Berlin
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Breitscheidplatz
10789 Berlin
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Kirche:
täglich 10.00 - 18.00 Uhr
(keine Besichtigung während der Gottesdienste, jenseits der Gottesdienstzeiten kostenlose Kirchenführungen vier- bis sechsmal täglich in stündlichem Abstand)
Gedenkhalle:
MO - FR: 10.00 - 18.00 Uhr
SA: 10.00 - 17.00 Uhr
SO: 12.00 - 17.30 Uhr Anschrift Pfarramt Evangelische Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde
Lietzenburger Straße 39
10789 Berlin
030 2185023
E-Mail
Zur Webseite
Öffnungszeiten Pfarramt MO, DI, FR : 9.00 - 12.00 Uhr
MI: 15.00 - 17.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche SO: 10.00 und 18.00 Uhr
SA: 18.00 Uhr Orgelvesper oder Kantate-Gottesdienst
Wochentags: 13.00 Uhr Mittagsgebet, 17.30 und 18.00 Uhr Abendgebet
Die aktuellen Gottesdienstzeiten finden Sie unter: www.gedaechtniskirche-berlin.de/gottesdienste.
Kirchen im Osten
Mittendrin
Der Architekt Egon Eiermann nannte seine Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche „ein Spiel des Neuen um das Alte herum“. Das Alte: die weltbekannte Turmruine, nach dem Zweiten Weltkrieg von der historistischen Kirche übriggeblieben, 1957 knapp dem Abriss entgangen. Mahnmal gegen den Krieg und Symbol für ein friedliches Berlin. Und drum herum das Neue: vier geradlinige Baukörper von Eiermann, eingeweiht kurz nach dem Mauerbau. Nach außen zurückhaltend, innen beinahe überwältigend durch das leuchtende Blau der Glaswände von Gabriel Loire aus Chartres. Ein deutsch-französisches und ökumenisches Gemeinschaftswerk. Als Citykirche mittendrin im Leben der Hauptstadt, fast immer voller Menschen aus aller Welt – ein Ort der Versöhnung.
- ÜberblickOrt
Berlin
Landeskirche
Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Name der Kirche
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Einweihung
1961 (17. Dez./Kapelle 30. Nov. 1963)
Architekt
Egon Eiermann
Künstler
Karl Hemmeter, Gabriel Loire, Kurt Reuber, Fritz SchaperBesonderheit
Diese unverwechselbare Citykirche der Architekturmoderne ist mit dem Ruinenturm in ihrer Mitte ein weltbekanntes Symbol für Frieden und Versöhnung.
Nutzung
täglich geöffnete Citykirche in Verantwortung einer lebendigen Innenstadtgemeinde
Standort / Städtebau
Das Gebäudeensemble der Kirche steht weithin sichtbar im Schnittpunkt der Hauptstraßen der Berliner City West auf dem Breitscheidplatz, in unmittelbarer Nähe zum Verkehrsknotenpunkt Zoologischer Garten – die umgebenden Hochhäuser halten Respektsabstand. - Beschreibung
Grundriss
Ein um sechs Stufen aus dem Breitscheidplatz herausgehobenes Podium bindet fünf Bauten zusammen: im Mittelpunkt der Alte Turm mit der Gedenkhalle auf rechteckigem Grundriss mit zwei rundbogigen Abschlüssen, westlich gegenüber die moderne Kirche auf achteckigem Grundriss und das dahinter anschließende Foyergebäude auf rechteckigem Grundriss, östlich der neue Glockenturm auf sechseckiger Grundfläche und darüber nach Nordosten versetzt die moderne Kapelle auf rechteckigem Grundriss.
Außenbau
Erster Blickfang: der Alte Turm, einst 113, heute noch 71 Meter hoch, im neuromanischen Stil. Seinem Eingang unmittelbar gegenüber die moderne Kirche, ein Stahlskelettbau, in den Betonwaben eingesetzt sind. Auf der anderen Seite der Turmruine der neue Turm mit sechs Bronzeglocken, in gleicher Fassadengestaltung wie die Kirche. Daneben, ebenfalls von Stahl und Beton eingefasst, quaderförmig mit Vordach: die Kapelle. Als viertes schließlich das Foyergebäude an der westlichen Rückseite der Kirche (um seine künftige Bestimmung wird aktuell gerungen).
Innenraum
Die im Alten Turm erhalten gebliebene Eingangshalle mit ihren Mosaiken und Reliefs lässt die Pracht der – dem Gedenken an den ersten Hohenzollernkaiser Wilhelm I. gewidmeten – Kirche erkennen. Bei näherem Hinsehen zeigt sie aber auch viel von der Problematik des damaligen Bündnisses von Thron und Altar und von der überkommenen Konfrontation zwischen Deutschland und Frankreich. Die Betonwabenfelder der modernen Kirche sind mit künstlerisch gestaltetem, dickem Glas ausgefüllt: 5.000 Quadrate für außen, weitere 11.182 für die Innenwand, jedes einzeln entworfen. Bei Sonnenschein scheinbar von selbst leuchtend, ein unmerklich wechselndes Farbenspiel. Bei Dunkelheit elektrisch hinterleuchtet, nach innen wie nach außen, in die nächtliche Stadt hinein. Und inmitten der beiden Wände ein Raum ungeahnter Ruhe. „Blau ist der Friede“, hat der Glaskünstler Gabriel Loire sein Werk kommentiert, die eingestreuten farbigen Felder stünden für die „Freude“. Die äußere Umfassungsmauern der Kapelle hingegen verraten noch kaum, was sich dahinter verbirgt: ein von einem begrünten Umgang umgebener, fast deckenhoch klar verglaster, zweiter Gottesdienstraum, heiter und licht, klösterlich anmutend und von zeitloser Eleganz.
- Liturgie und Raum
Die runden Bodenfliesen variieren die Flächengestaltung draußen, halten äußere Welt und Kirchenraum in Beziehung. Mit ihren wechselnden Farben und Größen entsprechen sie der Vielfalt der Menschen, die in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche zwischen Geschichte und Moderne ein- und ausgehen. In der täglich geöffneten Gedächtniskirche finden allsonntäglich zwei Gottesdienste statt, sonnabends eine Orgelvesper oder ein Bach-Kantate-Gottesdienst und an den Wochentagen mittags ein Friedensgebet und abends Kurzgottesdienste. Der breite, von zwölf Kerzen geschmückte Altartisch zwischen der achteckigen Kanzel und dem großen, ebenso modern gestalteten Aluminium-Taufbecken steht leicht erhöht dem Eingang gegenüber und gibt dem Gottesdienstraum seine klare Ausrichtung. 750 Stühle in Reihen und weitere 100 Sitze oben unter der Schuke-Orgel bieten reichlich Gelegenheit, sich einen passenden Platz zu suchen. Eine Kirche für die um Wort und Sakrament versammelte Gemeinde. Eine Kirche ebenso zur Freude an der Musik. Und eine Kirche, in der jede und jeder auch als Einzelperson willkommen ist – zur persönlichen Andacht, zum stillen Verweilen, zum Entzünden eines Gebetslichts.
- Ausstattung
Der durch die blau leuchtenden Wände (Glasgestaltung: Gabriel Loire) geprägte Kirchenraum wird fast ebenso stark durch die goldfarbene Figur des segnenden Christus als Auferstehender über dem Altar bestimmt. Kaum vorstellbar, dass Egon Eiermann dies Werk des Künstlers Karl Hemmeter (aus ernstzunehmenden Gründen) nicht in seiner Kirche haben wollte! Für den Architekten sollte der Raum in seiner modernen Sakralität aus sich selbst heraus wirken, ohne dazu Bilder zu brauchen. Gleichwohl berührt in dieser Kirche auch sehr stark, rechts hinten, das Bild der „Stalingrad-Madonna“, zu Weihnachten 1942 von dem Arzt, Pfarrer und Maler Kurt Reuber gezeichnet, inmitten der Schrecken des Krieges, seit 1982 an dieser Stelle. Und gleich daneben der Ort des Gedenkens an evangelische Menschen, die aus ihrem Glauben heraus gegen den Nationalsozialismus ihr Leben eingesetzt haben – Pendant zur katholischen Gedenkkirche Maria Regina Martyrum. Gegenüber in der Gedenkhalle das Nagelkreuz von Coventry, ein ausdrückliches Zeichen der Versöhnung genauso wie daneben das Ikonenkreuz, 1988 von der orthodoxen Kirche Russlands an die Evangelischen Christen in Deutschland gegeben. Verbindend dazwischen die Christusfigur von Fritz Schaper, die einst auf dem Altar der alten Kirche stand. Nicht zu vergessen die Werke des Künstlers Paul Dierkes, der die hölzernen Reliefs über den Kirchentüren und das Facettenkugelkreuz auf dem Glockenturm schuf.
- Von der Idee zum Bau
Die ursprüngliche Gedächtniskirche (1891-95, Franz Schwechten) war evangelische Hauptkirche für die gegen Ende des 19. Jahrhunderts neue und aufstrebende westliche Mitte Berlins. Nach der Kriegszerstörung 1943 war zunächst umstritten, ob es weiterhin eine Kirche an diesem zentralen Ort geben sollte. Kirche und Senat von Berlin einigten sich schließlich auf einen Wettbewerb mit führenden Architekten der Zeit, um im Zentrum des Westteils der Stadt eine Kirche von internationalem Rang entstehen zu lassen, ein Wahrzeichen für das neue Berlin nach dem Krieg. Die Entscheidung fiel auf den Entwurf von Egon Eiermann: Er sah von vornherein eine Bautengruppe vor, um den schwierigen Bedingungen auf dem rundum neu eingefassten, aber nicht sehr klar geordneten Platz zu entsprechen. Als eine Protestwelle in der Bevölkerung die Erhaltung des von ihm eigentlich zum Abbruch vorgesehenen Alten Turms verlangte, konnte nun auch die die Ruine einbezogen werden. Der Grundstein für die erneuerte Kirche wurde am 9. Mai 1959 gelegt, die (Wieder-)Einweihung am 17. Dezember 1961 gefeiert.
- Der Architekt Egon Eiermann
Egon (Fritz Wilhelm) Eiermann – in seinem späteren Leben Architekt, Möbeldesigner und Hochschullehrer – wurde am 29. September 1904 in Neuendorf bei Potsdam geboren. Nach seinem Architekturstudium an der TH Berlin arbeitete er zunächst in den 1920er Jahren in Hamburg und Berlin, bevor er 1931 mit Fritz Jaenecke sein eigenes Büro gründete. Nach 1945 konnte Eiermann an seine Tätigkeit im Industriebau anknüpfen und sich als stilprägender Architekt der bundesdeutschen Nachkriegsmoderne etablieren. Egon Eiermann verstarb am 19. Juli 1970 im Alter von 65 Jahren in Baden-Baden.
Eiermanns vom Industriebau herkommende Formensprache zeigte große Klarheit, moderne Materialien und Detailgenauigkeit: so etwa beim Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel, beim Bonner Bundestagshochhaus, beim Kanzleigebäude der Deutschen Botschaft in Washington oder bei verschiedenen Firmenzentralen in Deutschland. Der Schüler von Hans Poelzig nahm später Einflüsse des von ihm verehrten Mies van der Rohe, aber auch z. B. Impulse aus der japanischen Baukunst und Gartengestaltung auf. Einziger realisierter Kirchenbau außer der Gedächtniskirche ist die Matthäuskirche in Pforzheim (1952-56). Bei deren Bau entwarf er, für Deutschland erstmalig, leuchtende Wände aus Glas und Beton. Für Berlin entwickelte er diese Bauweise weiter – in engem Zusammenwirken mit dem Glaskünstler Gabriel Loire (1904-96) aus Chartres.
- Literatur (Auswahl)
- Sabine Baumann-Wilke: Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche von Egon Eiermann in Westberlin. Entstehung und Bedeutung, Diss., Braunschweig 1988.
- Immo Boyken: Die Architektur Eiermanns aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Wulf Schirmer (Hg.): Egon Eiermann 1904-1970, Bauten und Projekte, Stuttgart 1993, 3. Auflage, 59-71.
- Kristin Feireiss (Hg.): Egon Eiermann. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Berlin 1994.
- Vera Frowein-Ziroff: Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Entstehung und Bedeutung (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Beiheft 9), Berlin 1982.
- Martin Germer: Grandioses Wagnis. Die blauen Glaswände der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin – ein Gemeinschaftswerk von Egon Eiermann und Gabriel Loire, in: Ralf Liptau/Thomas Erne (Hg.): Licht. Material und Idee im Kirchenbau der Moderne, Kromsdorf/Weimar 2017, 57-72.
- Kai Kappel: Egon Eiermann – Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin 1961/2011, Lindenberg im Allgäu 2011.
- Kai Kappel: Raster versus Ruine. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, in: Annemarie Jaeggi (Hg.): Egon Eiermann (1904-1970). Die Kontinuität der Moderne, Ostfildern 2004, 50-58.
- Religiana.com: Kaiser Wilhelm Memorial Church, Berlin
- Jessica Waldera: Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin, Berlin 2016, 3. Auflage [Kirchenführer mit Aufnahmen von Katharina Dorn].
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.