Chemnitz

St. Franziskus

Anschrift Kirche
An der Kolonie 8i
09122 Chemnitz
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
    Bitte kontaktieren Sie:
    Irena Kaschura
    Tel. 0371 80810372
    Anschrift Pfarramt Pfarrbüro der Kath. Pfarrei Heilige Mutter Teresa
    Hohe Straße 1
    09112 Chemnitz
    0371 304085
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    Öffnungszeiten Pfarramt DI: 14.30 Uhr - 17.30 Uhr
    DO: 09.00 UHR - 11.30 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten der Gemeinschaft Koinonia Johannes der Täufer können online eingesehen werden unter: st-franziskus.hl-mutter-teresa-chemnitz.de/gottesdienste/.
    Kirchen im Osten

Franziskus trifft Karl Marx

Im Jahr 1953, zum 135. Geburtstag von Karl Marx, wollte das Zentralkomitee der SED eine Stadt nach diesem Vorzeigesozialisten benennen. Chemnitz, drittgrößte Stadt Sachsens, war ursprünglich nur „3. Wahl“. Doch Eisenhüttenstadt, die erste sozialistische Neugründung der DDR, musste kurzfristig nach dem unlängst verstorbenen Stalin benannt werden. Die Messestadt Leipzig konnte als „Tor zur Welt“ einen neuen Namen abwenden. So traf das Schicksal am 10. Mai 1953 die Chemnitzer, die fortan „Karl-Marx-Städter“ hießen. Als Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus galt Marx zwar nicht unbedingt als Freund der Religion. Aber ausgerechnet am Rand dieser nach ihm benannten Stadt, in einer typischen DDR-Großwohnsiedlung, sollte 30 Jahre später mit westlichen Devisen die katholische Kirche St. Franziskus errichtet werden.

  • Überblick
    Ort
    Chemnitz

    Bistum
    Bistum Dresden-Meißen

    Name der Kirche
    St. Franziskus

    Weihe
    1983 (2. Oktober)

    Architekten
    Manfred Fasold, Martin Janetzko, Hubertus Lübeck

    Künstler
    Werner Juza, Gertraud Mihatsch
    Besonderheit
    St. Franziskus ist ein charakteristisches Beispiel für eine Kirche mit Gemeindezentrum, die im Sonderbauprogramm der DDR entstanden ist.

    Nutzung
    "Oase" der Koinonia Johannes der Täufer, einer geschwisterlichen Gemeinschaft zölibatär lebender Frauen und Männer

    Standort / Städtebau
    St. Franziskus liegt am Rand eines Plattenbau-Ensembles, inmitten einer Gartensiedlung.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Chemnitz | St. Franziskus | Grundriss

    Chemnitz | St. Franziskus | Grundriss

    Die einzelnen Gebäude Pfarrhaus, Gemeindesaal mit Gemeinderäumen und Kirche sind um einen Innenhof gruppiert. Der Sakralbau selbst hat einen unregelmäßigen Grundriss, der durch das Aneinanderfügen von vier verschieden großen Rechtecken entsteht. Die Franziskuskirche und das zugehörige Gemeindezentrum entstanden für das Neubaugebiet „Fritz Heckert“, benannt nach dem in Chemnitz geborener Politiker, Mitbegründer des Spartakusbunds und der KPD. Die Gebäude wurden am Rand dieser Großwohnsiedlung, in einer Gartenanlage, errichtet. Allerdings verweist der Kirchturm mit dem Kreuz deutlich auf die sakrale Funktion des Baukomplexes.

     

    Außenbau + Innenraum

    Chemnitz | St. Franziskus | Foto: Regi51, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Chemnitz | St. Franziskus | Foto: Regi51, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Die Kirche, die aus einzelnen, in die Höhe gestaffelten Baukörpern zusammengesetzt ist, tritt als städtebaulicher Schwerpunkt der Gesamtanlage hervor. Das dementsprechend ausgebildete, flache Dach ist mit Zinkblech gedeckt. Markant werden an den Fassaden die für die Erbauungszeit typischen Werkstoffe gezeigt – Ziegel, Stahl und Beton.

     

    Aufgrund der baulichen Staffelung wird der Kircheninnenraum zum Altar zunehmend höher. Die Belichtung erfolgt durch drei Oberlichtbänder, die zwischen die unterschiedlich hohen Einzelbaukörper eingefügt sind. Im Bereich der Decke wurde die Tragkonstruktion sichtbar gelassen.

    Chemnitz | St. Franziskus | Foto: Koinonia Johannes der Täufer, Chemnitz

     

  • Liturgie und Raum
    Chemnitz | St. Franziskus | Liturgische Feier | Foto: Koinonia Johannes der Täufer, Chemnitz

    Chemnitz | St. Franziskus | Liturgische Feier | Foto: Koinonia Johannes der Täufer, Chemnitz

    Auf das Raumprogramm und vor allem auf die theologische Konzeption der Kirche nahm der damalige Gemeindepfarrer, Heinrich Bohaboj, entscheidenden Einfluss. Eine deutliche Konzentration auf den Altarraum wird vor allem durch die Wandgestaltung erreicht, bei der sich der Künstler vom Sonnengesang des Heiligen Franziskus inspirieren ließ. Dank und Lob für die Schöpfung werden darin zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig verweisen Kreuz, Tabernakel und Altar auf das Geschenk der Erlösung.

    Die als großer Kreis gestaltete Sonne dominiert die Darstellung in verschiedenen Rottönen, die farblich deutlich kräftiger gewählt wurden als die übrige Wandgestaltung. Das Kreuz ist von seiner Größe her in die Sonnendarstellung hineinkonzipiert. Von dieser scheinen sich Kurven – den Sonnenstrahlen gleich – in die verschiedenen Richtungen auszubreiten. „Gelobt seist Du, Herr, für Bruder Wind, und für Luft und Wolke und Himmelsblau und jedwedes Wetter“, wie es der Sonnengesang ausdrückt. Symbolisch dargestellt wird dies durch die scheinbare Bewegung und sanfte Beruhigung der Farben von hellem Blau und Ocker über Rosenholzfarben zu einem Erdbraun.

  • Ausstattung
    Chemnitz | St. Franziskus | Außenwand | Foto: Koinonia Johannes der Täufer, Chemnitz

    Chemnitz | St. Franziskus | Foto: Koinonia Johannes der Täufer, Chemnitz

    Den Altarraum und das ihn prägende Wandbild vom Sonnengesang des Heiligen Franziskus schuf Werner Juza (Wachau bei Dresden). Die Stele an der Außenwand des Gemeindezentrums, die Franziskus inmitten der Natur darstellt, fertigte Gertraud Mihatsch (Chemnitz/Stelzendorf) an. Hinter einer Betonwand ist die hölzerne Madonnenstatue, eine Renaissance-Figur aus Böhmen aufgestellt, die von der Kirchengemeinde im Mai 1983 erworben und 1983/84 restauriert wurde. Die Orgel wurde 1959 von der Firma Jehmlich für die Dresdener Hofkirche gebaut, dann dort jedoch nicht dauerhaft verwendet, da sie bereits 1960 ihre Silbermann-Orgel zurückerhielt. Im Jahre 1998 wurde deshalb diese Jehmlich-Orgel in der Chemnitzer Kirche eingebaut.

  • Von der Idee zum Bau
    Chemnitz | Neubausiedlung Fritz Heckert, 1982 | Bild: Bundesarchiv Bild 183-1982-0823-006, Foto: Wolfgang Thieme

    Chemnitz | Neubausiedlung Fritz Heckert, 1982 | Bild: Bundesarchiv Bild 183-1982-0823-006, Foto: Wolfgang Thieme

    Ab 1971 errichtete man im Süden der alten Industriestadt Karl-Marx-Stadt ein neues Wohngebiet für etwa 100.000 Einwohner. Da die Großwohnsiedlung „Fritz Heckert“ weit entfernt vom Stadtkern und damit von vorhandenen kirchlichen Stützpunkten entstand, wurde am 1. Januar 1979 die Pfarrvikarie „St. Franziskus“ mit Heinrich Bohaboj als Pfarrvikar begründet. Anfangs nutzen die dortigen Katholiken das evangelische Gemeindezentrum Helbersdorf der Bonhoeffergemeinde mit. Eigene kirchliche Bauten konnten von 1979 bis 1981 vom BMK (Bau- und Montagekombinat) Süd errichtet werden. Die Finanzierung erfolgte über das zweite Sonderbauprogramm, d. h. durch den Rahmenvertrag zwischen der Regierung der DDR und der katholischen Kirche über ein Devisengeschäft. Man einigte sich auf den Standort Steinbergsiedlung, wobei vorher eine Johannisbeer-Plantage gerodet werden musste.

    Durch verschiedene Vorarbeiten, die Gemeindemitglieder in Eigenleistung erledigten, fand die eigentliche Gemeindebildung mit dem „Kirchenneubau“ statt. Am 23. Oktober 1981 wurde der Grundstein gelegt, am 2. Oktober 1983 weihte Bischof Gerhard Schaffran die neue Kirche und erhob „St. Franziskus“ zur eigenständigen Pfarrei. Bereits zehn Jahre nach Fertigstellung musste das Zinkdach erneuert werden. 2014 verkaufte das Bistum Dresden-Meißen Kirche und Gemeindezentrum an die Koinonia Johannes der Täufer. Diese geschwisterliche Gemeinschaft zölibatär lebender Männer und Frauen richtete hier ihre „Oase“ ein. Die Kirche wird weiterhin auch von der Gemeinde genutzt.

  • Staatliche Architekten im Kirchenbau in der DDR
    Dresden | Rundkino | Bild: Deutsche Fotothek, CC BY SA 3.0, Foto: Richard Peter, um 1970

    Dresden | Rundkino | Bild: Deutsche Fotothek, CC BY SA 3.0, Foto: Richard Peter, um 1970

    Die Franziskuskirche und das zugehörige Gemeindezentrum wurden von der Bauakademie der DDR, Institut für Wohnungs- und Gesellschaftsbau, Außenstelle Dresden, projektiert; namentlich von den Architekten Hubertus Lübeck und Martin Janetzko unter Mitarbeit von Manfred Fasold, der in Dresden u. a. auch für das Rundkino (1972, mit Winfried Sziegoleit) in der Prager Straße oder den Erweiterungsbau des ehemaligen „Volkspolizei-Kreisamt“ (1979, mit Günter Fischer und Kollektiv, Abriss 2004) verantwortlich zeichnete.

    1986 beschrieb Dieter Hantzsche, Leiter der Dresdener Außenstelle der Bauakademie seine Erfahrungen mit dem Bauherrn Kirche in einem Interview. Demnach war zwar das Thema „Kirchenbau“ für die meisten Planer in der Bauakademie vollkommen neu, gleichwohl planten sie viele unterschiedliche sakrale Projekte in der späten DDR. Eine der ersten kirchlichen Arbeiten der Hantzschen Abteilung stellten die neuen Ordinariatsgebäude in Dresden dar. Es folgten u. a. Planungsaufträge für die katholischen Gemeindezentren in Karl-Marx-Stadt und Leipzig-Grünau, für den Mormonentempel in Freiberg, ein Schwesternwohnheim der Inneren Mission in Elbingerode und für das Priesterseminar in Erfurt.

  • Literatur (Auswahl)
    • Heinrich Bohaboj, in: Cejka, Regine, Moderne Kirchen für neue Städte. Christsein im Neubaugebiet – das Gemeindezentrum im städtebaulichen Ensemble, in: Union, Dresden 1986, 9. Kirchen im Bistum Dresden-Meißen, Bd. 2, Merseburg o. J., 27.
    • St. Franziskus. Katholisches Gemeindezentrum im Wohngebiet „Fritz Heckert“ Karl-Marx-Stadt, Informationsblatt, 1983.
    • Internetauftritt Homepage der Pfarrei St. Franziskus in Chemnitz, Chronikdaten [st-franziskus.verantwortungsgemeinschaft-chemnitz.de/?page_id=603, Abruf: November 2015].
    • Thomas Kantschew: Polizeianbau, auf: neumarkt-dresden.de, Oktober 2003 [www.neumarkt-dresden.de/polizeianbau.html, Abruf: 28. April 2016].
    • Wolfgang Lukassek: Katholischer Kirchenbau in Ostdeutschland 1945 bis 1992, in: das münster 49 (1996), 186 –193.
    • Verena Schädler: Katholischer Sakralbau in der SBZ und in der DDR, Regensburg 2013, 41, 267 f., 304.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Verena Schädler, Weißenburg (Beitrag online seit 07/2016)