Esslingen-Pliensauvorstadt
Südkirche
Spitalsteige 3
73734 Esslingen
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Spitalsteige 3
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Kirchen im Südwesten
Eine Gotik von expressionistischer Weite
Gegenüber der historischen Altstadt, wo Esslingen mit der Frauenkirche, dem Münster St. Paul und der Stadtkirche St. Dionys gleich drei bedeutsame gotische Kirchen zu bieten hat, erhebt sich am Hang die protestantische Südkirche. Nach außen hin griff der Architekt Martin Elsaesser 1926 bewusst auf dieses mittelalterliche Erbe zurück, verlieh ihm aber zugleich eine archaische Monumentalität. Diese doppelte Traditionslinie spiegelt sich auch im Innenraum wider, der sich aus liturgischen Gründen in Predigt- und Feierkirche unterteilt: Die erstere ist in romanisierenden Formen gehalten, die letztere zeigt eine expressionistisch geweitete Gotik.
- ÜberblickOrt
Esslingen-Pliensauvorstadt
Landeskirche
Evangelische Landeskirche in Württemberg
Name der Kirche
Südkirche
Einweihung
1926 (14. November)
Architekt
Martin Elsaesser
Künstler
Maria Eulenbruch, Dorkas Reinacher-Härlin, Gottfried von StockhausenBesonderheit
Die Südkirche ist die einzige seiner Kirchen, bei der Martin Elsaesser sein zweigeteiltes Raumkonzept verwirklichen konnte: die Trennung von Predigt- und Feierkirche.
Nutzung
eine von drei Predigtstätten der Evangelischen Stadtkirchengemeinde Esslingen
Standort / Städtebau
Die Kirche erhebt sich am Hang südlich des Neckars, gegenüber der historischen Altstadt und oberhalb der ab der Jahrhundertwende entstandenen Pliensauvorstadt. - Beschreibung
Grundriss
An die auf längsrechteckigem Grundriss errichtete Predigtkirche schließt sich die auf kreisrundem Grundriss ruhende Feierkirche an, um die sich ein halbkreisförmiger Umgang legt. Die Feierkirche ragt etwa zu einem Viertel in den Predigtraum hinein und betont so auch die innere Verbundenheit beider Bereiche von Predigt und Sakrament.
Außenbau
Aufgrund der Hanglage entfaltet sich die Wirkung des rottonigen Backsteinbauwerks mit seinen grün patinierten Kupferdächern vor allem aus der Ferne. Im Untergeschoss befinden sich die Gemeinderäume und sanitären Anlagen, im Obergeschoss die eigentlichen Sakralräume. Der Turm ist vierstöckig ausgeprägt und, wie auch das Langhaus, durch gotisierende Strebepfeiler gegliedert. Im Norden führt das Hauptportal den Besucher in den Kirchenraum hinein.
Innenraum
Der hohe Raum der Predigtkirche erhält sein Licht durch die Rechteckfenster in den backsteinsichtigen Hauptschiffwänden und im Westen. Begleitet wird das Langhaus von zwei niedrigen Seitenschiffen, deren südliches tiefer gehalten ist. Eine flache, durch Holzbalken gegliederte Decke schließt das Hauptschiff nach oben hin. Die verputzten Wände und Bögen der Seitenschiffe dagegen sind mit Schablonenmalerei (Hellblau, Gelb, Ocker, Grau) überzogen. Im Osten fügt sich eine Art Chorraum an den Längsbau an. In dessen unterem Bereich – hinter dem Lettner mit gerahmtem Durchgang – befindet sich die Feierkirche, im oberen Bereich die Empore mit der Orgel. Der gewölbte Raum zeigt verputzte, in Pastelltönen bemalte Wände und buntverglaste Fenster.
- Liturgie und Raum
Mit der Unterteilung in Predigt- und Feierkirche wollte der Architekt Martin Elsaesser 1926 die Liturgie, vor allem das Abendmahl aufwerten – eine Seltenheit in der Württembergischen Landeskirche jener Jahre. Indem Abendmahl und Taufe in einen baukünstlerisch besonders inszenierten Zentralraum verlagert wurden, war zum einen die besondere Intimität des liturgischen Geschehens gewahrt, zum anderen durch das hochausftrebende Gewölbe und die Buntglasfenster ein Transzendenzbezug angedeutet. Im Mittelpunkt der etwas tiefergelegten Feierkirche steht nach dem Vorbild spätantiker Baptisterien der Taufstein. Für reine Predigtgottesdienste sollte der auf die Kreuzigungsgruppe über dem Altar ausgerichtete Längsbau der Predigtkirche dienen, der sich in die Tradition des protestantischen Einheitsraums einfügt. Der Altar ist beidseitig nutzbar, somit Zentrum und Bindeglied beider Räume zugleich. Mit der Orgel- und Sängerempore über der Feierkirche schuf Elsaesser einen Gegenpol zur Westempore und ermöglicht so einen die Gemeinschaft und den Raum überspannenden Wechselgesang.
- Ausstattung
Da der Architekt Martin Elsaesser die Leitung der Kölner Kunstgewerbeschule innehatte, entstand die Ausstattung größtenteils dort. Insbesondere sind die Art-Déco-Lampen und die plastischen Arbeiten zu nennen. In einer Art Tympanon über dem Durchgang zur Feierkirche findet sich eine in Terrakotta ausgeführte Kreuzigungsgruppe von Maria Eulenbruch. Drei Engel, von Dorkas Reinacher-Härlin geschaffen, tragen die Kanzel, auf deren Korb sich der Text der Seligpreisungen auf Terracottafliesen findet. Von derselben Künstlerin stammt auch das das Relief „Mühselige und Beladene“ am Hauptportal. Über dem Altar formen zwei Leuchtstoffröhren ein Kreuz. Die Glasfenster der Feierkirche entstanden 1926 nach Entwürfen des Architekten. Auf der Ostempore wurde 1926 die Orgel der Firma Walcker hinter mit gotisierendem Maßwerk versehenen Rundbögen eingebaut. Für das westliche Foyer gestaltete der Künstler Hans Gottfried von Stockhausen ein Mosaik, das Jesus als Guten Hirten zeigt.
- Von der Idee zum Bau
Mit der Industrialisierung wuchs Esslingen um 1900 über den alten Kern hinaus jenseits des Neckars in die Breite. Neben Villen entstanden auch Wohnhäuser für Arbeiter in der neuen Vorstadt. Für den nötigen Kirchenneubau wurde bereits 1914 ein Grundstück angekauft. Die Ausführung verzögerte sich aber kriegsbedingt, bis Martin Elsaesser – als damaliger Bausachverständiger des Evangelischen Konsistoriums Württemberg zur Beratung herangezogen – den 1919 veröffentlichten Entwurf einer „Kleinen Volkskirche“ in Esslingen umsetzen konnte. Die Südkirche ist die einzige seiner Kirchen, bei der er das nach dem Ersten Weltkrieg entstandene zweigeteilte Raumkonzept verwirklichte. Am 28. Mai 1925 erfolgte die Grundsteinlegung. Im Vorfeld der Bauausführung vervielfachten vor allem die aufwendigen Fundamentarbeiten am Hang die Baukosten. Elsaesser selbst musste nach seiner Berufung nach Frankfurt die örtliche Bauleitung abgeben. Nach einigen Änderungen des ursprünglichen Bauplans (u. a. reduzierte Höhe, Ziegel- statt Kupferdächer) wurde die Kirche am 14. November 1926 feierlich eingeweiht. In den 1980er Jahren konnte das geplante Kupferdach auf Turm und Schiff nachträglich umgesetzt werden. Bereits in den 1970er Jahren rekonstruierte man die zeitweilig verlorene, ursprüngliche Farbigkeit von Seitenschiffen und Feierkirche.
- Der Architekt Martin Elsaesser
Martin Elsaesser wurde am 28. Mai 1884 in Tübingen geboren. In den Jahren 1901 bis 1906 studierte er Architektur an den Technischen Hochschulen München und Stuttgart. Neben seiner freiberuflichen Tätigkeit als Architekt arbeitete er als Assistent bedeutender Baumeister der Zeit wie Theodor Fischer und Paul Bonatz. Nach seinem Wirken als außerordentlicher Professor für Entwerfen, mittelalterliche Baukunst und Bauformenlehre an der Technischen Hochschule Stuttgart von 1912 bis 1920 leitete er die Kunstgewerbeschule Köln bis 1925 und anschließend bis 1932 das Frankfurter Hochbauamt. In den 1930er und frühen 1940er Jahren verschob sich sein Radius, er baute von Hamburg bis Ankara. Nach Kriegsende sind noch einzelne Werke vor allem im Profanbau zu verzeichnen, zudem übernahm er die kommissarische Vertretung der Professur für Entwurf an der Technischen Hochschule München. Elsaesser starb am 8. August 1957 im Alter von 73 Jahren in Stuttgart.
Im protestantischen Sakralbau verwirklichte Elsaesser vielbeachtete Projekte wie die Lutherkirche Lichtental (1905/07), die Stadtpfarrkirche Stuttgart-Gaisburg (1910/13), die Lorenzkirche Leingarten oder die Gustav-Adolf-Kirche in Frankfurt-Niederursel (1926/27). An ihnen zeigt sich die Entwicklung von Bauten in neobarocken und/oder Jugendstilformen bis hin zum gemäßigten Expressionismus. Daneben entstanden insbesondere in seiner Frankfurter Zeit großangelegte Profanbauten in der Mainmetropole wie die Großmarkthalle (1927/28), die Pestalozzischule (1925/26), die städtische und Universitätsklinik für Gemüts- und Nervenkranke (1929/31) und einige Wohnhäuser.
- Literatur (Auswahl)
- Norbert Bongartz: Die Südkirche in Esslingen. Rekonstruktion der ursprünglichen Farbigkeit im Kircheninneren, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 8, 1979, 41.
- Andreas Knoll/Frauke Velden-Hohrath: Die Südkirche in Esslingen, München/Berlin 2006.
- Elisabeth Spitzbart/Jörg Schilling: Martin Elsaesser. Kirchenbauten, Pfarr- und Gemeindehäuser, Tübingen/Berlin 2014.
- Elisabeth Spitzbart-Maier: Die Südkirche in Esslingen von Martin Elsaesser, in: Esslinger Studien 29, 1990, 281-305.
- Elisabeth Spitzbart-Maier: Die Kirchenbauten Martin Elsaessers und ihre Voraussetzungen in der protestantischen Kirchenbautheorie und Liturgiediskussion, Stuttgart 1989.
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.