieg schuf Linder insbesondere im Bistum Rottenburg-Stuttgart zahlreiche Kirchenbauten, die ein neues Liturgieverständnis verkörpern sollten: Im Gemeinderaum rückte er die Stützen nach außen und setzte den erhöhten Chor deutlich davon ab, damit Altar und Kanzel von allen gut eingesehen werden konnten. Nachdem Linder erste Erfahrungen im Kirchenbau unter anderem in Gosbach und Mühlacker gesammelt hatte, konnte er diesen Ansatz in Baienfurt erstmals konsequent umsetzen. Das hier prägende Motiv der Parabel findet sich in seinem Werk z. B. auch bei der Heilig-Kreuz-Kirche (1927) in Kuchen bei Geislingen, bei Mariä Himmelfahrt (1929) in Klein-Süßen bei Göppingen und bei der Taborkirche (1931) in Freudenstadt.

  • Literatur (Auswahl)
    • Eugen Ehrmann: A. Otto Linder, Neue Kirchenbauten (Architektur der Gegenwart 1), Hannover/Stuttgart 1926.
    • Hubert Krins: Die Marienkirche in Baienfurt, Kr. Ravensburg – ein Bauwerk des Expressionismus, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1977, 3, 97 ff.
    • Anton Nägele: Die neue Kirche in Baienfurt bei Weingarten, in: Archiv für christliche Kunst 44, 1929, 82 ff.
    • Albert Spaett: Otto Linder 1891-1976. Architekt der Kirche St. Marien in Oberwinterthur, 2000 (www.spaett.com/uploads/tx_omspaett/20140512_Taborkirche_Otto_Linder_Biographie.pdf, Abrufdatum: 8. Juli 2017)
    • Bernhard Staudacher: Mariä Himmelfahrt Baienfurt, Regensburg 2017.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Iris Dostal-Melchinger, Rottenburg am Neckar (Beitrag online seit 07/2017)

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