Berlin-Prenzlauer Berg
St. Augustinus
Dänenstraße 17/18
10439 Berlin-Prenzlauer Berg
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
MO - FR: 12.00 - 13.00 Uhr Anschrift Pfarramt Katholische Kirchengemeinde Heilige Familie
Wichertstraße 23
10439 Berlin-Pankow
030 4454150
E-Mail
Zur Webseite
Öffnungszeiten Pfarramt MI, FR: 10.00 - 12.00 Uhr DO: 16.00 - 18.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten finden Sie online unter: www.heiligefamilie-berlin.de.
Kirchen im Osten
Ein Hauch von Glamour im Arbeiterviertel
Extremer hätten die Gegensätze am 15. Mai 1927 nicht sein können: Da steht der Breslauer Weihbischof und Fürstbischöfliche Delegat Josef Deitmer zusammen mit tausenden Gemeindemitgliedern, vierzig Fahnen und dröhnenden Fanfaren zwischen hohen Berliner Mietskasernen knöcheltief im Morast einer Brache und legt den Grundstein für einen Kirchenbau, der das Proletariat mit Eleganz und Glamour für das Evangelium gewinnen sollte. Warum auch nicht? Mit der Kombination aus klaren Linien, intensiven Farbkontrasten, edelsten Materialien und Oberflächen sowie technisch ausgeklügelten Lichtinszenierungen konnten bereits die neuen Lichtspielhäuser der Großstädte, die luxuriösen Ozeandampfer der HAPAG oder visionäre Filme wie Fritz Langs futuristischer Klassiker „Metropolis“ bei den Bürgern der Weimarer Republik punkten. Und so gingen Sakralität und Art déco, Kirche und Welt, in Gestalt der Pfarrkirche St. Augustinus eine bemerkenswerte Verbindung ein – ein Gewinn für beide Seiten.
- ÜberblickOrt
Berlin-Prenzlauer Berg
Bistum
Erzbistum Berlin
Name der Kirche
St. Augustinus
Weihe
1928 (16. September)
Architekt
Josef Bachem
Künstler
Otto HitzbergerBesonderheit
St. Augustinus verbindet auf avantgardistische Weise expressionistische Architektur mit der Ästhetik des Art déco.
Nutzung
Kirche innerhalb der Katholischen Pfarrgemeinde Heilige Familie Berlin-Pankow sowie Sitz der Katholischen Studierendengemeinde Edith Stein Berlin
Standort / Städtebau
Gegenüber einer S-Bahn-Trasse wurde St. Augustinus in eine Häuserfront ehemaliger Arbeiterwohnquartiere eingebaut. - Beschreibung
Grundriss
Kirche und Gemeindezentrum bilden einen architektonischen Verbund, der um einen annähernd quadratischen Hof gruppiert ist. An den stützenlosen längsrechteckigen Saalbau der Kirche schließt sich, durch ein Zwischenjoch getrennt, der rechteckige tonnenüberwölbte Chorraum an. Zur Erbauungszeit von St. Augustinus stand bereits das links angegliederte fünfgeschossige Mietshaus (Dänenstraße 19). Dessen Seitengiebel, an den die Kirche angebaut wurde, knickt im letzten Drittel im stumpfen Winkel ab. Ohne auf eine Längsorientierung zu verzichten, fand der Architekt Josef Bachem für St. Augustinus eine Grundrisslösung, die sich diesem Knick organisch anpasste.
Außenbau
Die Kirche St. Augustinus und das sich rechts anschließende Gemeindezentrum sind in die Häuserfront der Dänenstraße eingereiht. Vom Kirchenbau zeigt sich straßenseitig nur die Westfassade aus rotbuntem Klinkerstein und Keramikelementen. Offenkundig werden Motive mittelalterlicher Sakralgebäude wie Spitzbögen, eine Fensterrose, ein massiver Eingangsbau („Westwerk“) zitiert, diese aber in expressionistischer Weise neu gedeutet.
Betreten lässt sich der Kirchenraum durch ein spitzbogiges Doppelportal, in dessen Bogenscheiteln Terrakottafiguren des Kirchenpatrons Augustinus (rechts) und seiner Mutter Monica (links) thronen. Darüber befindet sich eine Fensterrose, die im Gegensatz zu ihren verspielten mittelalterlichen Vorbildern ein geometrisches Maßwerk (Kreis und Quadrat) aufweist. Überfangen wird die Front von einem mächtigen, abgeflachten Giebel. Zu beiden Seiten erheben sich risalitartig hervortretende, sechsgeschossige Türme, die allerdings auf der Höhe des Mittelgiebels enden. Darüber befindet sich der zurückgesetzte, 35 Meter hohe Kirchturm, der von einem eingezogenen, kupfergedeckten Pyramidendach abgeschlossen wird. Als Bekrönung dient ein vergoldetes Metallkreuz, das als „weithin leuchtendes Fanal“ und „Siegeszeichen“ (Festschrift 1928, 11) gedacht ist.
Innenraum
Sobald man durch die Eingangshalle den Windfang unter der Orgelempore betritt, lässt sich der längsrechteckige stützenlose Innenraum leicht überblicken: Hauptlichtquelle für den Saal ist eine ansatzlose, 600 Zentner schwere Kuppel aus Gipsdrahtputz, die das Gewölbe krönt. Die in Hellblau gehaltenen Wände werden durch Blendarkaden auf viereckigen braunroten Kunststeinpfeilern gegliedert. Am Übergang zum Chor stehen in raumhohen Rundbogennischen die Seitenaltäre. Deren durch Kunstlicht hinterleuchtete Holzskulpturen sind vor der vielfach aufgefächerten, goldenen Wandfläche effektvoll inszeniert.
Das Arkadenmotiv des Hauptraumes setzt sich in einem tonnenüberwölbten Zwischenjoch fort, unter dessen mächtigem Triumphbogen die Altarinsel (2006/07) verortet ist. Der Raum findet schließlich seinen optischen Kulminationspunkt im erhöhten Chorraum, der zur Betonung der Tiefenstaffelung dreischiffig ausgestaltet ist. Den Abschluss bildet eine gerade Wand, vor deren silber-grauem Grund sich der mächtige Altaraufbau wirkungsvoll absetzt.
- Liturgie und Raum
Der Architekt Josef Bachem verfolgte das Ziel, den leidenden Christus in den Mittelpunkt der Kirche zu stellen und den Gläubigen als „stete Mahnung zur inneren Einkehr aufleuchten zu lassen“: Die gestaffelte Architektur, die Regie aus natürlichem und künstlichem Licht sowie die hochwertigen Materialien ziehen den Blick unwillkürlich auf den bühnenartigen Chorraum mit dem acht Meter hohen Altaraufbau, den man über zehn Stufen erreichen kann.
Der Hochaltar hebt sich mit seinen Farben von der silber-grauen Chorwand ab: In der Mitte der blau gekachelten Stufenpyramide erscheint das Mosaikbild einer Kreuzigungsgruppe auf goldenem Grund. Die beiden Heiligen – Augustinus und Monica – zu Füßen des Gekreuzigten verharren in anbetender Haltung und fordern den Betrachter auf, es ihnen gleichzutun.
Die kastenförmige Kanzel vermittelt als Ort der Verkündigung zwischen Schiff und Altarraum. Heute werden die Funktionen von Hochaltar und Kanzel durch Volksaltar und Ambo auf der nur leicht erhöhten Altarinsel übernommen. Beide, der Ort der Eucharistie und der Ort der Verkündigung, sind damit näher an die Gemeinde gerückt. Für die Feier der Taufe dient eine eigene Kapelle, die sowohl durch den Windfang der Kirche als auch durch das Vestibül des Gemeindezentrums betreten werden kann: Sie variiert in allen Formen den Parabelbogen und birgt in ihrer Mitte einen Taufstein aus Travertin.
- Ausstattung
An der Auswahl der edlen und handwerklich herausragenden Innenausstattung, die noch nahezu im Original erhalten ist, waren sowohl die Seelsorger der Pfarrei, vor allem Pfarrer Dr. Karl Pelz, sowie der Architekt Josef Bachem maßgeblich beteiligt. Rückblickend berichtete Kaplan Walter Adolph im Jahr 1928: „Die Wahl war oft schwer; denn es sollte ja nicht nur der Künstler schaffen, sondern auch der religiös schauende Mensch, der neben der Schönheit der Formen seinem Kunstwerk auch die Pietas, die Frömmigkeit, einverleibt.“ (Festschrift 1928, 9)
Das Hauptstück des Kirchenraums bildet der von Bachem selbst entworfene Hochaltar. Blauglasierte Keramikfliesen (Majolika) rahmen das sieben Meter hohe Werk, das in seiner Mitte ein plastisches Kruzifix vor einem Mosaik birgt. Zu Füßen des Gekreuzigten stehen der Kirchenpatron Augustinus sowie seine Mutter Monica in anbetender Haltung. Für die Ausführung zeigte sich der bayrische Bildhauer Otto Hitzberger (1878-1964) verantwortlich. Von ihm stammen ebenfalls die beiden Figuren auf den Seitenaltären, links eine Madonna, rechts der Heilige Josef.
Die heutige Altarinsel wurde 2006/07 bei einer umfassenden Sanierung durch das Berliner Architekturbüro Krieger + Mielke verwirklicht. Die Kanzel, die über eine Treppe betreten werden kann, ist in einer sachlichen Formensprache gehalten, „wie ja auch das Evangelium ganz einfach und schlicht ist, das auf ihr verkündet wird.“ (Festschrift 1928, S. 10) Die heutigen Fenster wurden in den 1960er Jahren eingebaut, weil die ursprünglichen, stark farbigen Bleiglasfenster mit der damals möglichen Lichttechnik zu wenig Helligkeit in den Raum ließen. Die Pfarrgemeinde will allerdings die alten expressionistischen Kirchenfenster wiederherstellen, die früher je nach Lichteinfall funkelnde Effekte hervorriefen.
- Von der Idee zum Bau
Zahllose Geldsammlungen und Bettelbriefe, die bis in die USA und nach Australien verschickt wurden, zeigten endlich Erfolg: Obwohl St. Augustinus in den Goldenen Zwanzigern zu den ärmsten Gemeinden der Hauptstadt zählte – die Mitglieder entstammten fast ausnahmslos den unteren Gesellschaftsschichten – sowie politische und wirtschaftliche Krisen das Land erschütterten, gelang es dem liturgisch bewegten Pfarrer Dr. Carl Pelz 1925 einen Wettbewerb für den Kirchenbau samt Gemeindezentrum durchzuführen. Der in Berlin-Johannisthal ansässige Architekt Josef Bachem sowie sein Mitarbeiter Heinrich Horvatin konnten sich hierbei gegen einen neuromanisch geprägten Entwurf seines Konkurrenten Karl Kühn durchsetzen.
Am 1. April 1927 erfolgte der erste Spatenstich für den Kirchenbau, am 16. September 1928 um 7 Uhr morgens die Kirchweihe. Dem damaligen Erzbischof von Breslau, Kardinal Adolf Bertram, zu dessen Gebiet Berlin gehörte, missfiel die Modernität des Baus, sodass sein Weihbischof Dr. Joseph Deitmer der Weiheliturgie vorstand. Dem veränderten Zeitgeschmack folgend, erhielt die Kirche 1953 statt der hellblauen eine gelbliche Innenfassung, die den Raum lange Zeit prägen sollte. Erst mit der umfassenden Renovierung von 2006 bis 2007 gab man St. Augustinus die ursprüngliche Farbgebung zurück.
- Der Architekt Josef Bachem
Der Architekt Josef Bachem (1881-1946) hat im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen Dominikus Böhm, Rudolf Schwarz und Hans Herkommer kaum Spuren in der Geschichte der katholischen Sakralarchitektur hinterlassen. Sein wichtigstes und innovativstes Werk stellt die Pfarrkirche St. Augustinus dar: Sie steht beispielhaft dafür, wie sich die sakrale Architektur Berlins von den Neo-Stilen des Historismus löste.
Bachem strebte den Anschluss an die moderne Architektur seiner Zeit an, die insbesondere durch neue öffentliche Verwaltungsbauten, Kinos und Theater das Straßenbild prägte. Kirchenbauten müssten hieran anknüpfen, um nicht rückständig zu erscheinen. Gleichzeitig schätzte Bachem die Kirchen des Mittelalters, machen sie doch die lange Tradition christlichen Lebens für alle sichtbar. Mit St. Augustinus gelang ihm meisterhaft die Synthese zwischen Tradition und Moderne – leider nur ein einziges Mal in seiner gesamten Schaffensphase, die aufgrund starker Kritik an seinen Bauten bereits in den 1930er Jahren jäh enden sollte.
- Literatur (Auswahl)
- Augustinus zu Berlin (Faltblattreihe: Erkennen und Erhalten in Berlin 17), hg. von der Katholischen Pfarrgemeinde Heilige Familie, Berlin 2007 (www.stadtentwicklung.berlin.de/denkmal/denkmalpflege_vor_ort/de/erkennen_erhalten/kirchen/st_augustinus.shtml, 4. Februar 2016).
- Augustinus-Kirche, Berlin, in: Die Baugilde 10, 1928, 1524-1527.
- Josef Bachem. Mit einer Einleitung von Dr. Ernst Meunier und einem Nachwort zur Neuausgabe von Christian Welzbacher (Neue Werkkunst), Berlin 2001.
- Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR. Hauptstadt Berlin I, hg. vom Institut für Denkmalpflege, Berlin 1984, 369–370.
- Festschrift zum 75. Weihetag der St. Augustinuskirche am 16. September 2003, hg. vom Katholischen Pfarramt St. Augustinus, Berlin 2003 (www.augustinus-berlin.de/kirche/festschrift.html, 4. Februar 2016).
- Festschrift zur Weihe der Augustinuskirche am 16. September 1928, hg. vom Katholischen Pfarramt St. Augustinus, Berlin 1928.
- Christine Goetz: Die katholischen Kirchen St. Augustinus und Heilige Familie in Berlin-Pankow, Lindenberg 2017.
- Harold Hammer-Schenk: Kirchen zwischen 1919 und 1933, 171-173, in: Berlin und seine Bauten, hg. vom Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin. Bd. VI. Sakralbauten, Berlin 1997.
- Religiana.com: Saint Augustine Church, Berlin
- Harald Schwillus/Matthias Brühe: Erzbistum Berlin. Eine junge Diözese in langer Tradition, Kehl am Rhein 2009, 250-251.
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