Essen

Auferstehungskirche

Anschrift Kirche
Steubenstraße 50
45138 Essen

Vom „Zirkus“ zur geliebten „Tortenkirche“

Im Sommer 1930 war die Auferstehungskirche so neu, so ungewöhnlich, dass sie von den Zeitgenossen als „Zirkus“ bezeichnet wurde. Und wirklich lassen der zeltartige Entwurf von Otto Barting und seine „geistliche Manege“ in der Raummitte eine solche Deutung durchaus zu. War der Begriff damals eher nicht positiv gemeint, haben die Gemeindemitglieder und viele Besucher heute einen liebevolleren Zugang zu diesem nunmehr sehr geschätzten Rundbau: Die Auferstehungskirche hat als „Tortenkirche“ eine positive Umdeutung erfahren.

  • Überblick
    Ort
    Essen

    Landeskirche
    Evangelische Kirche im Rheinland 


    Name der Kirche
    Auferstehungskirche

    Einweihung
    1930 (22. Juni)

    Architekt
    Otto Bartning

    Künstler
    Jan Thorn Prikker, Hans Wissel
    Besonderheit
    Mit diesem hochmodernen Skelettbau überführte Otto Bartning die Tradition des protestantischen Zentralbaus in die sachliche Formensprache der Moderne. Die Essener Auferstehungskirche kommt dabei der Sternenkirche sehr nahe, die Bartning 1922 modellhaft entwarf, die jedoch nie gebaut wurde.

    Nutzung
    Standort der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Altstadt Ost mit kirchenmusikalischem Schwerpunkt

    Standort / Städtebau
    Der markante Rundbau steht östlich der Essener Altstadt an einer Kreuzung von Steuben- und Manteuffelstraße.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Essen | Auferstehungskirche | Grundriss

    Essen | Auferstehungskirche | Grundriss

    Der Bau entwickelt sich auf einem kreisrunden Grundriss. Raumteile und Ausstattung sind radial auf die Mitte des Innenkreises ausgerichtet, die vom Taufstein markiert wird. Etwas weniger als drei Viertel des Außenrundes nimmt der Gemeindebereich ein. Etwas mehr als ein Viertel ist dem Bereich von Altar, Kanzel und Orgel gewidmet, der von prominenten Aufgängen gerahmt wird. Hinter dem Altar ist, wie ein herausgeschnittenes Segment, ein Raum als Feierkirche abgetrennt: Diese kann vom Altar her genutzt, aber auch mit einem Vorhang verdeckt werden.

     

     

    Außenbau

    Essen | Auferstehungskirche | Außenbau | Foto: Volker Wagenitz, gemeinfrei

    Essen | Auferstehungskirche | Foto: Volker Wagenitz, gemeinfrei

    Der Außenbau zeigt drei aufeinanderstehende Zylinder mit sich verjüngendem Durchmesser, zwischen der zweiten und dritten Ebene laufen Pultdächer, der oberste Zylinder schließt mit einem kreuzbekrönten Kegeldach ab. Die oberste Ebene ist in der Art einer Laterne hervorgehoben. Auf der Eingangsseite kommt durch das flache Vordach auf Rundstützen hier eine weitere Ebene hinzu. Der Bau zeigt seine Stahlbeton-Skelettkonstruktion ablesbar, der Rhythmus der Stützen wird nach oben hin enger; Querträger gibt es außen nur in der unteren Zylinderzone. Die Felder sind mit rotbraunem Klinker ausgefacht, die im unteren Bereich von horizontalen Fensterstreifen eingefasst werden. Der mittlere Zylinder ist weitgehend in eine Fensterzone aufgelöst, der obere zeigt die Schalllamellen der Glockenstube.

     

    Innenraum

    Essen | Auferstehungskirche | Innenraum | Foto: Bildarchiv Florian Monheim, Krefeld

    Essen | Auferstehungskirche | Foto: Bildarchiv Florian Monheim, Krefeld

    Das Innere ist aus drei ineinander gestellten Zylindern aufgebaut, die offen ineinander übergehen. Der größte bildet den eigentlichen Kirchenraum, der mittlere nimmt das Emporengeschoss auf, der kleinste bekrönt den Bau als Laterne. Die schlanken Stützen prägen den Innenraum besonders im mittleren Zylinder, wo sie den Mittelraum paarig geschossübergreifend umstehen. Der Altar wird von einer zur Mitte hin ansteigenden Pfeilerstellung hinterfangen. Alle Waagerechten, z. B. die Brüstungen, treten hinter den Stützen zurück. Auf jeder Ebene wird die Kreisform jedoch durch umlaufende Lichtbänder aus Soffitenlampen nochmals betont. Die Oberflächen sind mit hellem Glimmerputz und dunkelgrauem Putz gestaltet, die Deckenflächen rot gefasst, die radial angeordneten Deckenbalken dunkel. Auf den Brüstungen liegen dünne Holzabdeckungen, welche die Waagerechte nochmals betonen.

  • Liturgie und Raum
    Essen | Auferstehungskirche | Innenraum | Foto: Bildarchiv Florian Monheim, Krefeld

    Essen | Auferstehungskirche | Foto: Bildarchiv Florian Monheim, Krefeld

    In der Auferstehungskirche ist die liturgische Ausstattung Teil des Gesamtentwurfs. Der Theologe Horst Schwebel sieht hier das Stichwort der „Liturgie als Bauherr“ mustergültig verwirklicht. Denn Otto Bartning gab der Idee, die Gottesdienstfeier auf die Mitte des Raums hin auszurichten, hier eine sinnlich nachvollziehbare Gestalt. Durch die Verbindung von radialen und konzentrischen Formen werden der zentrale Taufstein und die sich im Scheitelsegment entwickelnde Zone aus Altar, Kanzel und Orgel besonders hervorgehoben. Damit konzentriert diese zeichenhafte Predigtkirche alles Geschehen auf das Wort hin.

  • Ausstattung
    Essen | Auferstehungskirche | Glasgestaltung | Foto: Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e. V.

    Essen | Auferstehungskirche | Glasgestaltung | Foto: Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e. V.

    Das Taufbecken in der Raummitte wurde nach einem Entwurf des Bildhauers und Goldschmieds Hans Wissel aus Kupfer gearbeitet. Die Holzbänke folgen dem Kreisbogen ebenso wie der massive Altarblock, der ihnen im Raumerleben gleichsam gegenübersteht, doch die Linienführung aufnimmt und ohne Rangunterschied auf demselben Niveau liegt. Lediglich die etwas aus der Achse versetzte Kanzel ist, sicher auch aus praktischen Gründen, erhöht angebracht. Die darüberliegende Orgel, heute die dritte an dieser Stelle, wurde 1987 von der Berliner Werkstatt Karl Schuke gefertigt. Künstlerische Hauptausstattung waren von Anfang an die Farbfenster nach Entwürfen des Glasmalers Johan (Jan) Thorn Prikker. Sie zeigten geometrische Muster, in die christliche Motive eingefügt waren. Die Verglasung ging im Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren und wurde bis 2007 nach den originalen Kartons wiederhergestellt.

  • Von der Idee zum Bau
    Essen | Auferstehungskirche | Außenbau | Foto: Volker Wagenitz, gemeinfrei

    Essen | Auferstehungskirche | Foto: Volker Wagenitz, gemeinfrei

    Als Ergebnis eines zweistufigen Wettbewerbs wurde der Architekt Otto Bartning mit dem Kirchenneubau im Essener Osten beauftragt. Der Grundstein wurde am 14. Juli 1929 gelegt, die Einweihung am 22. Juni 1930 gefeiert. Nach Kriegsschäden wurde der Bau bis 1948 in vereinfachter Form wiederhergestellt. 1974 ergänzte man die Anlage zur Manteuffelstraße hin um ein Gemeindezentrum, vor dem die Edelstahlplastik des Bildhauers Friedrich Gräsel installiert wurde. In den 1980er Jahren wurde die Kirche saniert. Bei der letzten Renovierung in den 2000er und 2010er Jahren näherte man sich vor allem in der Glasgestaltung und im Beleuchtungskonzept wieder dem bauzeitlichen Zustand.

  • Der Architekt Otto Bartning

    Der Architekt und Architekturtheoretiker Otto Bartning (* 12. April 1883 Karlsruhe, + 20. Februar 1959 Darmstadt) zählt zu den prägenden Gestalten des evangelischen Kirchenbaus im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts. Studium und erste Berufsjahre führten ihn vor dem Zweiten Weltkrieg nach Berlin. Schon 1928 machte er sich mit der zerlegbaren Stahl-/Pressakirche in Köln einen Namen im systemischen Bauen. Und mit seinem Grundlagenwerk „Vom neuen Kirchenbau“ (1919) beeinflusste er gleich mehrere Architektengenerationen. Nach 1947 baute er für das Evangelische Hilfswerk, gemeinsam mit den Ingenieur Fritz Staudacher, ein Not- und Diasporakirchenprogramm auf.

    Otto Bartning | Sternkirche | Grundriss-Entwurf

    Otto Bartning | Sternkirche | Grundriss-Entwurf 1922

    Schon 1922 hatte Bartning seinen aufsehenerregenden Entwurf einer sog. Sternkirche veröffentlicht, ein Projekt für Potsdam. Über einem vieleckigen Grundriss sollte sich eine expressionistisch geprägte Stützenarchitektur als Einraum entwickeln. Obwohl der Entwurf nicht gebaut wurde, ist sein Einfluss auf die moderne Sakralarchitektur kaum zu unterschätzen. Auch in Bartnings eigenen Weiterentwicklungen, vor allem in der Auferstehungskirche für Essen, bleiben Grundgedanken der Sternkirche spürbar: die skulpturale Gesamtform, die Konzentration auf die Raummitte und das besondere ästhetische Erlebnis.

  • Literatur (Auswahl)
    • Otto Bartning: Vom neuen Kirchenbau, Berlin 1919.
    • Otto Bartning: 48 Notkirchen in Deutschland, Heidelberg 1949.
    • Jürgen Bredow/Helmut Lerch: Materialien zum Werk des Architekten Otto Bartning, Darmstadt 1983.
    • Werner Durth/Wolfgang Pehnt/Sandra Wagner-Conzelmann: Otto Bartning – Architekt einer sozialen Moderne, hg. von der Akademie der Künste Berlin und der Wüstenrot Stiftung, Katalog, Berlin/Karlsruhe/Darmstadt, 2017/18, Berlin 2017.
    • Michael Heering: Auferstehungskirche Essen, Lindenberg im Allgäu 1998.
    • Stefan Koppelmann: Auferstehungskirche Essen, in: baukunst-nrw (www.baukunst-nrw.de/objekte/Auferstehungskirche-Essen–1172.htm, Abrufdatum: 30. September 2017).
    • Religiana.com: Church of the Resurrection, Essen
    • Julia Ricker: Spiritualität in Serie. Otto Bartning und seine Bauten, in: monumente-online April 2016 (www.monumente-online.de/de/ausgaben/2016/2/Otto_Bartning_Kirchen.php#.Wc_kubhQq-5, Abrufdatum: 30. September 2017).
    • Wolfgang Jean Stock: Europäischer Kirchenbau 1950–2000, München 2002.
    • Online-Portal der Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau e. V.: www.otto-bartning.de.
    • Online-Portal der Forschungsstelle Glasmalerie des 20. Jahrhunderts e. V.: www.glasmalerie-ev.net.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Martin Bredenbeck, Bonn (Beitrag online seit 10/2017)

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