Detmold

Versöhnungskirche

Anschrift Kirche
Martin-Luther-Straße 39
32756 Detmold
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
    Geöffnet zu den Gottesdienstzeiten oder nach Absprache.
    Anschrift Pfarramt Gemeindebüro der ev.-ref. Kirchengemeinde Detmold-West
    Bismarckstraße 23
    32756 Detmold
    05231 999666
    E-Mail
    Zur Webseite
    Öffnungszeiten Pfarramt Terminvereinbarungen bitte telefonisch oder per email!
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: kirchedetmoldwest.de.
    Kirchen im Westen

„Neue Plastizität“

Im Westen der alten Lippe-Residenzstadt Detmold erhebt sich in der Nachkriegssiedlung am „Hiddeser Berg“ ein expressiver Kirchenbau – eine Großplastik in Sichtbeton. Nicht umsonst wurde er vom Architekten Lothar Kallmeyer in Verbindung mit dem Bildhauer Werner Habig entwickelt und gestaltet. Die 1967 eingeweihte Versöhnungskirche gehört zu einem ursprünglich gemeinsam für eine reformierte und eine lutherische Gemeinde erstellten Zentrum. Seit 2007 dient die lockere Baugruppe allerdings nurmehr als einer von drei Standorten der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Detmold-West.

  • Überblick
    Ort
    Detmold

    Landeskirche
    Lippische Landeskirche


    Name der Kirche
    Versöhnungskirche

    Einweihung
    1967 (10. Dezember)

    Architekt
    Lothar Kallmeyer

    Künstler
    Werner Habig
    Besonderheit
    Die ursprünglich innerevangelisch-ökumenisch genutzte Kirche verdankt ihre plastische Gestaltung der besonderen Verbindung zwischen einem Architekten und einem Bildhauer.

    Nutzung
    Einer von drei Standorten der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Detmold-West

    Standort / Städtebau
    Am Hiddeser Berg erhebt sich die Versöhnungskirche in Hanglage westlich der in einem weiten Bogen von Süd nach Ost verlaufenden Martin-Luther-Straße. Sie ist umgeben von aufgelockerter, ein- bis mehrstöckiger Wohnbebauung, Schulbauten, einer Justizvollzugsanstalt und einem schmalen Grünzug.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Detmold | Versöhnungskirche | Grundriss

    Detmold | Versöhnungskirche | Grundriss

    Die Versöhnungskirche erhebt sich auf einem rauten- bzw. drachenförmigen Grundriss. Nach Süden hin umfasst die leicht gen Nordost gestellte Anlage des ihr zugehörigen Gemeindezentrums, je auf rechteckiger Grundfläche, noch Pfarr-, Jugend- und Gemeindehaus sowie Küsterei. Diese locker gruppierten Bauten sind mittels überdachter Gänge untereinander und mit der Kirche verbunden – ebenso wie der gen Südost zur Straße gestellte, freistehende Glockenturm mit quadratischem Grundriss.

     

    Außenbau

     

    Detmold | Versöhnungskirche | Foto: Tsungam, CC0

    Der Weg zur Kirche verläuft durch das Untergeschoss des skulptural in Sichtbeton entwickelten Turms. Ihm folgt ein überdachtes, in Stahlbeton und Stahl ausgeführtes Gangsystem. Nach rechts öffnet sich ein Vorhof, links grenzen Küsterei, dann Jugend-/Gemeindehaus an. Rechts abbiegend, erreicht man das mittige Kirchenportal: ein Windfang mit zwei doppelflügeligen, stählernen Türen. Links und rechts davon etwas zurückgesetzt, öffnen sich die Eingangswände der Kirche in stahlgerahmten, klar verglasten Fensterzonen. Die leicht schrägen, nach Norden hin ansteigenden Rückwände des Kirchengebäudes wurden dagegen vollplastisch vor- und rückspringend in Sichtbeton erstellt. Die tragende, ebenfalls gen Norden ansteigende Dachkonstruktion besteht aus vier Stahlbetonbindern. Dazwischen ist eine stählerne, mit Kupferblechen, heute mit Pfannen gedeckte Dachfläche eingezogen. Die Binder laufen in einem Endstück zusammen, das man in der oberen Spitze der Beton-Rückwände verankerte. Entlang der Rückwände sowie am Binder-Endstück wurden schließlich Glasbänder bzw. -kuppeln in das Dach eingefügt.

     

    Innenraum

     

    Detmold | Versöhnungskirche | Foto: © LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur

    Vom Portal öffnet sich ein weiter Kirchenraum, dessen Wände, Decke, Einrichtung und Lichteinfall zentrisch auf den Altarbereich im Nord(ost)en hinführen. Die hinterfangenden Wände aus Sichtbeton, die vor- und rückspringend, von links und rechts her ansteigend, aufeinander zu laufen, treffen sich schließlich im 100-Grad-Winkel. In die Wände eingebunden sind die Orgel, der Zugang zum Untergeschoss mit Sakristei und Nebenräumen sowie zwei Fenster. Letztere belichten indirekt Kanzel und Altarraum. Dem gegenüber erscheint die winkelig angelegte, wandhoch klar verglaste Eingangsseite offen und transparent. Als Sichtschutz wurde im Abstand von gut einem Meter aber ein innerer Wandschirm aus gut zwei Meter hohen, blockförmigen Sichtbeton-Elementen vorgelagert. Beidseits der Eingangszone sowie links und rechts vor den Rückwänden ragen vier Stahlbetonstützen/-binder in die Dachfläche hinauf. Diese steigt zum Altarbereich hin an und ist unterseitig mit Naturholz verkleidet. Entlang der Rückwände sowie über der Altarzone sind doppelschalige, klare Lichtkuppeln in die Dachkonstruktion eingelassen.

  • Liturgie und Raum
    Detmold | Versöhnungskirche | Gemeinderäume | Foto: © LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur

    Detmold | Versöhnungskirche | Gemeinderäume | Foto: © LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur

    Ein gemeinsames Zentrum für Reformierte und Lutheraner, vor allem ein gemeinsamer Gottesdienstraum, war für die bikonfessionelle Lippische Landeskirche ein Novum. Es erforderte umfangreiche Diskussionen und Verhandlungen bis in bauliche Gestaltung und Ausstattung – und wurde umgesetzt, noch bevor sich die meisten lutherischen und reformierten Kirchen Europas ab 1973 in der Leuenberger Konkordie zu gegenseitiger Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft verpflichteten. In der Versöhnungskirche sollten sich darüber hinaus alltägliches und gottesdienstliches Leben berühren. So verstand man den Kirchenraum als Agora, als Versammlungs- und Marktplatz. Darin spiegeln sich Tendenzen im Kirchenbau der 1960er Jahre, die zum multifunktionalen Gemeindezentrum führten. Die Versöhnungskirche mit ihrem eigenständigen, gerichteten Kirchengebäude steht noch am Beginn dieser Entwicklung, in der sich Lothar Kallmeyer beim Evangelischen Kirchbautag 1966 in Hannover für eine abwägende Flexibilisierung und plastische Entwicklung des Kirchenraums aussprach.

  • Ausstattung
    Detmold | Versöhnungskirche | Orgel | Foto: © LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur

    Detmold | Versöhnungskirche | Orgel | Foto: © LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur

    Die betonplastisch gestalteten Rückwände der Kirche entstanden in einer engen Kooperation zwischen Architekt und Künstler, zwischen Lothar Kallmeyer und Werner Habig. Ihre Entwicklung war freilich nicht allein ästhetisch, sondern ebenso praktisch begründet: zur Diffusion des Schalls sowie zur Einbindung der Kanzel, zweier abgeschirmter Fenster, der Orgel und der Treppe ins Untergeschoss. Die programmatisch schlichte Einrichtung wurde weitenteils in fein gemasertem Naturholz ausgeführt – so der mittige Altar, der Aufsatz der links davon nur leicht erhöhten Sichtbetonkanzel, der Orgelblock sowie das rund 330 Personen fassende Gestühl. Rechts neben dem Altar erhebt sich auf der um eine Stufe erhöhten Altarzone ein ca. drei Meter hohes Metallkreuz. Die Orgel stammt aus der Berliner Werkstatt Prof. Karl Schuke. Der zum Altarbereich leicht abfallende Boden zeigt Naturholz-Pflaster.

  • Von der Idee zum Bau

    Detmold | Versöhnungskirche | Außenbau | Foto: © Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart Marburg, wohl um 1967

    Die Lippische Landeskirche weist zwei gleichberechtigte evangelische Bekenntnisse auf: reformiert und lutherisch, bei überwiegend reformierter Prägung. Beide Konfessionen schufen sich je eigene Räumlichkeiten, bis die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Detmold und die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Detmold-West 1966 erstmals einen Vertrag über einen gemeinsamen Kirchenbau schlossen – für die damals rasch wachsende Siedlung auf dem Hiddeser Berg im Westen der Stadt. Waren auch hier zunächst je eigenständige Gemeindezentren vorgesehen, plante man jetzt eine Zusammenarbeit im Gemeindehaus sowie im ständigen Wechsel gehaltene Gottesdienste. Bauherrin und Eigentümerin sollte die reformierte Gemeinde sein. Planung und Realisierung oblagen dem Architekten Lothar Kallmeyer, Duisburg – unter Bauleitung des Detmolder Architekten Heinz Fischer, und in Verbindung mit dem Bildhauer Werner Habig aus Wattenscheid. Am 9. November 1965 wurde die Baugenehmigung erteilt, am 10. Dezember 1967, dem 2. Advent, erfolgte die Einweihung.

  • Der Architekt Lothar Kallmeyer
    Münster-Coerde | Andreaskirche | Foto: Luminanz, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Münster-Coerde | Andreaskirche | Foto: Luminanz, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Prof. Dipl.-Ing. Architekt Lothar Kallmeyer wurde am 19. Oktober 1924 in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er an der Technischen Hochschule Karlsruhe, wo ihn besonders Egon Eiermann prägte. Einem Aufenthalt in London folgte ab 1954 die Tätigkeit als freier Architekt in Duisburg, ab 1974 zusammen mit seinem Büropartner Wolfgang Herbst. Darüber hinaus wirkte Kallmeyer u. a. als beratender Architekt am Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, Marburg, als Professor für Baukonstruktion an der Fachhochschule Münster und als Redakteur der Fachzeitschrift „Kunst und Kirche“.

    Zu seinem architektonischen Werk gehören u. a. Schul-, Wohn- und Sozialbauten, doch überregional bekannt wurde Kallmeyer ab den 1960er Jahren im Kirchenbau. Hier plante er, vor allem in Nordrhein-Westfalen, zahlreich Kirchen und Gemeindezentren: Neben der Versöhnungskirche Detmold (1967) gelten die Zionskirche in Düsseldorf (1969), das Gemeindezentrum Andreaskirche in Münster-Coerde (1982) und Neu Eben-Ezer in Lemgo (1993) als sein Hauptwerk. Programmatisch erklärte er 1966 in Hannover, „dass die Neubesinnung der Baukunst, die sich im plastisch betonten Stil offenbart, die Neubesinnung praktisch-theologischen Denkens ergänzt, ja eigentlich mit ihren integrierten Raumkonzeptionen neue Lösungen oft geradezu einlädt.“

  • Literatur (Auswahl)
    • Festschrift zur Einweihung der Versöhnungskirche in Detmold, hg. vom Kirchenvorstand der Evangelisch-Reformierten Gemeinde in Detmold, Detmold o. J. (1967).
    • Lothar Kallmeyer: Neue Tendenzen im Kirchenbau, in: Rainer Bürgel/Andreas Nohr: Spuren hinterlassen … 25 Kirchbautage seit 1946, Hamburg 2005, 80-89.
    • Natalie Schilk: Kirchenbau in Lippe 1945-2001, Diplomarbeit, Fachhochschule Lippe 2001 (Typoskript).
    • Horst Schwebel: Plastisch-architektonische Integration. Versöhnungskirche in Detmold. Architekt Dipl.-Ing. Lothar Kallmeyer, Duisburg, unter Mitarbeit von Bildhauer Werner Habig, Wattenscheid, in: Kunst und Kirche 32, 1969, 18-21.
    • Prof. Dipl. Ing. Lothar Kallmeyer, auf: Deutscher Werkbund Nordrhein-Westfalen (Abrufdatum: 30. Juni 2018, in digitaler Kopie gespeichert auf: https://archive.is/2NXQ6).

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt, sie werden beim Klick auf das jeweilige Bild sichtbar.

Text: Dr. Matthias Ludwig, Schweinfurt (Beitrag online seit 08/2018)

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