Güstrow
Mariä Himmelfahrt
Grüne Straße 23
18273 Güstrow
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte beim Pfarramt erfragen! Anschrift Pfarramt Katholische Kirchengemeinde Mariä Himmelfahrt
Grüne Straße 23-25
18273 Güstrow
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Öffnungszeiten Pfarramt MO, DI, DO, FR: 8.00 - 12.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online abgerufen werden unter: www.katholische-kirche-guestrow.de/d.htm.
Kirchen im Norden
Mit hölzernem Rumpf gen Himmel
Traditionelle Formen und modern-expressive Gestaltung lassen die Güstrower Kirche Mariä Himmelfahrt von Paul Korff vertraut und doch neuartig erscheinen. Die Architektur kündet von der Ankunft des Neuen Bauens im Mecklenburger Land. Denn von Weitem fühlt sich der Betrachter an die Staffelgiebel mittelalterlicher Bürgerhäuser der Region erinnert. Doch es handelt sich um ein Gotteshaus; um einen experimentellen Bau der Neuen Sachlichkeit. Wie auch in anderen Gemeinden kleinstädtischen Umfelds der nord- und ostdeutschen Diaspora, erzeugten erst die Industrialisierung und der vermehrte Zuzug katholischer Arbeiter den Bedarf nach einem Neubau. Grundlegende Idee der Kirche ist das Konzept christozentrischer Liturgie, das in fortschrittlicher Formensprache und in zugleich kostengünstig-normierter Bauweise berücksichtigt wird.
- ÜberblickOrt
Güstrow
Bistum
Erzbistum Hamburg
Name der Kirche
Mariä Himmelfahrt
Weihe
1929 (25. August)
Architekten
Anton Berger, Paul Korff
Künstler
Paul Dierkes, Hans Naczenski, Ludwig Nolde, Ursula Räke, Karl MugglyBesonderheit
Neusachliche Interpretation der heimischen Backsteingotik. Normierungstendenzen des Neuen Bauens zeigen sich in der Verwendung eines Zollinger Lamellendachs.
Nutzung
Pfarrkirche
Standort / Städtebau
Die Kirche liegt im Nordwesten der Stadt Güstrow außerhalb des mittelalterlichen Stadtzentrums an der Grünen Straße. Von der Straße zurückgesetzt erschließt ein Vorplatz den Weg zur Kirche. - Beschreibung
Grundriss
Die Kirche erhebt sich auf längsrechteckigem Grundriss mit eingezogenem, querrechteckigem, mehrstufig erhöhtem Altarraum. Rechts und links desselben fügen sich Annexbauten (ehem. Taufkapelle und Sakristei) an. Insgesamt stellt sich der Bau als einheitliches, langgezogenes Rechteck dar. Auf der Südseite sind ein Heizungsraum und seit jüngster Zeit ein Beichtraum angefügt.
Außenbau
Eine architektonische Trias aus Fassade, Kirchenschiff und Altarhaus kennzeichnet den Außenbau. In eine kulissenartig vorangestellte, gestaffelte Backsteinfassade ist ein leicht heraustretender, monumentaler Bogen in Parabelform eingelassen. Dieser ist im oberen Bereich durch ein gekacheltes Buntglasfenster verschlossen. Der untere Bereich wird vom Kirchenportal ganz ausgefüllt. Der Türsturz trägt ein schlichtes Metallkreuz. Rechts des Bogens befindet sich die auf das Patrozinium verweisende Bronzestatue der Himmelfahrt Mariens von Ludwig Nolde. Das eigentliche Kirchenschiff wird durch die hoch aufragende Giebelwand fast vollständig verdeckt. Auch von dem rechteckigen Altarhaus ist es durch einen mit der Fassadenwand korrespondierenden Wandaufbau optisch getrennt. Seine freigelegte Form eines umgedrehten Schiffsrumpfs verleiht ihm in der Seitenansicht dennoch eine markante Präsenz.
Innenraum
Im Inneren der Kirche wird die äußere Trias in eine weitgehend räumliche Einheit aufgelöst. Die in Gelb-, Violett- und Blauschattierungen gehaltenen Fensterscheiben über dem Eingang und im Altarhaus tauchen den Raum in Zusammenspiel mit dem unverputzten Backsteinmauerwerk in ein mystisch-warmes Licht. Das Kirchenschiff selbst ist fensterlos. Die Dachkonstruktion in Zollinger-Lamellenbauweise trägt in ihrem spitzbogigen Querschnitt und dem rautenförmigen Muster noch deutliche Reminiszenzen an die Gotik, während die unverputzten Backsteinwände neusachliche Schlichtheit ausstrahlen. Die Holzlamellen des Dachs setzen unmittelbar auf der Langhausmauer an, die ihrerseits durch je sechs eingelassene Wandnischen mit Segmentbögen gegliedert ist. Ein abgesetzter Triumphbogen in Parabelform markiert den Übergang vom Kirchenschiff zum herausgehobenem Altarbezirk mit verdecktem Deckenabschluss. Neben der indirekten Beleuchtung weist auch die reiche Wandgliederung mit dem schlichten, in Umrissen über dem Hochaltar heraustretenden Kreuz diesen Bereich als Höhepunkt der baukünstlerischen Rauminszenierung aus.
- Liturgie und Raum
Konsequent ist in Anlehnung an die liturgische Bewegung und den Theologen Johannes van Acken die Idee des christozentrischen Raums umgesetzt: Über die Dachkonstruktion wird die sich zum Gottesdienst versammelnde Gemeinde unweigerlich zum erhöhten und über fünf schmale Fenster zu beiden Seiten indirekt beleuchteten Altarraum ausgerichtet. Wie das Licht durch die Fenster bricht und den Raum um den Altar erfüllt, so offenbart sich in der liturgischen Feier Jesus Christus selbst. Im Zuge einer Neuordnung der liturgischen Orte wurde die Mensa des Hochaltars 1969 nach vorne versetzt, um eine Zelebration versus populum zu ermöglichen. Als Ort für das Taufsakrament dient der nunmehr in einer Nische am rechten Seitenaltar aufgestellte Taufstein (früher in einer eigenen Taufkapelle). Die jüngste Umgestaltung des Kircheninneren (2011) zielte auf die stärkere Betonung des Wortteils der Liturgie durch das Entfernen der Kommunionbänke und die Errichtung zweier Ambonen an deren Stelle ab.
- Ausstattung
Die Ausstattung der Kirche ist betont schlicht und unterstützt die Wirkung der neusachlichen Architektur des Raums. Im Altarhaus hat sich die ursprüngliche Ausstattung in veränderter Form erhalten. Lediglich die kunststeinerne Altarmensa wurde nach vorne versetzt und das Gitter der ehem. Kommunionbank mit seinen eucharistischen Symbolen in die entstandene Lücke eingepasst. Wie die beiden Seitenaltäre, die Kanzel und die Leuchter, so wurde auch der Hochaltar im Sinne eines Gesamtkunstwerks nach Entwürfen des Architekten Korff gefertigt. Die beiden Ambonen an den Stufen entstanden 2011 nach Entwürfen des Teterower Diakons Meissner (links mit einer Bronze „Auferstandener Christus“ von Hans Naczenski) und wurden an Stelle der Kommunionbank errichtet. An den Stirnseiten des Kirchenschiffs, seitlich des Triumphbogens befinden sich der Marien- bzw. der Josephsaltar mit Figuren Ludwig Noldes, die bereits in der 1919 errichteten Notkirche standen. Älteren Datums ist auch der Taufstein aus schwarzem, belgischen Marmor – ein Geschenk zur Kirchweihe 1929 – mit einer Figur Johannes des Täufers. An der ihm gegenüberliegenden Wandseite befindet sich die Kanzel. Die Buntglasfenster im Altarraum und in der westlichen Bogenöffnung entwarf Karl Muggly, vermutlich auf Vermittlung des Güstrower Künstlers Ernst Barlach. In den Langhausnischen ist ein von Walter Mellmann geschaffener Kreuzweg angebracht. Zu erwähnen sind noch die Holzfiguren des Hl. Antonius von Padua und des Hl. Bruders Konrad von Parzham von Paul Dierkes. Jüngstes Ausstattungsstück ist eine Ikone des Sel. Niels Stensen von Ursula Räke.
- Von der Idee zum Bau
Die Anfänge der heutigen katholischen Pfarrgemeinde Güstrow liegen im späten 19. Jahrhundert. Für die größer werdende Zahl der Katholiken wurde nach dem Ersten Weltkrieg die Errichtung eines eigenen Kirchenbaus immer dringlicher. Eine Baracke des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers konnte im September 1919 von der Militärverwaltung erworben und bis Dezember desselben Jahres als provisorisches Kirchlein an der Grünen Straße aufgestellt und eingerichtet werden. Die Pläne zur Errichtung einer steinernen Kirche, die diese Übergangslösung langfristig ersetzen sollte, schritten in der Folgezeit unter dem ersten Pfarrer der jungen Gemeinde, Heinrich Hemesaat, weiter voran. Paul Korff erarbeitete das Konzept und Durchführung des Kirchenbaus zusammen mit dem Architekten Anton Berger, der Mitglied des Güstrower Kirchenvorstands war. Ihm ist der Kontakt zu dem renommierten Architekten Korff zu verdanken. 1928 wurde ein erster Entwurf für eine dreischiffige Kirche mit repräsentativem Turm und erhöhtem Altarhaus vorgelegt, der aus Kostengründen von der zuständigen kirchlichen Behörde in Osnabrück keine Zustimmung erhielt. Es galt, wie für Diasporakirchen damals üblich, eine möglichst hohe Funktionalität bei möglichst geringen Kosten zu erreichen. Dafür wählten die Architekten die dann ausgeführte reduzierte Gestalt ohne Turm und mit kostengünstigem Zollinger Lamellendach. Am 5. Mai 1929 erfolgte die Grundsteinlegung. Am 25. August 1929 konnte der Osnabrücker Bischof Wilhelm Berning den Bau feierlich konsekrieren. Im Laufe der Jahre wurden im Innenraum an den liturgischen Orten Veränderungen vorgenommen (bes. 1969/2011). Eine bauliche Veränderung erfuhr auch die Südseite der Kirche durch den Anbau eines Beichtraumes (2008).
- Der Architekten Paul Korff und Anton Berger
Paul Korff wurde am 25. Oktober 1875 in Laage als Sohn des Maurermeisters Friedrich Korff geboren. Zeit seines Lebens wirkte er hauptsächlich in seiner mecklenburgischen Heimat. An den Schulabschluss in Güstrow schloss sich eine Berufsausbildung am Technikum Neustadt-Glewe an. In Rostock gründete er 1899 gemeinsam mit Alfred Krause ein Architekturbüro. In der Folge tat er sich vor allem mit dem Bau von Geschäftshäusern (Kaufhaus Zeeck Rostock 1912), Wohn-, Herren- und Gutshäusern (Herrenhaus Gut Hasenwinkel 1912) sowie Denkmälern (Kriegerdenkmal Teterow 1927) hervor. Die Güstrower Kirche Mariä Himmelfahrt ist sein einziger Sakralbau. Gleichzeitig stellt sie den Höhepunkt einer Entwicklung im Werk des Architekten dar. Dessen Stil wandelte sich Ende der 1920er Jahre von historistischen bzw. vom Jugendstil beeinflussten Formen hin zu einem gemäßigten Expressionismus, den auch das Teterower Denkmal zeigt. Über sein weiteres Wirken bis zu seinem Tod ist wenig bekannt. Am 2. Mai 1945 wählte Korff mit seiner Ehefrau kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee den Freitod. Anton Berger wurde am 06. Juni 1869 in Buch bei Illertissen geboren. Seit 1918 war er in Güstrow (u.a. im Architekturbüro Adolf Kegebein) tätig. Für die Planungs- und Bauzeit der Güstrower Kirche führte er eine Bürogemeinschaft mit Paul Korff. Berger starb nach 1945 in Bayern.
- Literatur (Auswahl)
- Dörte Bluhm: Kirchen in Mecklenburg. Rostock 2013, S. 75-76.
- Oskar Gehrig: Kirchenbau an der Ostsee, in: Die Christliche Kunst 30 (1933/34), S. 268-272.
- Katholisches Pfarramt Güstrow (Hg.): Die katholische Kirche S. Mariä Himmelfahrt Güstrow (Text von Hans Naczenski). Güstrow o. J.
- Elke Onnen/Ulrike Volkhardt (Hg.): Paul Korff. Ein Architektenleben. Berlin 2017.
- Christel Sievert: Von der Notkirche zum Bau der Moderne. Die katholische Kirche Güstrow, in: Elke Onnen/ Ulrike Volkhardt (Hg.): Paul Korff. Ein Architektenleben. Berlin 2017, S. 95-103.
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