Köln-Riehl

St. Engelbert

Anschrift Kirche
Riehler Gürtel 23
50735 Köln

Sternkuppelprojekt mit freistehendem Turm

Diese Kirche war in ihrer Entstehungszeit so modern, dass sie lange auf Unmut stieß. Heute gehört sie zu den beliebtesten Kirchen Kölns: Die 1931-32 von Dominikus Böhm in Köln-Riehl geschaffene Kirche, die das Patrozinium des Hl. Engelbert trägt, steht im Kontext einer neuen Sakralarchitektur der frühen Moderne, die sowohl nach liturgischen wie nach architektonischen Neuerungen strebt. Die Parabel als moderner Spitzbogen beherrscht in all ihren Spielformen den Bau. Schon während seiner Bauzeit und bis in die sechziger Jahre hinein hat St. Engelbert somit die Architekturlandschaft bis nach Amerika beeinflusst.

  • Überblick
    Ort
    Köln-Riehl

    Bistum
    Erzbistum Köln

    Name der Kirche
    St. Engelbert

    Weihe
    1932

    Architekt
    Dominikus Böhm

    Künstler
    Hildegard Domizlaff, Hanns Rheindorf
    Besonderheit
    Moderne Interpretation von Gewölbe und Chor, enge Verbindung mit der Liturgischen Erneuerungsbewegung, Einfluss auf die moderne Architektur Amerikas im frühen 20. Jahrhunderts.

    Nutzung
    Pfarrkirche der Katholischen Kirchengemeinde St. Engelbert und St. Bonifatius „Köln - An der Flora“

    Standort / Städtebau
    Kirche steht auf leicht erhöhtem Plateau, etwas zurückgesetzt vom Riehler Gürtel

  • Beschreibung

    Grundriss

    Grundriss | DLI

    Köln | St. Engelbert | Grundriss

    Der kreisrunde Grundriss des Gemeinderaums wird durch acht sich in die Höhe erstreckende Schildwände in gleich große Kuchenstücke unterteilt. Die Scheidbögen der Kreiskompartimente laufen in der Mitte der Decke zusammen und bilden im Zentrum der Decke eine Sternkuppel. An den Gemeinderaum schließen sich zwei weitere Baukörper an: Zum einen der beinahe quadratische Anbau des Altarraumes, an den sich wiederum die Sakristei anschließt; zum anderen die Werktagskapelle, die zusammen mit dem angeschlossenen Turm wie ein angewinkelter Arm den runden Baukörper ergänzt.

     

    Außenbau

    St. Engelbert | Foto: © Raimond Spekking, CC BY-SA 3.0

    Köln | St. Engelbert | Foto: © Raimond Spekking, CC BY-SA 3.0

    Von außen beherrscht die Parabel den Bau: Acht verklinkerte Schildwände stehen aufrecht auf dem kreisrunden Grundriss. Die Scheitel der Schildwände eröffnen die tief heruntergezogenen Tonnengewölbe, die das Dach bilden. Über den Gewölben befindet sich kein Dachstuhl, so ergibt sich der besondere Anblick von oben, der dem Bauwerk den volksmundlichen Namen der „Zitronenpresse“ gegeben hat. Die hellblaue Bleideckung der Dachtonnen, die den Eindruck heute so prägt, konnte erst 1975 angebracht werden. Dem Eingangsbereich vorgelagert ist ein breiter Treppenaufgang, der den Besuchern den Aufstieg auf den Kirchenhügel vom Riehler Gürtel aus ermöglicht. Der erhöhte Sockel des Kirchengebäudes macht im Untergeschoss Platz für Jugendräume, Pfarrsaal und Bibliothek.

     

    Innenraum

    Aufriss | DLI

    Köln | St. Engelbert | Aufriss

    Das Innere der Kirche ist vor allem geprägt vom Zentralraum der Gemeinde und der gleichzeitigen Ausrichtung auf den angefügten Altarraum. Während die Gemeinde unter der Sternkuppel vereint ist, bildet ein parabelförmiger Chorbogen den Übergang von der Gemeinde zum Altar. Dieser steht um einige Stufen erhöht. Während der Gemeinderaum von einem mystisch-expressiv farbigen Licht aus acht kreisrunden Okuli unter den Scheidbögen der Schildwände beleuchtet wird, wird der Altarraum von der Seite aus durch eine hohe, klare Lichtöffnung erhellt. Der schlichte und gänzlich weiß verputzte Innenraum besticht durch seine organisch bewegte Formgebung. Sowohl die Kanzel, von der Kardinal Frings 1946 seine berühmte Silvesterpredigt gehalten hat, als auch die Sängerempore im Rücken der Gemeinde fügen sich harmonisch in den Rhythmus der parabelförmigen Scheidbögen ein. Zwei symmetrisch angelegte Treppenaufgänge ermöglichen von zwei Seiten aus den Zugang zur Sängerempore sowie zur Orgel.

  • Liturgie und Raum

    In der Raumkomposition der St. Engelbert-Kirche wird das Suchen nach einer neuen liturgischen Durchdringung des Raumes zu Beginn des 20. Jahrhunderts besonders deutlich. Mit raffiniert eingesetzten architektonischen Mitteln inszeniert Böhm einen an den frühen Schriften der Liturgischen Bewegung orientierten Raum, der die auf Christus hin konzentrierte Gemeinde neu erfahrbar werden lässt.

    St. Engelbert | Foto: © Hartmut Junker / Bildarchiv-Monheim GmbH

    Köln | St. Engelbert | Foto: © Hartmut Junker / Bildarchiv-Monheim GmbH

    Böhm findet in Riehl eine Raumform, die zugleich die zentrierte Versammlung (Zentralbau) wie auch die exzentrische Ausrichtung auf Christus hin zum Ausdruck bringt (angefügter Altarraum). Böhm erklärt, dass „die Opferstätte, also der Chor, wie ein großer Tabernakel sich an den Hauptraum anschließt und so dem Hauptraum erst den eigentlichen Höhepunkt, das Ziel, gibt. (…) Raum ist Sehnsucht, deren Erfüllung die Opferstätte.“ Der Altar stand daher um einige Stufen erhöht und durch das seitliche Fenster strahlend erhellt im Chorraum, der Priester zelebrierte mit dem Rücken zur Gemeinde.

    Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) änderte sich die Ausrichtung des Priesters zur Gemeinde, er wendete sich der Gemeinde zu. Der Altar, an dem zelebriert werden sollte, wurde nun von den Stufen herunter in den Gemeinderaum geholt um eine engere Verbindung von Altar und Gemeinde zu ermöglichen. Heute findet sich eine doppelte Altarlösung im Kirchenraum: der ursprüngliche Altar, der sich nach wie vor im erhöhten Altarraum befindet und zum zweiten ein neuer hölzerner Altar, der zusammen mit dem Ambo und den Sedilien vor den Stufen des Chorraumes steht und für die nachkonziliare Messe versus populum (in Blickrichtung zum Volke hin) genutzt wird.

  • Ausstattung

    Von 1926 bis 1934 war Dominikus Böhm an den Kölner Werkschulen als Leiter der Abteilung für Kirchliche Kunst tätig. Die enge Verbindung von Architektur und künstlerischer Ausstattung macht sich auch in seinen Bauten bemerkbar. Böhm übernahm selbst die Gestaltung der runden Fenster in den Schildwänden des Gemeinderaumes, die jedoch aus finanziellen Gründen zu Beginn der 30er Jahre nicht zur Umsetzung gelangt sind. Die heutige farbige Fassung der Rundfenster wurde 1953-55 von Anton Wendling (1891-1965) entworfen.

    Auch der ursprüngliche Altar ist ein Entwurf Böhms (1932). Ein Großteil der mobilen Einrichtungsgegenstände, wie der Osterleuchter (1967), vier Altarleuchter (1974), das ewige Licht (1971), das Sakramentshaus (1971) und der Taufbrunnen aus Veroneser Marmor (1968-71) wurden von Hildegard Domizlaff (1898-1987) gefertigt.

    Zur ursprünglichen Ausstattung gehören die Kupferfiguren des Hl. Engelbert und des Hl. Clemens von Hans Rheindorf, die seit 1932 im Chor standen. Von Rheindorf stammen auch die Reliquiare des Hl. Engelbert und des Hl. Hermann Josef (1932). Die kupfernen Portale, die heute die Schwelle zwischen Treppe und Kirchenraum bilden, wurden 1960 von Leonhard Karl aus Bensberg hergestellt.

  • Von der Idee zum Bau

    Der Bau von St. Engelbert ist eng verwoben mit der Siedlungsgeschichte von Köln-Riehl. Hier entstanden unweit des Kölner Zoos und des Botanischen Gartens in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zahlreiche Neubauten. Im Zuge dieses großflächigen Siedlungsneubaus wurde ein Wettbewerbsverfahren für einen Kirchenneubau ausgerufen. Der Pfarrer des wachsenden Gemeindebezirkes – Clemens Wirtz – setzte sich stark für den favorisierten Architekten Dominikus Böhm ein.

    Bereits im Mai 1930 reichte Böhm den von Pfarrer und Kirchenvorstand gewählten Entwurf „Sternkuppelprojekt mit freistehendem Turm“ beim Generalvikariat ein, doch konnte erst ein Jahr später mit dem Bau begonnen werden. Am 05. Juni 1932 wurde die Kirche endlich eingeweiht. Die Verzögerungen während der Planungszeit gehen vor allem auf Streitigkeiten zurück, die die Modernität dieses Baus betrafen. Der aufgrund seiner außergewöhnlichen Bauform bis heute im Volksmund „Zitronenpresse“ genannte Bau konnte sich erst nach der folgenreichen Silvesterpredigt von Joseph Kardinal Frings im Winter 1946 etablieren. Frings billigte in dieser Predigt das Stehlen von Lebensmitteln und Briketts als lebenserhaltende Maßnahme in Zeiten des bitteren Nachkriegswinters (in der Folge als fringsen bezeichnet).

  • Der Architekt Dominikus Böhm
    Dominikus Böhm

    Portrait Dominikus Böhm

    Für den beschränkten Wettbewerb von St. Engelbert in Riehl reicht Dominikus Böhm mehrere Entwürfe ein, wovon es sich bei einem um eine Langhauskirche, bei den anderen um zentrierte Bauten handelt. Eines der eingereichten Modelle lehnt sich an den Entwurf für eine Rundkirche im oberschlesischen Gleiwitz an, die Böhm bereits 1929 entworfen hatte. Im endgültigen Bauplan für St. Engelbert verzichtet Böhm jedoch auf die an den Rundbau angefügten, umlaufenden Kapellen und holt sie stattdessen in den Kirchenraum hinein. Die mächtige Turmgruppe, die dem Rundbau von Gleiwitz vorangestellt gewesen ist, reduziert Böhm für St. Engelbert auf einen einzigen Kampanile, der sich seitlich neben dem Zentralbau zurücknimmt.

    Klar und wirksam inszeniert Böhm einen Kirchenraum, der liturgische wie architektonische Neuerungen der frühen Moderne zu vereinen weiß.

  • Literatur (Auswahl)
    • Helmut Fußbroich: Architekturführer Köln. Sakralbauten nach 1900, Köln 2005.
    • August Hoff: Dominikus Böhm. Geleitwort von seiner Eminenz Joseph Kardinal Frings, Beiträge von August Hoff, Herbert Muck, Raimund Thoma, München/Zürich 1962.
    • Barbara Kahle: Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts, Köln 1985.
    • Peter Keller: Die Pfarrkirche St. Engelbert in Köln-Riehl, Köln 1991 (Rheinische Kunststätten; 369).
    • Hiltrud Kier: Kirchen in Köln, Köln 2000.
    • Flagge Voigt (Hrsg.): Dominikus Böhm (1880 – 1955), Ausst. Kat. 2005.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Anja Becker-Chouati M.A., Köln (Beitrag online seit 07/2015)

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