Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel

Weißfrauenkirche

Anschrift Kirche
Weserstraße 5
60329 Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
    DI - SA: 12.00 - 16.00 Uhr
    Anschrift Pfarramt Weißfrauen Diakoniekirche Frankfurt
    Weserstraße 5
    60329 Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel
    069 2475149-6909
    Zur Webseite
    Kirchen in Deutschlands Mitte

Platz schaffen

Nach 1945 war man in Frankfurt nicht zimperlich, wenn es um die Bedürfnisse der Autofahrer ging, selbst wenn die Verkehrsplaner auf eine geschichtsträchtige Ruine trafen. So musste die kriegszerstörte mittelalterliche Weißfrauenkirche 1952 einem Straßendurchbruch weichen – und sollte an anderer Stelle neu entstehen. Mit diesem Prestigeprojekt wurde der Frankfurter Architekt Werner W. Neumann beauftragt. Im Zentrum der Mainmetropole, wo der Baugrund schon damals knapp und teuer war, schuf Neumann mit seinem geschwungenen zweigeschossigen Baukunstwerk 1956 ein kleines Raumwunder.

  • Überblick
    Ort
    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel

    Landeskirche
    Evangelische Kirche in Hessen und Nassau


    Name der Kirche
    Weißfrauenkirche

    Einweihung
    1956 (1. April)

    Architekt
    Werner W. Neumann

    Künstler
    Andrea Büttner, Joseph Jaekel, Helmut Lander, Mirek Macke, Hermann Tomada
    Besonderheit
    Die Weißfrauenkirche verbindet das mittelalterliche mit dem „Neuen“ Frankfurt – und verleiht zugleich dem zweigeschossigen protestantischen Kirchentypus des frühen 20. Jahrhunderts eine eigene nachkriegsmoderne Note.

    Nutzung
    Seit 2005 wird die ehemalige Gemeindekirche nun als Diakoniekirche für liturgische, kulturelle und soziale Zwecke genutzt.

    Standort / Städtebau
    Im büro- und bankenlastigen Bahnhofsviertel behauptet sich die – an einer belebten Straßenecke – teils zurückgesetzte Weißfrauenkirche wirkungsvoll wie auf einem Sockel.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Frankfurt am Main | Weißfrauenkirche | Grundriss OG

    Der zweigeschossige Baukörper der Weißfrauenkirche erhebt sich auf einem parabelförmigen Grundriss, der durch eine zur Gutleutstraße hin gekrümmte Fassade abgeschlossen wird. Im Obergeschoss laufen die Parabellinien auf den erhöhten Altarraum im Nordwesten zu. An die Fassade schließt sich nach Nordosten der Treppenvorbau auf rechteckigem Grundriss an. Wie ein Scharnier vermittelt zwischen beiden Baugliedern der zur Gutleutstraße vorgerückte Kampanile.

     

     

    Außenbau

    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel | Weißfrauenkirche | Außenbau | Foto: Mylius, GFDL oder FAL

    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel | Weißfrauenkirche | Foto: Mylius, GFDL oder FAL

    Das Frankfurter Bahnhofsviertel wird von hohen Wohn-, Geschäfts- und Bürobauten geprägt. An der Ecke der Gutleut- zur Weserstraße setzte man die zweigeschossige Weißfrauenkirche teils leicht zurück und schob ihren aufgeständerten Campanile bis in den Gehsteig vor. Die hochgeschlossene geschwungene Straßenfassade lebt vom farbigen Wechsel der Natursteinverkleidung. Leicht vorkragende Stahlbetonstützen gliedern die Seitenwände, während die dazwischenliegenden ausgefachten Flächen verputzt wurden. Mit dem Verlauf der Gutleutstraße folgen nach Nordosten ein niedrigerer Vorbau und ein wellenförmig geschwungenes Flugdach, das eine offene Treppenanlage überfängt.

     

    Innenraum

    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel | Weißfrauenkirche | Innenraum | Foto: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen

    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel | Weißfrauenkirche | Foto: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen

    Der heute für die diakonische Arbeit genutzte Saal im Erdgeschoss wird durch das Portal in der Straßenfassade erschlossen. Über die seitliche Freitreppe gelangt man ins Obergeschoss und hier in ein kleines Foyer, das unter der Orgelempore, durch ein Gitter von Betonformsteinen zunächst den Blick, dann den Weg zum Gottesdienstraum freigibt. Die geschwungenen Wände verjüngen sich auf parabelförmigem Grundriss zum erhöhten Altarraum hin. Vor dessen Stufen ist mittig der Taufstein verortet, den zwei Kanzeln rahmen. Die wandhohen seitlichen Kanzelfenster setzen sich im Schiff als ein Band von hochliegenden Rundfenstern fort. Im Gegensatz zur backsteinsichtigen Altarwand wird das Schiff geprägt durch die Abfolge von leicht vorkragenden Betonstützen und dazwischenliegenden verputzten Wandflächen. Den Raum überfängt eine Decke aus gewölbten, sich netzförmig überkreuzenden Betonunterzügen.

  • Liturgie und Raum
    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel | Weißfrauenkirche | Wandschrank in der Sakristei | Foto: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen

    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel | Weißfrauenkirche | Wandschrank in der Sakristei | Foto: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen

    Mit der Weißfrauenkirche überführte Frankfurts evangelischer Gemeindeverband seine Vorkriegstradition programmatisch in die Moderne. Schon im frühen 20. Jahrhundert hatte sich in der Händlerstadt – mit stilbildenden Bauten wie der Matthäuskirche (1905) – der Typus der doppelstöckigen Kirche bewährt: der Gemeindesaal im Erd-, der Kirchsaal im Obergeschoss. Dieses Modell entsprach nicht nur den explodierenden städtischen Grundstückspreisen, sondern auch dem Selbstverständnis eines pragmatischen gemeindebezogenen Protestantismus. Für die Weißfrauenkirche sollte dieser Typus nun eine profiliert lutherische, liturgisch bewegte und künstlerisch ausgeschmückte Prägung erhalten.

    Pfarrer Johannes Schirrmeister betonte 1956 die Andersartigkeit seiner Weißfrauenkirche: „Der Mensch braucht den aus seiner wirren Welt ausgesparten Raum, […] in dem er betet und sich von oben her erfüllen läßt“. Wortreich warb Schirrmeister für einige – im protestantischen Frankfurt ungewohnte – liturgische Neuerungen wie Kniebänke. In der Sakristei erhielt das Altargerät einen ausgeschmückten Wandschrank. Heute kann der früher fest bebankte und gerichtete Gottesdienstraum frei bestuhlt werden. Und die lebendige diakonische Arbeit im Erdgeschoss lässt nicht vergessen, auf welcher Grundlage jede liturgische und kulturelle Veranstaltung im ersten Stock ruht.

  • Ausstattung
    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel | Weißfrauenkirche | Kanzel | Foto: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen

    Frankfurt am Main-Bahnhofsviertel | Weißfrauenkirche | Kanzel | Foto: Christine Krienke, Landesamt für Denkmalpflege Hessen

    Um 1956 erhielt die Weißfrauenkirche an ihrer Fassade einen Metall-Engel des Kölner Bildhauer Joseph Jaekel (1907–85) sowie im Gottesdienstraum verschiedene Schmiede- und Mosaikarbeiten, Blei- und Betonglasfenster des Darmstädters Helmut Lander (1924–2013). Abstrakte Formen ergänzte Lander für die Kanzelfenster und -gitter um stilisierte gegenständliche Motive. Das Altarkreuz gestaltete der Darmstädter Bildhauer Hermann Tomada (1907-90). Aus dem Vorgängerbau finden sich heute in der Weißfrauenkirche einzelne historische Grabdenkmale, ein neugotisches steinernes Engelsrelief und eine spätmittelalterliche gemalte Kreuzigungsszene. Zuletzt formte Mirek Macke (* 1959) aus der Leuchtreklame des ehemaligen Frankfurter Kaufhauses „M. SCHNEIDER“ den Schriftzug „MENSCH“ und Andrea Büttner (* 1972) bereicherte den Turm um Bronzemotive und eine hölzerne „Meditationsklause“.

  • Von der Idee zum Bau

    Für den Büßerorden der Magdalenerinnen wurde die Weißfrauenkirche 1228 von Frankfurter Bürgern gestiftet und im späten Mittelalter nochmals umgestaltet. In der Neuzeit nutzten wechselnde reformatorische Gemeinschaften den Kirchenraum. Nach den Kriegszerstörungen musste die Ruine 1952 einem Straßendurchbruch weichen. Weiter westlich, an einem anderen Standort sollte eine neue moderne Weißfrauenkirche entstehen. Der Grundstein zur nachkriegsmodernen Weißfrauenkirche wurde am 17. April 1955 gelegt, die Einweihung am 1. April 1956 gefeiert. Seit 2005 dient die – in den letzten Jahren grundlegend sanierte – Weißfrauenkirche nun als Diakoniekirche sozialen, kulturellen und liturgischen Zwecken.

    Dem Neubau war ein Architektenwettbewerb vorausgegangen, an dem u. a. Karl Wimmenauer und Werner W. Neumann teilnahmen. Der prominent besetzten Jury gehörte u. a. Otto Bartning an. Umgesetzt wurde der Entwurf von Werner W. Neumann, der in seiner modernen Formensprache den gotischen Vorgängerbau aufgriff. So erinnert z. B. die netzförmige Deckenstruktur an ein gotisches Gewölbe. Zudem wurden ausgewählte Relikte der historischen Kirche in die künstlerische Neugestaltung einbezogen. Ebenso wusste Neumann um die aktuellen Entwicklungen im modernen katholischen Kirchenbau. Im parabelförmigen Grundriss kann man u. a. Parallelen zur Frankfurter Allerheiligenkirche (1953) des Architektenduos Alois Giefer und Hermann Mäckler entdecken.

  • Der Architekt Werner W. Neumann

    Der Architekt Werner W. Neumann (* 1916 Naumburg an der Saale, + 2003 Frankfurt am Main) studierte noch vor Kriegsende in Dresden, wo er zu einem baugeschichtlichen Thema promovierte. In den 1950er Jahren setzte er in Frankfurt als selbstständiger Architekt seine ersten Projekte um. Für Profanbauten wie das Hotel Hessischer Hof (1952) wählte Neumann zunächst gemäßigt moderne Formen mit klassizistischen Anleihen. Ähnlich gestaltete er – mit dem örtlichen Büro Dembach-Hieronymus – den Wiederauf- bzw. Neubau der Frankfurter Cyriakuskirche (1951/53).

    Mit der Weißfrauenkirche etablierte sich Neumann als „der“ evangelische Kirchenbauer Frankfurts. 1956 wurde ihm hier die Ehre zuteil, die Symbole für den Kirchentag zu entwerfen. Einzelne Projekte führten Neumann weiter in den hessischen Raum, von der Michaelskirche (1960) in Darmstadt bis zur Stephanuskirche (1962) in Karlshafen. Für seine Kirchen – allen voran die Frankfurter Wartburgkirche (1962) – arbeitete er eng mit bildenden Künstlern wie Christian Oehler oder Jürgen Weber zusammen. Neumann stand der liturgisch bewegten Michaelsbruderschaft nahe, so dass seine späten, zutiefst „sakralen“ Werke wie die Frankfurter Dietrich-Bonhoeffer-Kirche (1969) aus der Zeit fielen. Zuletzt wandte sich Neumann wieder der Malerei zu.

  • Literatur (Auswahl)
    • Karin Berkemann: Nachkriegskirchen in Frankfurt am Main (1945–76), hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland; Kulturdenkmäler in Hessen), Stuttgart 2013 [zugl. Dissertation, Kirchliche Hochschule Neuendettelsau, 2012].
    • Jürgen Hörtig: Die Sakralbauten von Werner Neumann, Dissertation, Universität Frankfurt am Main, 2014.
    • Johannes Schirrmeister (Bearb.): Weißfrauen zu Frankfurt am Main. Festschrift zur Einweihung der neuen Weißfrauenkirche Ostern 1956, bearb. im Auftrag des Kirchenvorstandes, Frankfurt am Main 1956.
    • Werden und Wirken. Festschrift des St. Katharinen- und Weißfrauenstifts – Stiftung des öffentlichen Rechts – Frankfurt am Main. Zur Einweihung der Altenwohnanlage Goldbergweg. Frankfurt am Main-Oberrad am 3. Mai 1976, o. O. [Frankfurt am Main] o. J. [1976].
    • 25 Jahre Weißfrauenkirche. 750 Jahre Weißfrauengemeinde. April 1981, o. O. [Frankfurt am Main] 1981.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald (Beitrag online seit 03/2016)

Kirchen in der Nähe

Frankfurt am Main | Bethanienkirche

Frankfurt am Main | Cantate Domino

Frankfurt am Main | Dornbuschkirche

Frankfurt am Main | Gustav-Adolf-Kirche

Frankfurt am Main | Jesus Christus – Der Gute Hirte

Frankfurt am Main | Frauenfrieden

Frankfurt am Main | Epiphaniaskirche

Frankfurt am Main | St. Michael

Frankfurt am Main | Allerheiligen

Frankfurt am Main | St. Bonifatius