Bottrop
Heilig Kreuz
Scharnhölzstraße 33
46236 Bottrop
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Derzeit nur nach telefonischer Vereinbarung zu besichtigen: 0171–2238357 Anschrift Pfarramt Förderverein Kulturkirche Heilig Kreuz e. V.
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Gottesdienstzeiten Kirche Die Kirche ist seit 2008 vom Gottesdienst freigestellt. Jedoch organisiert der Förderverein in der Kirche regelmäßig Ausstellungen und Konzerte, deren Termine online einsehbar sind unter: kulturkirche-heiligkreuz.de/aktuell/.
Kirchen im Westen
Vom Finden und Verlieren
Von der Straße aus schlägt uns der Architekt Rudolf Schwarz mit seiner Kirche sofort in den Bann. Von hier aus erscheint der Bau körperlos, reduziert auf ein riesiges, durch Mauerstreifen gerahmtes, abstraktes Glasgemälde Georg Meistermanns, in dem sich die Welt spiegelt. Aus dem sechseckigen Zentrum der Fassade entfaltet sich eine brüchige Spirale, die leicht verstanden werden kann: Sie liest sich als Sonne und ist – nach innen konzentriert und nach außen entfaltet – ein fragiles Zeichen für Einheit und Unendlichkeit. Die transluzide Fläche stellt sich zwischen dem Dies- und Jenseits des Sakralraums und vermittelt zugleich Innen- und Außenwelt. Die Welt wird hineingezogen und der sakrale Raum greift in sie aus. Angesichts der informellen Geste des Glasgemäldes überrascht umso mehr die formale Strenge des nur durch gespannte Wandbiegung erzeugten „Zwischenraums“, wie Schwarz ihn nennt. Elementare Wandhaftigkeit und ihre lichte Auflösung stehen gleichermaßen für Bergen und Öffnen, Finden und Verlieren.
- ÜberblickOrt
Bottrop
Bistum
Bistum Essen
Name der Kirche
Heilig Kreuz
Weihe
1957 (7. Juli)
Architekt
Rudolf Schwarz
Künstler
Ewald Mataré, Georg MeistermannBesonderheit
Der parabelförmige Grundriss steht für Einheit und Unendlichkeit, Öffnen und Bergen, den Übergang zwischen der dunklen Welt und dem göttlichem Licht.
Nutzung
Der Förderverein Kulturkirche Heilig-Kreuz veranstaltet Konzerte und Ausstellungen in der seit 2008 liturgisch ungenutzten Kirche. Eigentümer ist die Propstei St. Cyriakus in Bottrop.
Standort / Städtebau
In der Stadtmitte gelegen, die dennoch nicht als Zentrum erfahrbar ist, wird die Kirche in einem Viertel mit Verwaltungs- und Wohnbauten abgeschirmt von den großen Durchgangsstraßen. - Beschreibung
Grundriss
In der Stadtmitte gelegen, die dennoch nicht als Zentrum erfahrbar ist, wurde Heilig Kreuz über einem parabelförmigen Grundriss errichtet. Während die Kirche zur Bauzeit (1955–57) weitgehend frei stand, wird sie heute in einem Viertel mit Verwaltungs- und Wohnbauten abgeschirmt von den großen Durchgangsstraßen. Gegenüber der Straße zurückgesetzt, bietet die Anlage der Gemeinde einen durch keinen Baum verstellten Platz. Doch bildet der ursprünglich oben offene Campanile, der auf die unendlich fortsetzbare Linie der paraboloiden Kirchenwand gestellt ist, das Scharnier zwischen Stadtraum und sakralem Bezirk, zwischen der Welt der Fußgänger und derjenigen des Verkehrs. Von Anfang an gehörte zu den Anbauten nicht nur eine Sakristei. Zwischen ihr und der Kirche findet sich zudem die Kreuzkapelle, die als Miniaturversion der Kirche für Liturgien in Kleingruppen dient. Nach Plänen von Maria Schwarz wurde die Kirche in den 1960er Jahren mit einem Pfarrhaus, Kindergarten und Jugendheim umbaut.
Außenbau
Aufgrund der Parabelform, deren Spannkraft außen nur an der Rückseite erfahrbar ist, zieht sich die Außenwand aus Backstein immer stärker gegenüber der Fassade ein. Ihre rhythmisierenden strebepfeilerartigen Betonstützen stabilisieren die Kirche im statisch schwierigen Bergbaugebiet. Nur über den knapp vortretenden Beichtstuhlanräumen wird die Wand zusätzlich durch Diagonalkreuze verspannt. Sie nehmen zugleich Bezug auf das zentrierende und an eine mittelalterliche Fensterrose erinnernde Dreiecksraster der Fassade, das die Schnittfläche zwischen innen und außen aussteift. Ihr gegenüber ist links und rechts, um es mit den Worten von Schwarz zu beschreiben, die „Umwand“ vorgezogen und weist so die „Querwand“ der Fassade als „zufällige Begrenzung“ „irgendwo im Westen“ aus. Die Fassade ist das unbestimmte Tor eines Raums, der sich prinzipiell endlos ausgreifend zur Welt, zum „Dunkel der Ewigkeit“ hin öffnet und sich zugleich in sich zurückzieht.
Innenraum
Wie der Außenbau zeigt der steile und stützenlose, asketische und bergende Innenraum eine kontinuierlich gebogene Backsteinwand. Der Wechsel von Binder- und Läuferlagen erzeugt eine Diagonaltextur, die gespannte Krümmung legt maritime Bilder von „Bucht“ und Schiff nahe. Um dem Bau „Innerlichkeit“ zu verleihen, bleibt die Wand fensterlos. Zugleich wird sie durch Betonpfeiler rhythmisiert, die nun aber hinter die Wand zurücktreten und an der stärksten Biegung aussetzen. So wird das Raumziel nochmals hervorgehoben, das als Apsis erscheint und doch nicht vom Gemeinderaum abgegrenzt ist.
Inszeniert wird das liturgische Zentrum durch das grell von oben einfallende Licht. Dieses Licht erscheint abstrakt wie konkret als Auge Gottes – und damit wie die Sonnenspirale der Fassade als Zeichen der göttlichen Allgegenwart und des unbegrenzten Raums. Zugleich ist es wiederum auf einen Punkt fixiert. Gestaltet wird das Licht abstrakt architektonisch durch das schräge Hochklappen der flachen Fichtenholzdecke. Die Fläche zwischen Backsteinwand und Decke wird – wie Schwarz es nennt – zu einer „Lichtwand“ aus Glasbausteinen, in deren Mitte sich das konkrete Zeichen des Auges mit blauer Pupille befindet. Die von Schwarz häufig verwendeten Glasbausteine bringen Licht in Raum (in die Welt), erlauben aber keinen Blick in die Welt. Polar gegenüber befindet sich an unter der Empore, deren dünnes Gerüst dem Fensterraster angepasst ist, die vertiefte Taufstelle. In dieser Taufsituation wird performativ erfahrbar, wie man ursprünglich in das durch die Pflastersteine symbolisierte Wasser hinabstieg – dies entspricht der baulichen Grundidee (von Aufnahme, Übergang und Tod, das lateinische Wort transitus inbegriffen).
- Liturgie und Raum
Der durch die Lichtwand von oben spotartig beleuchtete Scheitel ist zweierlei: Einerseits dient er als Apsis mit dem um vier Stufen erhöhtem Altar, andererseits geht er ohne jede Grenze zum Gemeindebereich über. So ist die Raumlösung eine vor dem Zweiten Vatikanum realisierte, ideale Form für die Konzentration von Liturg (der Schwarz zufolge eher vor als hinter dem Altar zelebrieren sollte) und Gemeinde auf den Ort des eucharistischen Mysteriums hin. Dieser bildet zugleich, wie Schwarz es ausdrückt, „die Stätte des Opfers, des Opfers nämlich der eigenen Hoffnung“.
Der Altar steht im Brennpunkt der „schlechthin offenen“ Parabel: Wo der mathematischen Logik dieser Figur folgend, alle parallel zur Mittelachse verlaufenden Linien sich kreuzen würden, wenn sie auf die gebogene Wand treffen und von dort gebrochen weitergeleitet würden. Es ist die auf einen Punkt hin vereinigte Unendlichkeit, zu der die Bewegung aber auch wieder zurückführt. Schwarz fasst es so zusammen: „Das Allerheiligste wird im Vorbeigang erlebt, die Bucht ist Welthafen, in dem für eine Weile geborgen und zu neuer Ausfahrt getüchtigt wird.“
- Ausstattung
Obwohl die Kirche seit 2008 vom Gottesdienst freigestellt ist (aber nicht entweiht) und gegenwärtig vom Verein „Kulturkirche Heilig Kreuz“ für Konzerte und Ausstellungen genutzt wird, finden sich hier noch etliche Ausstattungsstücke. Viele wurden von Künstlern geschaffen, mit denen Schwarz mehrfach zu tun hatte. Den Altar aus grünem Anröchter Dolomit entwarf er ebenso selbst wie das steinerne Taufbecken. Der Lichtkranz darüber stammt hingegen von Karl Schrage, dem auch den Tabernakel samt Lebensbaum darunter zu verdanken sind.
Der Osterleuchter ist eine Arbeit Max Fallers. Das Auge Gottes und die Taube über dem Altar entwarf Theo Heiermann ebenso wie die beiden Bronzetüren (links mit dem Glorreichen Rosenkranz und rechts zum Patrozinium). Ewald Mataré sind die kleine bronzene Bettlerfigur, das Alter- und Vortragekreuz und der 1984 durch eine Neuanfertigung ausgetauschte Kirchturmhahn (heute neben St. Elisabeth in Bottrop) zu verdanken. Erst 1984 kam der von Tisa von Schulenburg realisierte Bronzekreuzweg dazu. Das Fenster der Kreuzkapelle gestaltete Hans-Günter van Look, der das stark beschädigte ursprüngliche Fenster seines Lehrers Meistermann ersetzte.
Die Anordnung der von Ernst Kaller, Leiter der Abteilung Katholische Kirchenmusik an der Folkwangschule in Essen, entworfenen und der Firma Breil in Dorsten gebauten Doppelorgel über den beiden seitlichen Beichtstuhlnischen ist so gewählt, dass sowohl dem Gestus der Umarmung Rechnung getragen wird als auch die Sonnenspirale nicht verstellt wird.
- Von der Idee zum Bau
Das Konzept von Heilig Kreuz stand schon 20 Jahre vor der Weihe fest, denn der Bau bildet die einzige Umsetzung des „Heiliger Wurf (dunkler Kelch)“ genannten „fünften Plans“ aus der Kirchentypologie von Rudolf Schwarz. Jedes Detail ist durchgearbeitet und theologisch durchdrungen: Der Bau formt ein Kommen aus der dunklen Unendlichkeit zu Christus, dem Licht, entgegen. Hier empfängt er die Gläubigen am Ort „mit offenen Armen“, entlässt sie aber nach dem Feiern des Mahls wieder in die Dunkelheit von Welt und Ewigkeit. Diese Form des Übergangs und des „unauflösbaren Widerspruchs“ hat sowohl mit Licht und Düsternis (von Passion und Gericht) zu tun. Die Parabel steht mit ihrer Kelchform für die Todesangst und Passion (Christi und des Gottesvolks), entspricht direkt dem Patrozinium: Heilig Kreuz ist für Rudolf Schwarz „eine rechte Kreuzkirche“, der „das Kreuzgeschehen innerlich“ ist.
Die „heilige Geometrie“ der Parabelform wurde bereits in den 1920er Jahren öfter für Querschnitte und gelegentlich für Grundrisse eingesetzt (und war oft eher eine halbe Ellipse). Schwarz kritisierte, dass sie oft nur ein modisches Motiv war. Für ihn selbst blieb „diese Form unbefriedigt“, die Hoffnung wie Hoffnungslosigkeit zugleich ausdrückt. Sie war für ihn eher ein Anschauungsmodell denn eine zu verwirklichende Bauanweisung. Dem damaligen Pfarrer der Gemeinde gelang es aber, Schwarz doch zu einer Ausführung zu bewegen. Heilig Kreuz wurde damit zu einem seiner existentiellsten Räume.
- Der Architekt Rudolf Schwarz
Der Architekt und Architekturtheoretiker Rudolf Schwarz (1897–1961), der in Straßburg aufwuchs, hatte über seinen Vater schon in seiner Jugend Kontakte zur frühen Liturgischen Bewegung. Er studierte Architektur an der TU Charlottenburg (zuletzt in Hans Poelzigs Meisteratelier), Theologie in Bonn und Kunstgeschichte in Köln und wurde 1923 zu den „Frühtypen der rheinischen Landkirche“ promoviert. Nachdem er kurzzeitig Mitarbeiter Jakob Koerfers in Köln war, wurde Schwarz 1924 Burgarchitekt von Rothenfels, dem Zentrum der Quickborn-Bewegung. 1925 berief man Schwarz an die Technische Lehranstalt in Offenbach, an der Dominikus Böhm lehrte, mit dem er eine Bürogemeinschaft einging. In Aachen verwirklichte er die Fronleichnamskirche und war seit 1927 – bis zur Schließung durch die Nazis – als Direktor der Kunstgewerbeschule tätig. Seit 1934 wirkte er als Privatarchitekt in Offenbach und baute vor allem Wohnhäuser.
Während des Krieges war Rudolf Schwarz für den Wiederaufbau von Lothringen und von 1946 bis 1952 als Stadtbaumeister für den Wiederaufbau von Köln zuständig. Seit 1953 lehrte er als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf und heiratete 1951 seine Mitarbeiterin Maria Lang, die viele seiner Kirchen vollendete und sich bis heute um das Erbe ihres Manns kümmert. 1953 entfachte Schwarz die sogenannte Bauhaus-Debatte, indem er mit aller Schärfe den reinen Funktionalismus der klassischen Moderne kritisierte. Im Laufe seiner Karriere plante er ca. 100 Kirchen und Kapellen neu (kleinere Maßnahmen in der liturgischen Ausstattung nicht eingerechnet) oder entwarf ihren Um- oder Wiederaufbau (ungefähr die Hälfte davon wurde realisiert). Sie machten etwa 60 Prozent seiner Tätigkeit als Architekt aus. Unter seinen Profanbauten seien die Soziale Frauenschule in Aachen, der Wiederaufbau des Gürzenich und das Wallraf-Richartz-Museum in Köln hervorgehoben.
- Literatur (Auswahl)
- Karin Becker: Rudolf Schwarz 1897 – 1961. Kirchenarchitektur, Bielefeld 1981.
- Hans Engels/Dieter Bartetzko/Axel Tilch: Aufbruch! Architektur der fünfziger Jahre in Deutschland, München u. a. 2012.
- Herbert Fendrich: Bedrohte Art? Die Kirchen von Rudolf Schwarz im Bistum Essen, in: das münster 64.2011, 1, S. 64-66.
- Gemeinde St. Elisabeth und Heilig Kreuz (Hg.): Kleiner Kirchenführer Heilig Kreuz Bottrop, Bottrop 2010.
- Barbara Kahle: Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts, Köln 1985.
- Barbara Kahle: Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1990.
- Hans Körner/Jürgen Wiener (Hg.): Frömmigkeit und Moderne. Kirchenbau des 20. Jahrhunderts an Rhein und Ruhr, Essen 2008.
- Wolfgang Pehnt: Rudolf Schwarz 1897-1961. Architekt einer anderen Moderne, Ostfildern-Ruit 1997.
- Religiana.com: Church of the Holy Cross, Bottrop
- Rudolf Schwarz: Vom Bau der Kirche, Würzburg 1938.
- Rudolf Schwarz: Die Kirche zum Heiligen Kreuz in Bottrop, in: das münster 11.1958, 183-186.
- Rudolf Schwarz: Kirchenbau, Heidelberg 1960.
- Martin Struck: Künstlerische Verglasung in Rudolf-Schwarz-Kirchen in: das münster 64.2011, 1, S. 32-37.
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