Bremen-Grolland
St. Lukas
Am Vorfeld 22
28259 Bremen
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Am Vorfeld 22
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Kirchen im Norden
Von heiterer Klarheit
Ungewöhnlich wirkt das Bauwerk mit seinen gerundeten Seitenwänden und dem weit heruntergezogenen, sattelförmig gebogenen Kupferdach schon. Doch drängt es sich in seiner Umgebung, einer Doppelhaus-Siedlung aus den 1930er Jahren, keineswegs in den Vordergrund. In seiner Proportion und mit seinen Materialien bleibt es bescheiden. Die Überraschung kommt, wenn man den Kirchenraum betritt – einen Raum von konstruktiver Klarheit und beinahe heiterer Ausstrahlung. Diese formvollendete Seilnetzkirche entstand 1964 aus der Zusammenarbeit des Bremer Architekten Carsten Schröck mit Frei Otto, dem Schöpfer leichter Flächentragwerke.
- ÜberblickOrt
Bremen-Grolland
Landeskirche
Bremische Evangelische Kirche
Name der Kirche
St. Lukas
Einweihung
1964 (29. März)
Architekten
Carsten Schröck, Frei Otto
Künstler
Erhart MitzlaffBesonderheit
Die Seilnetzkirche besticht durch ihre große konstruktiver Klarheit. Der Kirchenbau besteht aus zwei parabelförmigen Druckbögen aus Brettschichtbindern und drei sattelförmigen vorgespannten Seilnetzen, die das Dach und die beiden Seitenwände bilden.
Nutzung
Gemeindekirche
Standort / Städtebau
Grolland entstand ab 1935 im Rahmen eines Kleinsiedlerprogramms und erhielt in den 1960er Jahren weitere Ergänzungen. 1960 wohnten hier 4.500 Menschen. - Beschreibung
Grundriss
Der annähernd elliptische Kirchengrundriss ergibt sich logisch aus der Konstruktionsidee: Das Tragwerk besteht aus zwei Schichtholzbögen, die auf gemeinsamen Fußpunkten aufliegen und von drei Seilnetzen (in Form doppelt gekrümmter Sattelflächen) im Gleichgewicht gehalten werden. Architektur und Tragwerk verschmelzen hier zu einer Einheit.
Außenbau
Nach außen wird die Wand- und Dachkonstruktion durch Lattungen an den Knotenpunkten des Drahtseilnetzes befestigt. Als Außenhaut, als Dachhaut und als Verkleidung der hölzernen Bögen dient Kupfer, während die Seitenwände mit Holz verkleidet sind. Die Brettverschalung der Außenhaut verläuft innen senkrecht, außen waagerecht. Einzelne Netzmaschen der Seitenwände dienen als Lichtöffnungen. Das angrenzende Gemeindezentrum und der freistehende Glockenturm sind auf Abstand gesetzt, um die Kontur des sattelförmigen Kirchenbaus nicht zu beeinträchtigen.
Innenraum
Ein längliches Wasserbassin trennt das Bauwerk von der Straße. Es nimmt auch das Regenwasser des Kirchendachs auf. Über einen Steg gelangt man in das zwischen dem Kirchenraum und dem angrenzenden eingeschossigen Gemeindezentrum gelegene Foyer. Die groben Waschbetonplatten des Vorplatzes ziehen sich bis in den Kirchenraum hinein. Im Inneren bleibt das Seilnetz sichtbar. Daher besticht der Raum vor allem durch seine zeltartige Struktur, durch das Spiel aus konvexen und konkaven Wölbungen. Der Altar ist im elliptischen Grundriss quer zur Längsachse angeordnet. Eine Empore mit Spindeltreppe ist tischartig in den Raum gestellt. Die bewusst roh gehaltene Materialwahl zeigt brutalistische Anklänge.
- Liturgie und Raum
Das liturgische Zentrum von St. Lukas befindet sich vor dem Rund der östlichen Seitenwand. Auch die über die Netzmaschen der Konstruktion „verstreuten“ Bleiglasfenster von Erhart Mitzlaff unterstreichen diesen Ort insbesondere unter den Strahlen der morgendlichen Sonne. Die auf ein (zumindest symbolhaft erfahrbares) Raumzentrum hin konzentrierten liturgischen Orte (Altar, Kanzel und Taufstein), der elliptische Grundriss, die halbkreisförmig angeordneten Bänke – all dies unterstreicht die aktive Teilhabe der Gemeinde. Man solle sich „wie an einem runden Tisch“ fühlen, heißt es in einem zeitgenössischen Kommentar. Der Zeltcharakter des Innenraums kann auf das im Hebräerbrief beschriebene „wandernde Gottesvolk“ hin gedeutet werden. Das Bild vom „leichten Zelt“ als nur vorübergehende Heimstatt ist ein beliebtes Bild im bremischen Nachkriegskirchenbau und spiegelt die Verunsicherung ebenso wie die Hoffnung jener Zeit wider. In der Seilnetzkonstruktion von St. Lukas erreicht dieses Motiv für Bremen seine vielleicht vollendetste architektonische Übertragung.
- Ausstattung
Die Ausstattung ist bewusst schlicht gehalten: einfache Holzbänke für die Gemeinde, Waschbetonplatten auf dem Boden und auch der um zwei Stufen erhöhte Altar sowie die niedrige Kanzel und der Taufstein sind aus rohem Sichtbeton gefertigt. Lediglich die Taufschale aus Betonglas zeigt einen leichten Schmuckanklang. So bilden die von Erhart Mitzlaff gestalteten Glasfenster, die in unregelmäßiger Anordnung einzelne Netzmaschen der Konstruktion ausfüllen, das wesentliche Schmuckelement. „Die Fenster zeigen Geschichten aus der Hebräischen Bibel, dem so genannten Alten Testament, und Geschichten und Sprüche aus dem Doppelwerk des Evangelisten Lukas, nach dem diese Kirche benannt ist. Ihre Gestaltung ist so klar, dass auch Kinder viel in ihnen entdecken und erkennen können.“ (Pastor Jürgen Hamelmann)
- Von der Idee zum Bau
Im Bremer Stadtteil Grolland hatte sich 1954 die Gemeinde St. Lukas gegründet. 1955 gewann Carsten Schröck den Wettbewerb für die Kirche mit einem eher traditionell anmutenden Entwurf. Mit seinem Vorschlag für die Bremer Stadthalle errang Schröck (mit Hans Budde und Frei Otto) 1957 den zweiten Preis: eine Halle mit drei Druckbögen und einer Seilnetzkonstruktion. Nachdem sich in Grolland der sumpfige Untergrund für ein „normales“ Bauwerk als schwierig erwiesen hatte, überzeugte Schröck die Gemeinde davon, diese Idee einer leichteren Seilnetzkonstruktion in einem kleineren Maßstab zu übernehmen. Trotz anfänglicher Zweifel in der Öffentlichkeit wurde das Projekt schließlich wohlwollend begrüßt, die Grundsteinlegung erfolgte am 20. Juli 1962. Da aber mit der neuen Stahlnetzkonstruktion noch kaum Erfahrungen vorlagen, mussten bei der Umsetzung unkonventionelle Lösungen gesucht werden. So beruht diese Technik auch auf der maritimen Kriegstechnologie, wo ähnliche Netze als U-Boot-Sperren verwendet wurden. Die Einweihung der Kirche wurde am 29. März 1964 gefeiert. Bereits nach 30 Jahren stellte man den Bau 1994 unter Denkmalschutz.
- Die Architekten Carsten Schröck und Frei Otto
Der Architekt Carsten Schröck (1923-73) studierte nach seiner Entlassung aus der britischen Kriegsgefangenschaft von 1946 bis 1950 an der Technischen Hochschule Braunschweig. Noch im Jahr seines Abschlusses gewann er in Bremen einen Wettbewerb für ein Altenheim, mit dem er sich als freier Architekt etablierte. Ab Mitte der 1950er Jahre kamen zahlreiche Kirchbauprojekte dazu. Für den Bremer Stadthallen-Wettbewerb (1957) suchte er die Zusammenarbeit mit dem damals noch relativ unbekannten Architekten und innovativen Konstrukteur Frei Otto (1925-2015), der sich in der Folge (in wechselnden Kooperationen) mit leichten Flächentragwerken z. B. für das Münchner Olympiastation oder den deutschen Expo-Pavillon in Montreal einen Namen machte.
Die Stadthallen-Planung von Frei Otto und Carsten Schröck gewann einen zweiten Preis. Leichte Flächentragwerke hatten Schröck seitdem immer wieder fasziniert und die Zusammenarbeit mit Otto in anderen Projekten, auch in St. Lukas, befördert. Neben seinem Bremer Tätigkeitsschwerpunkt wirkte Schröck in den 1960er Jahren auch in Afrika, wo er in Togo und Ghana Bauwerke verwirklichen konnte. Für Afrika geplante Seilnetzkirchen ließen sich jedoch nicht umsetzen. Schröcks Mitarbeiter und späterer Büropartner Fritz Busse (1923-2012) spielte bei der technischen Umsetzung von St. Lukas mit einem noch kaum erprobten Konstruktionsprinzip eine wichtige Rolle.
- Literatur (Auswahl)
- Evangelische St. Lukas-Kirche und Gemeindezentrum, auf: architekturführer bremen, hg. vom Bremer Zentrum für Baukultur [www.architekturfuehrer-bremen.de/n_anzeigen.php?id=19&big=8, Abrufdatum: 5. Mai 2017].
- Jürgen Hamelmann: Die St.-Lukas-Kirche Bremen-Grolland und ihre Mitzlaff-Fenster, Bremen 2004.
- Claus Heitmann: Von Abraham bis Zion. Die Ortsgemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche, Bremen 1985, hierin: 188-189.
- Landesamt für Denkmalpflege, Bremen: St. Lukas [www.denkmalpflege.bremen.de].
- Carsten Schröck. Architektur einer Hafenstadt, hg. vom Bremer Zentrum für Baukultur, Delmenhorst 2007.
- Eberhard Syring: Carsten Schröck: Protagonist des modernen Kirchenbaus in Bremen, in: Denkmalpflege in Bremen 6, 2009, 28-46.
- Eberhard Syring: Bremen und seine Bauten. 1950 bis 1979, Bremen 2014, hierin: 188.
- Leichtes Zelt und feste Burg. Sakralbau in Bremen seit 1945, hg. vom Bremer Zentrum für Baukultur, 2. überarbeitete Auflage, Bremen 2016, hierin: 172-173.
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