Idstein

St. Martin

Anschrift Kirche
Wiesbadener Straße 21
65510 Idstein
  • Informationen
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    Anschrift Pfarramt Katholische Pfarrgemeinde St. Martin
    Wiesbadener Straße 21
    65510 Idstein
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    Kirchen in Deutschlands Mitte

Auftrag erfüllt!

Nähert man sich dem Taunus von Frankfurt, sind die Erwartungen eindeutig: Sanfte Hügel, verwunschene Burgruinen und malerisches Fachwerk. Idstein bietet diese geschichtsträchtigen Zutaten – vom sog. Hexenturm bis zur evangelischen Unionskirche. Doch hatten Mitte des 20. Jahrhunderts ebenso ruhesuchende Banker ihre mondänen Bungalows im Internationalen Stil in die grünen Hänge gepflanzt. Um sich hier, am Übergang der Altstadt zum „Speckgürtel“, mit einer modernen Kirche zu behaupten, nutzte der im Neuen Bauen verwurzelte Architekt Johannes Krahn 1965 gekonnt die Tradition. Ein bergfriedähnlicher Campanile und schwere Natursteinwände versprechen nach außen eine Altehrwürdigkeit, die das längsgerichtete Innere mit klassischer Strenge einlöst. Damit gelingt es Krahn im protestantisch geprägten Idstein bis heute, Einheimische wie Touristen für sein katholisches Kirchenbaukunstwerk einzunehmen.

  • Überblick
    Ort
    Idstein

    Bistum
    Bistum Limburg

    Name der Kirche
    St. Martin

    Weihe
    1965 (5. Juni)

    Architekt
    Johannes Krahn

    Künstler
    Paul Corazolla, Anneliese Degen, Heinz-Theo Degen
    Besonderheit
    Am Rand des malerischen Taunusstädtchens gelang es Krahn, traditionelle Kirchbauformen – auf dem technisch neuesten Stand – in die Architekturmoderne zu überführen.

    Nutzung
    Pfarrkirche der Pfarrei St. Martin Idsteiner Land

    Standort / Städtebau
    Zwischen Bahnhof und Altstadt, in einer Biegung der Wiesbadener Straße, sticht die hochgeschlossene Kirche mit Campanile zwischen Wohnbauten der Jahrhundertwende hervor. Nach Norden ist das historistische Pfarrhaus benachbart, hinter dem die modernen Bauteile Sakristei und Gemeindehaus den Pfarrhof umfangen.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Idstein | St. Martin | Grundriss

    Idstein | St. Martin | Grundriss

    Dem Verlauf der Wiesbadener Straße folgend, erstreckt sich die Idsteiner Martinskirche von Süden nach Norden: Das Schiff auf längsrechteckigem Grundriss mündet im Norden auf seiner gesamten Breite in einen halbkreisförmigen Altarraum. Nach Osten, zur Wiesbadener Straße hin, ist dem Schiff eine Sakramentskapelle mit geradem Abschluss angegliedert. Der Kapelle gegenüberliegend, wird die Kirche nach Westen um eine niedrigere flachgedeckte Sakristei ergänzt. Im Süden ist dem Schiff ein zur Straße vorgerückter Campanile auf kreisrundem Grundriss zur Seite gestellt. Hier wird das Kirchenschiff auch durch zwei, jeweils von rahmenden Wandscheiben markierten Eingänge von Westen und von Osten erschlossen.

     

     

    Außenbau

    Idstein | St. Martin | Außenbau | Foto: Frank Winkelmann, GFDL oder CC BY 3.0

    Idstein | St. Martin | Foto: Frank Winkelmann, GFDL oder CC BY 3.0

    Nach außen wie nach innen wird der Baukörper durch Natursteinwände geprägt. In das Bruchsteinmauerwerk wurden in regelmäßigen Abständen senkrechte Stahlstützen eingebunden, welche die Binder des flachgedeckten Kirchendachs tragen. Direkt darunter läuft waagrecht ein mit Rohglas geschlossenes Fensterband um, das vertikal auch die Wandscheiben der beiden Haupteingänge vom Bruchsteinmauerwerk absetzt. Der schlanke hochaufragende Campanile hingegen ist in Sichtbeton gehalten.

     

    Innenraum

    Idstein | St. Martin | Innenraum | Foto: Karin Berkemann

    Idstein | St. Martin | Foto: Karin Berkemann

    Betritt man die Kirche über einen der beiden Haupteingänge von Westen oder Osten, erschließt sich ein weiter stützenloser Raum. Zwischen zwei Bankblöcken zielt der Mittelgang nach Norden zu der um insgesamt vier Stufen erhöhten Altarinsel. Der Altar wird nach Westen vom Ambo, nach Osten vom Taufstein gerahmt. Die Tabernakelstele findet sich in der Seitenkapelle, die durch die Orgel vom Hauptraum getrennt wird. Für den Lichteinfall sorgen das unterhalb der holzverkleideten Decke umlaufende Fensterband, abgehängte Pendelleuchten und an den Innenwänden in regelmäßigen Abständen angebrachte Konsolstrahler. Unter der Kapelle ist eine – vom Pfarrhof zugängliche – Krypta verortet, die nach Osten halbkreisförmig abschließt.

  • Liturgie und Raum
    Idstein | St. Martin | Sakramentskapelle | Foto: Frank Winkelmann, GFDL oder CC BY 3.0

    Idstein | St. Martin | Sakramentskapelle | Foto: Frank Winkelmann, GFDL oder CC BY 3.0

    Das Weihejahr von St. Martin fiel in das Abschlussjahr des Zweiten Vatikanischen Konzils, in die Zeit der aufbrechenden liturgischen Reformen. Für die Idsteiner Kirche wählte der Frankfurter Architekt Johannes Krahn (mit seinen Mitarbeitern Bernhard Leyerer und Wilhelm Heinrich) eine programmatisch traditionelle Grundrissform, während zeitgleich z. B. das Frankfurter Büro Hermann Giefer und Alois Mäckler längst die Möglichkeiten des zentralisierenden Raums ausgelotet hatten. Krahn verstand seine längsgerichteten Gottesdiensträume als „Prozessionskirchen“. In Idstein z. B. hielt er zwischen Altarinsel und Kirchenwand einen Umgang für liturgische Prozessionen frei.

    Der strengen Klarheit seiner Raumkonzeptionen wusste Krahn einen fast spielerischen Umgang mit Material und Konstruktion an die Seite zu stellen. So ließ er schwere Wände und Decken durch umlaufende Fensterbänder fast schwebend erscheinen. Heute haben sich die Idsteiner ihren Altarraum neu angeeignet: 2003 rückten sie den Altar vor in Richtung Gemeinde und schufen damit auf der Altarinsel mehr Platz für die reiche kirchenmusikalische Arbeit. Der Taufstein wurde aus der Seitenkapelle geholt, in die Stufen der Altarinsel eingebunden und damit näher ans liturgische Geschehen gebracht. Der Tabernakel hingegen wanderte mit seiner Stele in die Seitenkapelle.

  • Ausstattung
    Idstein | St. Martin | Kreuzwegfenster | Foto: Frank Winkelmann, GFDL oder CC BY 3.0

    Idstein | St. Martin | Kreuzwegfenster | Foto: Frank Winkelmann, GFDL oder CC BY 3.0

    Die moderne Martinskirche birgt Erinnerungen an ihren historistischen Vorgängerbau: Die neugotische Kreuzigungsgruppe, die viele Jahre die Stirnwand des Altarraums schmückte, verbrachte man 2003 in die Seitenkapelle. In der Krypta finden der Kreuzweg (Öldrucke des ausgehenden 19. Jahrhunderts) und der Stahltabernakel der Magdalenenkirche Verwendung. Der moderne Tabernakel, der wie Vortragekreuz, Osterleuchter und Monstranz vom Aachener Goldschmiedeatelier Schwerdt und Förster stammt, war auf einer Stele rechts des Hauptaltars aufgestellt. 2003 versetzte man auch Tabernakel und Stele in die Seitenkapelle.

    Altar, Ambo, Taufstein und Tabernakelstele wurden Mitte der 1960er Jahre nach Entwürfen des Architekten aus Naturstein gefertigt. Im Schiff und in der Kapelle zeigen schießschartenähnliche Fenster mit Betonstürzen in farbigem Bleiglas Kreuzwegmotive, die (wie die Kryptafenster) 1965 vom Berliner Maler Paul Corazolla gestaltet wurden. Ebenfalls zur Bauzeit schufen die Geschwister Heinz-Theo und Anneliese Degen aus Höhr-Grenzhausen eine Antoniusfigur und eine Pietà. Für den 2003 über dem Hauptaltar „freigewordenen“ Platz beauftragte die Gemeinde den Künstler Hans Rams aus Niederbreitbach, ein Hängekreuz zu entwerfen. 2006 jedoch erstellte eine Firmgruppe einen kreuzförmigen Rahmen, der kleinere hölzerne Kreuze umfängt – ein Provisorium, das bis heute Bestand hat.

  • Von der Idee zum Bau
    Idstein | Unionskirche | Foto: Frank Winkelmann, GFDL oder CC BY 3.0

    Idstein | Unionskirche | Foto: Frank Winkelmann, GFDL oder CC BY 3.0

    Unter Philipp von Hessen kam Idstein 1540 zur Reformation und blieb in den folgenden Jahrhunderten protestantisch geprägt. So wurde aus der mittelalterlichen Martinskirche die evangelische Stadt-, später Unionskirche. Ab 1806 gab es in der Taunusstadt wieder eine selbständige katholische Gemeinde, die sich zur Messe zunächst in der Schlosskapelle traf. Doch erst mit dem Kulturkampf eröffneten sich Spielräume, an eine neue katholische Kirche zu denken: 1888 konnte am südwestlichen Ortsrand die neogotische Magdalenenkirche eingeweiht werden. 1963 wurde dieser Bau niedergelegt, um Platz für einen größeren modernen Gottesdienstraum zu schaffen, der wieder das traditionsreiche Patrozinium St. Martin erhielt.

    Mit den Arbeiten wurde Johannes Krahn beauftragt, den man schon als Architekten der kurz zuvor fertiggestellten Friedenskirche (1962) im benachbarten Wörsdorf kannte. Da in Idstein zeitgleich die Wiesbadener Straße neu gestaltet wurde und man den Neubau am alten Kirchenstandort auch auf umgebende Grünflächen ausdehnte, konnte Krahn großzügig für 480 Sitzplätze planen. An drei Seiten freistehend, sollte St. Martin von der Straße ebenso zugänglich sein wie vom rückwärtigen Wohngebiet. 1963 wurden die Bauarbeiten begonnen, 1964 der Grundstein gelegt und 1965 die Weihe begangen. Das 1961 fertiggestellte, nördlich hinter der Kirche liegende Gemeindehaus wurde 1985 erweitert und mit der Sakristei verbunden. 2003 sanierte der Limburger Architekt Franz Josef Hamm den Kirchenraum, 2006 ersetzte eine Orgel am Übergang zur Seitenkapelle ein Vorgängerinstrument (1974, zuvor ab 1965 Behelfsorgel). Zum 50-jährigen Kirchweihjubiläum wurden zwei Säulenfragmente der Margaretenkirche in den Zugang zur Krypta eingebunden.

  • Der Architekt Johannes Krahn
    Frankfurt am Main | Bienenkorbhaus | Foto: Michael König, GFDL oder CC BY SA 3.0

    Frankfurt am Main | Bienenkorbhaus | Foto: Michael König, GFDL oder CC BY SA 3.0

    1908 in Mainz geboren, studierte Johannes Krahn bis 1929 in Offenbach, Aachen und Köln. Als Meisterschüler von Dominikus Böhm kam er intensiv mit dem modernen katholischen Kirchenbau in Berührung. Von 1928 bis 1940 arbeitete Krahn mit Rudolf Schwarz (und in den ersten Jahren auch mit Hans Schwippert) zusammen. Im Anschluss leitete er bis 1945 das Berliner Büro von Herbert Rimpl. Nach 1954 entfaltete Krahn überregionale Wirkung durch seine Architektur-Professur an der Frankfurter Städelschule, der er einige Jahre auch als Direktor vorstand.

    Durch seine Mitarbeit im Büro Schwarz war Krahn an Inkunabeln der Kirchbaumoderne beteiligt: von der Fronleichnamskirche in Aachen (1930) bis zum Wiederaufbau der Frankfurter Paulskirche (1948). Eigene Planungen verwirklichte er in Südhessen z. B. mit St. Wendel in Frankfurt-Sachsenhausen (1957) oder der Friedenskirche (1962) in Wörsdorf. Auch im Profanbau hinterließ Krahn vor allem in Frankfurt prägende Spuren. So leitete er hier den Wiederaufbau der Städelschule (1953) an, errichtete mit dem sog. Bienenkorbhaus (1955) eines der erste innerstädtischen Hochhäuser der Mainmetropole und setzte mit seinem Büropartner Richard Heil das City-Hochhaus (ehem. Selmi-Hochhaus, 1973) um. Krahn verstarb 1974 während eines Urlaubs im schweizerischen Orselina.

  • Literatur (Auswahl)
    • Karin Berkemann: Nachkriegskirchen in Frankfurt am Main (1945-76) (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland; Kulturdenkmäler in Hessen), Stuttgart 2013, 16, 26, 59, 65, 73, 76, 79, 110, 116-117, 122, 136-137, 152-153, 184, 188, 206, 209, 215 (zugl. Diss., Neuendettelsau, 2012).
    • Karin Berkemann: A Touch of Wright. Die weltläufigen Bauten des Idsteiner Architekten Richard Bauer, in: Denkmalpflege und Kulturgeschichte 2016, 2, 2-7.
    • Chronik der Pfarrei und der Kirche St. Martin in Idstein, auf: www.st-martin-idstein.de (www.st-martin-idstein.de/, Abruf: 19. August 2016).
    • Hanna Dannien-Maassen: Johannes Krahn (1908-1974). Kirchenbau zwischen Tradition und Moderne, in: DAM Jahrbuch für Architektur 1991, 265-269
    • Beke Heeren-Pradt: Neue Kirche – alter Name – St. Martin. Vor 50 Jahren wurde der Neubau der katholischen Kirche in Idstein geweiht. Gemeinde feiert „Geburtstag“, in: Idsteiner Zeitung 6. Juni 2015.
    • Idstein. Geschichte und Gegenwart, hg. vom Magistrat der Stadt Idstein, Idstein o. J. [1980er Jahre], 17, 23, 27, 51, 79 f., 269.
    • Walther Kampe u. a. (Bearb.): Unser gemeinsamer Weg. 150 Jahre Bistum Limburg, Frankfurt am Main 1977, 108, 111.
    • Jan Lubitz: Johannes Krahn. 19018 – 1974, auf: architekten-portrait.de, September 2005 (www.architekten-portrait.de/johannes_krahn/, Abruf: 17. August 2016).
    • S. Nagel/S. Linke (Bearb.): Kirchliches Bauen (DBZ-Baufachbücher), hg. von der Deutschen Bauzeitschrift, Gütersloh 1968, 75-77.
    • Robert Schratz: Symbol einer wachsenden Gemeinde. Die Idsteiner Pfarrkirche St. Martin wird 50 Jahre alt, in: Kontakt. Pfarrei St. Martin 89, Pfingsten 2015, 4-6.
    • Dagmar Söder: Rheingau-Taunus-Kreis 1.1. Altkreis Untertaunus (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland; Kulturdenkmäler in Hessen), hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Stuttgart 2003, 382, 442-425.
    • Hans-Georg Soeffner u. a. (Bearb.): Dächer der Hoffnung. Kirchenbau in Hamburg zwischen 1950 und 1970, Hamburg 1995, 196.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Karin Berkemann, Frankfurt am Main/Greifswald (Beitrag online seit 09/2016)

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