Berlin
St. Canisius
Witzlebenstraße 27-29
14057 Berlin
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
Zusätzlich zu den Gottesdienstzeiten:
MO - Fr: 11.00 - 14.00 Uhr
Anschrift Pfarramt Katholische Kirchengemeinde St. Canisius Berlin
Witzlebenstraße 30
14057 Berlin
030 326713 - 0
E-Mail
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Öffnungszeiten Pfarramt DI, DO, FR: 10.00 - 12.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.sanctcanisius.de/allgemeine-gottesdienstzeiten.
Kirchen im Osten
Riesiger Bilderrahmen
„Wer aus dem Grün des Lietzenseeparkes auftaucht, hat unerwartet, geradezu urplötzlich eine frei stehende weiß schimmernde Bauskulptur vor sich, inszeniert durch einen großen, landschaftsgärtnerisch gestalteten Vorplatz.“ So beschreibt die Kunsthistorikerin Christine Goetz die Begegnung mit Berlins jüngstem katholischen Kirchenbau. Nach dem Willen der Gemeinde sollte im Stadtteil Charlottenburg eine „Kirche am Weg“ entstehen, offen zu allen Seiten und mit der Möglichkeit, gewissermaßen im Vorübergehen Gott im Alltag erfahren zu können. Am Ende eines komplexen Entwicklungs- und Planungsprozesses entstand daraus ein – auf den ersten Blick – kaum sofort als Kirche erkennbares Bauwerk. Vielmehr schaut man wie durch einen riesigen Rahmen, der ein Bild einfasst …
- ÜberblickOrt
Berlin
Bistum
Erzbistum Berlin
Name der Kirche
St. Canisius
Weihe
2002 (28. Juni)
Architekten
George Braun, Heike Büttner, Claus Neumann
Künstler
Jo Achermann, Guy Charlier, Otto Moroder, Winfried Muthesius, Gerhart Schreiter, Joan WaltemathBesonderheit
St. Canisius zeigt sich in einem spannungsvollen beziehungsreichen Gegenüber von Innen und Außen. Der sehr schlichte Kirchenraum bietet gleichermaßen Intimität und Rückzugsmöglichkeit wie Freiraum, Offenheit und Sammlung in Fest und Feier.
Nutzung
Pfarrkirche der Katholischen Kirchengemeinde St. Canisius in Berlin-Charlottenburg/Jesuitenpfarrei in Berlin
Standort / Städtebau
In einem gehobenen Wohngebiet des früheren West-Berlin rückt St. Canisius in Lage, Gestalt und Baustoffen von der typischen Blockrandbebauung der Umgebung ab. Dem Lietzensee zugewandt, aber deutlich von der Straße abgesetzt, schließt sie die Stadt in ihr Bau- und Raumkonzept ein. - Beschreibung
Grundriss
Der Grundriss zeigt einen rechteckig quergestellten Baukörper, der sich in zwei nebeneinanderliegende, hochgestellte, ineinandergreifende Rechtecke bzw. Kuben gliedert. Der gen Norden reichende Kubus wurde als Kirchenraum geschlossen, der nach Süden gelegene vorne und hinten offen ausgebildet. Innen lassen beide Teile ein Durchdringen und Ineinanderschneiden von Kreis- und Rechteckformen erkennen. Zentral liegt ein Kreis, der beide durchläuft, und jenseits dessen man im nördlichen Gebäudeteil auf mehreren Ebenen Funktionsräume einrichtete. Scharnierartig sind beide Hauptbauteile in der Marienkapelle verbunden, deren organisch-bauchiger Grund- und Aufriss in beide eingreift. Von ihnen deutlich abgesetzt, entstand der Glockenturm gen Westen bei Beginn des Vorplatzes zum Straßenrand. Wesentlicher Bestandteil ist die sich ins Umfeld öffnende Durchwegung des Kirchengrundstücks.
Außenbau
Der aus zwei monumentalen Blöcken bestehende, 18 Meter hohe, 44 Meter breite und 27 Meter tiefe Kirchenbau wurde außen in hellem Sichtbeton erstellt, unterbrochen nur durch wenige Glasfassaden, schmale Fenster und Lichtschlitze. Dazu kommen in Lärchenholz die 11 Meter hohen, zu besonderen Anlässen geöffneten Portaltüren und die apsisartig in den „Offenen Raum“ ragende Marienkapelle. Markieren sie eher kleinteilig die Schnittstellen der beiden Kuben, zeigen die scharfkantigen glatten Betonwände eine Rhythmisierung: Durchzogen von waagerechten Arbeitsfugen, bildete man um die Ankerlöcher ihrer Schalung längliche Vertiefungen aus. Mit der New Yorker Künstlerin Joan Waltemath entstanden so kleine Kreuze, die unregelmäßig mit Metallplättchen bedeckt wurden. Am augenfälligsten aber ist der rahmenartig offene Südbau. Den 32 Meter hohen Turm erstellte man in Beton, die mit Lärchenholz verkleidete Glockenstube nahm die vier Glocken des nach Brand gesprengten Vorgängers auf.
Innenraum
Hell ist auch der vielschichtig von Kreis- und Rechteckformen durchdrungene, weiß verputzte Kirchenraum. Differenziert gesteuerte Lichteinfälle durchströmen ein Raumgebilde großer Höhe und Weite (21 x 21 Meter) mit geraden und gebogenen Wänden, hohen und abgesenkten Decken. Hervorgehoben seien die indirekte Lichtführung hinter der hohen Altarrückwand und die Glasfront der Südseite, die den Blick in den „Offenen Raum“ lenkt. Gen Westen schneidet die unregelmäßig von Lichtfugen durchzogene Marienkapelle ein, der die – ebenso hölzerne – Portalzone und die Orgelempore folgen.
Die Nordseite des Raums ist zweistufig angelegt. Im niederen unteren Bereich läuft eine weite schräglaufende Rundwand, die vom Eingang, am Tabernakel vorbei, auf den Altarbereich zuleitet und hinter der Altarwand in eine raumhohe Glaswand führt. Belegt wurde der Kirchenraum ebenso wie die Außenflächen mit grauem Sandsteinpflaster. Die ihn durchlaufenden Kreise und Rechtecke binden auch den – nur von ihm zugänglichen, deutlich über Bodenniveau entwickelten – „Offenen Raum“ ein: Ein Bogensegment durchschneidet dessen hohe Decke, und die tiefe zweischalige Südwand queren innen horizontale, außen vertikale Lichtschlitze.
- Liturgie und Raum
Die liturgischen Orte verteilen sich über den gesamten, längs- wie querorientierten Raum: Altar, Tabernakel, Sockel der Heiligen Schrift und Taufbecken sind in vier Himmelsrichtungen verortet, in ihrer Materialität gleichwohl eng miteinander verbunden. Liturgische Mitte ist der feste Altar, der die Haupt-Ausrichtung nach Osten betont. Eine niedrige, kreisförmige Erhöhung des Bodenpflasters hält einen weiten Rundbereich um ihn vor den Versammelten frei. Mit der variablen Bestuhlung – 150 Plätze in zwei Blöcken mit Mittelgang bei halbkreisförmiger Ordnung – bieten sich so vielfältig Möglichkeiten für Gottesdienst und Feier. Seitlich, vor dem großen Südfenster stellte man die Sitze für den Vorsitzenden des Gottesdienstes und die begleitenden Dienste auf. Eine Sitzbank mit 60 Plätzen begleitet den weiten Bogen der unteren Nordwand. Der Bereich um den Tabernakel wurde als Ort der Andacht mit Kniebänken und Sitzen gestaltet, nahebei findet sich der Beichtraum. Als Ort für Rückzug, individuelle Andacht und Intimität entwickelte man die Marienkapelle, sie dient stillem Gebet oder Beten in kleiner Gruppe. Auch der zweckfrei gedachte „Offene Raum“ ist ein Ort der Stille, nicht der Aktion, was einzelne liturgische Feiern wie Palmenweihe oder Fronleichnamsfeier nicht ausschließt.
- Ausstattung
Grundidee des aus zwei Teilen bestehenden Altars von Guy Charlier (Trier) war, Kirchenraum und „Offenen Raum“ in einem auseinander gesprengten Block aufeinander zu beziehen. Die rauen Bruchkanten der als Altar im Feierraum und ihm ähnlicher Steinskulptur im „Offenen Raum“ aufgestellten Teile weisen so auch einander zu. Ebenfalls aus felsbrüchig bearbeitetem Metzer Kalkstein, vom selben Künstler, sind die Stelen für Taufe und Heilige Schrift und der Tabernakel. Vom in den Boden eingelassenen Ewigen Licht begleitet, führt ihm ein den Bau von oben durchziehender Zylinder Tageslicht zu. Den beweglichen, hölzernen Ambo sowie Taufschale, Kerzenständer, Weihwasserbecken und flexible Bänke entwarf der Schweizer Jo Achermann.
Jenseits der Taufe, außen hinter dem Südfenster, findet sich eine den „Offenen Raum“ abgrenzende, niedrige Steinwand, an der Wasser herabfließt. An der oberen Nordwand des Kirchenraums wurde – aus der abgebrannten Vorgängerkirche – der brandgeschädigte, aber erhaltene Christuskorpus von Gerhart Schreiter installiert. Das Bild „Golden Field“ von Winfried Muthesius erhielt hinter dem Altar seinen Ort: An ein Projekt beim Ökumenischen Kirchentag 2003 erinnernd, wurde es von ihm an der nördlichen Rundwand später um den Zyklus „Broken Gold“ ergänzt. Eine Orgel wurde erst 2013/14 in der dafür vorgesehenen Nische der Westwand eingebaut. In der Marienkapelle schließlich fand eine 1943 von Otto Moroder in Mayrhofen (Tirol) geschnitzte Mondsichelmadonna Aufstellung, welche die Zerstörung der Vorgängerbauten 1943 und 1995 überdauerte.
- Von der Idee zum Bau
Die Geschichte von St. Canisius beginnt mit Gründung einer von Jesuiten geleiteten Kuratie 1921. Einem ersten Kirchenraum in einer ehemaligen Werkstatt an der Charlottenburger Witzlebenstraße folgte nach Kriegszerstörung bis 1955 ein Neubau von Reinhard Hofbauer. Weite Parabelbögen machten diese, schon in den 1960er Jahren grundlegend erneuerte Kirche überregional bekannt. Ende April 1995 wurde das Kirchenschiff durch Feuer vollständig zerstört. 1996 lobte man einen beschränkten Neubau-Wettbewerb aus, eine Umsetzung des favorisierten Plans aber scheiterte. Schließlich bat man die dritten Preisträger um einen überarbeiteten Entwurf, der ab 2000 gebaut und 2002 geweiht wurde.
Parallel wurde das Areal insgesamt neu entwickelt, bis 2003 entstand noch ein Wohn-/Geschäftsbau mit Forum der Jesuiten und Pfarrbüro sowie ein Gemeindezentrum mit Saal und Jugendräumen, das die im Nordteil der Kirche eingerichteten Funktionsräume – u. a. Sakristei, Beichtzimmer, Gruppenräume und Zugang zur Dachterrasse – ergänzt. In Planung und Bau intensiv beraten und unterstützt wurde die heute ca. 4.300 Glieder zählende Gemeinde von Alois Peitz, einst Diözesanbaumeister des Bistums Trier, der 2002 schrieb: „Die Grundidee der Durchdringung von Mitte und Weg, von Bewegung und Ruhe, das Nebeneinander von geschlossenem und offenem Raum, von Sammlung und Sendung ist und bleibt das tragende Geheimnis der neuen Kirche St. Canisius.“
- Die Architekten Heike Büttner, George Braun und Claus Neumann
Prof. Dipl.-Ing. Heike Büttner, geboren in Essen, studierte Architektur in Aachen und an der TU Berlin. Erst für internationale Büros tätig, hat sie seit 1986 ein eigenes. Nach wissenschaftlichen Stationen in Berlin, München und Venedig ist sie seit 1995 Professorin an der Bauhaus-Universität Weimar. Dipl.-Ing. Claus Neumann, geboren 1957 in Bietigheim-Bissingen, studierte Architektur an der TU Berlin und arbeitete für verschiedene Büros, seit 1995 betreibt er ein eigenes in Berlin, wo er auch in Forschung und Lehre wirkte. Dipl.-Ing. George Braun, geboren 1960 in Zürich, arbeitete als Dachdecker und studierte Architektur an der TU Berlin. In internationalen Büros tätig, betreibt er seit 2001 ein eigenes bei Berlin.
Das Büro Büttner Neumann Braun (BNB) Architekten BDA, Berlin, bestand von 1988 bis 2001. Beim Wettbewerb für St. Canisius erreichte es den 3. Preis. Für den Bau gab es mehrere Auszeichnungen, so wurde das Konzept beim Architekturpreis Berlin 2003 mit den Worten gewürdigt: „Die Besonderheit des Ortes entschlüsselt sich erst von Innen. Ein ungewöhnlicher Raum, der sofort zur Kontemplation einlädt, der aber auch nicht eine Wiederholung überkommener Liturgie festlegt. Ein Ort, der offen ist, aber gleichwohl Gedanken im Spannungsfeld zwischen Innen und Außen, […] zwischen innerer und äußerer Welt, zwischen Geschichte und Aktualität zulässt.“
- Literatur (Auswahl)
- Büttner – Neumann – Braun Architekten: Der Raum als Verbindung des Göttlichen mit dem Weltlichen, in: Der Architekt 1-2, 2004, 50.
- Christine Goetz: St.-Canisius-Kirche Berlin-Charlottenburg (Kleine Kunstführer), Lindenberg 2007.
- Christine Goetz/Matthias Hoffmann-Tauschwitz (Hg.): Kirchen Berlin Potsdam. Führer zu den Kirchen in Berlin und Potsdam, Berlin 2003.
- Stella Hoepner-Fillies: Architekturportrait: Sankt Canisius, in: art in berlin (Einspieldatum: 13. März 2003), www.art-in-berlin.de/incbatektur2.php?id=273 (abgerufen am 5. Juli 2016).
- Internetpräsenz der Kirchengemeinde: www.st.canisius-berlin.de.
- Matthias Ludwig/Reinhard Mawick (Hg.): Gottes neue Häuser. Kirchenbau des 21. Jahrhunderts in Deutschland, Frankfurt am Main 2007.
- St. Canisius. Eine Kirche öffnet sich (Architektur + Bauphysik 12), Berlin o. J.
- Gerwin Zohlen: Das Heilige und der Ort, in: Der Architekt 1-2, 2004, 51-53.
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.