Landsberg am Lech

Zu den Heiligen Engeln

Anschrift Kirche
Hindenburgring 15
86899 Landsberg am Lech

„Engelsflügel“ als Zelt Gottes

Die frei auf einer Wiese stehende Kirche „Zu den Heiligen Engeln“ ist oberhalb der Lechkante am Hindenburgring gut sichtbar. In der Entstehungszeit, in den späten 1960er Jahren, jedoch war der markante Bau auch von Vorbeireisenden schon von Weitem leicht auszumachen. Heute – inzwischen sind rings um die Kirche Neubaugebiete emporgewachsen – sticht noch die spektakuläre Dachform ins Auge. Mit diesem weitgespannten Bau reizte der Architekt Josef Wiedemann die statischen Möglichkeiten einer Faltkonstruktion bis aufs Äußerste aus. Zugleich entwickelte er den Zentralraum konsequent aus der erneuerten Liturgie heraus. Die zwölf unverwechselbaren Dachspitzen werden gerne als „Zelt Gottes“ oder, dem Patrozinium entsprechend, als ausgebreitete Engelsflügel gedeutet.

  • Überblick
    Ort
    Landsberg am Lech

    Bistum
    Bistum Augsburg

    Name der Kirche
    Zu den Heiligen Engeln

    Weihe
    1967 (24. September)

    Architekt
    Josef Theodor Wiedemann

    Künstler
    Josef Gehringer, Blasius Gerg, Animata Probst, Hans Schwaighofer, Egon Stöckle
    Besonderheit
    Mittig über dem zentralen Altar erreicht die neuartige, auf Fernsicht angelegte Dachkonstruktion ihren höchsten Punkt: ein Stabfachwerk aus zwölf Dreigelenk-Armen, deren tragende Teile in den Schnittlinien der gefalteten Flächen liegen.

    Nutzung
    Katholische Stadtpfarrkirche mit Gemeindezentrum sowie Garnisonskirche der Bundeswehr

    Standort / Städtebau
    In zentraler Lage des Pfarrgebiets, zwischen Katahrinenvorstadt und Spötting, steht der Bau oberhalb der Lechkante am Hindenburgring.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Grundriss

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Grundriss

    Durch den freistehenden Glockenturm gelangt der Besucher in den Vorhof, an den sich nach Norden das Gemeindezentrum, nach Süden die Kirche anschließen. Richtung Osten eröffnet sich der Blick zur Landsberger Altstadt mit der spätbarocken Heilig-Kreuz-Kirche. Die Kirche „Zu den Heiligen Engeln“ ist ein Zentralbau, dessen Grundriss auf einem Quadrat beruht, in welches ein Kreis eingeschrieben ist. Das Zentrum bildet der Altar, um den sich im Dreiviertelkreis die Sitzbänke gruppieren. An der südlichen Öffnung des Kreises befinden sich der Ambo und die Sedilien. Die Kirche bietet ca. 650 Sitzplätze und etwa 320 Stehplätze.

     

    Außenbau

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Außenbau | Foto: Zara Tiefert-Reckermann

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Foto: Zara Tiefert-Reckermann

    Ursprünglich war der Bau als Sichtziegelmauerwerk ausgeführt, womit der Architekt auch einen Bezug zur Landsberger Altstadt herstellte. Jedoch wurde die Ziegelsichtigkeit aufgrund von Witterungseinflüssen und mangelhaftem Material nach wenigen Jahren weiß verputzt. Zur Straße (Westseite) hin umgibt den gesamten Gebäudekomplex eine ca. 4 Meter hohe, weiß verputzte Mauer. Diese bildet zugleich die Außenwand des Kirchenbaus. Darüber erstreckt sich die auf Fernwirkung angelegte, gefaltete Dachkonstruktion.

     

    Innenraum

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Innenraum | Foto: Zara Tiefert-Reckermann

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Foto: Zara Tiefert-Reckermann

    Erst im Inneren wird die eigentliche Konstruktion der Kirche ersichtlich: ein Stabfachwerk aus 12 Dreigelenk-Armen, bei dem die tragenden Teile in den Schnittlinien der gefalteten Flächen liegen. Hier kann man nun auch die verwendeten Materialien deutlich erkennen: das Ziegelmauerwerk sowie die Stahlbetonträger und darüber der aus Kanthölzern konstruierte Dachstuhl mit den großen Dreiecksfenstern. Den Kirchenraum betritt man vom Hof aus über zwei seitlich gelegene Eingänge. Vom dunklen Umgang kommt der Besucher in einen hohen lichten Raum. In der Nord-Ost-Ecke des Bauwerks befindet sich die Taufkapelle. Durch eine zentrale Deckenöffnung fällt das Licht direkt auf den Taufstein. Nach Süd-Osten schließt sich die im Umgang gelegene Seitenkapelle an.

  • Liturgie und Raum
    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Deckenkonstruktion | Foto: Zara Tiefert-Reckermann

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Deckenkonstruktion | Foto: Zara Tiefert-Reckermann

    Die Entstehung der Kirche „Zu den Heiligen Engeln“ fällt in die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils. 1963 wurde die Liturgiekonstitution verabschiedet, die Neuerungen in einem nie dagewesenen Ausmaß formulierte. Wiedemann war aufgrund seiner Hochschultätigkeit in die aktuellen Diskussionen von Anfang an stark eingebunden. Die Landsberger Kirche setzt die Konzilsbeschlüsse in idealer Weise um. Die Gläubigen betreten den Raum durch die beiden Eingänge an der Nordseite, auf eine Hauptachse wird verzichtet. Das liturgische Zentrum mit dem zentralen, auf einem runden Podest stehenden Altar bildet zugleich auch die räumliche Mitte. Zudem befindet sich hier der höchste Punkt, an dem die zwölf Gelenkarme zusammenkommen. Mit den in einem Dreiviertelkreis angeordneten Sitzbänken entsteht eine gemeindebildende Wirkung. Die bis dahin übliche Kanzel wird durch einen Ambo ersetzt. Dieser steht ebenfalls auf einem Podest, welches unmittelbar an das Altarpodest anschließt, an der Südseite des Kirchenraums. Damit war Wiedemann einer der ersten Architekten in Süddeutschland, der die Zentralbauidee auch in der Ausbildung des liturgischen Bereichs konsequent umsetzte.

  • Ausstattung
    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Taufkapelle | Foto: Zara Tiefert-Reckermann

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Taufkapelle | Foto: Zara Tiefert-Reckermann

    Der Kirchenraum wird von zwölf Säulen getragen, welche seit 2014 auch die Namen der Apostel über den Leuchtern tragen. Nach den Entwürfen des Architekten Josef Wiedemann wurden die Altäre, Ambonen und das Taufbecken gefertigt. Im Hauptaltar befinden sich die Reliquien der urchristlichen Märtyrerin Christina und des Märtyrers Karl Lwanga aus Uganda. Dieser Altar ist aus Ziegelsteinen gebildet und wird von einer Granitsteinplatte abgedeckt. Der dahinterstehende Ambo wurde passend zum Altar gestaltet. Auch in der östlich gelegenen Seitenkapelle sind Altar und Ambo in denselben Materialien ausgeführt. 1993 wurde über dem Hauptaltar eine Nachbildung des Ulrichkreuzes (Werkstatt Münsterschwarzach) platziert, um an den Ursprung der Pfarrei, St. Ulrich aus dem 6. Jahrhundert, zu erinnern.

    Die Künstlerin Sr. Animata Probst gestaltete den großen Engelsteppich hinter dem Hauptaltar mit dem Thema „Die Engel als Boten der Liebe Gottes“ ebenso wie den gestickten Kreuzweg. Zur Bauzeit stand ein Tabernakel des Bildhauers Blasius Gerg auf dem Seitenaltar. 1993 wurde stattdessen ein Tabernakel des Künstlers Egon Stöckle auf einer Stele in der Apsis hinter dem Seitenaltar verortet. Hier findet sich seit 1993 auch das Kreuz (Blasius Gerg), das bis dahin über dem Hauptaltar angebracht war. Die Marienfigur zwischen Seitenkapelle und Hauptraum stammt von Hans Schwaighofer. Ein Rundbogen eröffnet den Blick auf das Taufbecken in der kreisrunden Taufkapelle an der Nord-Ost-Ecke des Kirchengebäudes. 1984 erwarb die Gemeinde eine Orgel aus der Werkstatt Sandtner. Im Innenhof finden sich seit 2011 steinerne Stelen des Künstlers Josef Gehringer, welche die Geschichte der Stadt widerspiegeln sollen.

  • Von der Idee zum Bau
    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Außenbau zur Kirchweihe 1967 | Foto: Archiv – Pfarrei Zu den Heiligen Engeln, Landsberg am Lech

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Außenbau zur Kirchweihe 1967 | Foto: Archiv – Pfarrei Zu den Heiligen Engeln, Landsberg am Lech

    1960 zählte die Pfarrgemeinde St. Ulrich und Katharina ca. 4.000 Mitglieder und die bestehenden Kirchenbauten waren damit zu klein geworden. Das Diözesanbauamt Augsburg lobte 1962/63 einen Wettbewerb aus, zu dem verschiedene renommierte bayrische Kirchenbauer eingeladen wurden, u .a. Alexander von Branca und Hansjakob Lill. Josef Wiedemann ging mit seinem Entwurf unter Mitarbeit seines langjährigen Assistenten Rudolf Ehrmann als Sieger hervor. Das Konzept zeige, so Bischof Dr. Josef Stimpfle, „mit dem Sternenzeltdach und seinem Innenraum für die neue Liturgie die feierlichste Einstimmung und Atmosphäre“. Diskussionen um die Statik verzögerten den Baubeginn, sodass die eigentliche Ausführung in die Jahre 1966/67 fiel. Grundsteinlegung war am 12. Juni 1966, die Weihe am 24. September 1967. Die Gemeinde zählt heute ca. 8.000 Mitglieder.

  • Der Architekt Josef Theodor Wiedemann
    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Josef Wiedemann auf der Baustelle | Foto: Archiv – Pfarrei Zu den Heiligen Engeln, Landsberg am Lech

    Landsberg am Lech | Zu den Heiligen Engeln | Josef Wiedemann auf der Baustelle | Foto: Archiv – Pfarrei Zu den Heiligen Engeln, Landsberg am Lech

    Josef Theodor Wiedemann wurde am 15. Oktober 1910 in München geboren und stammt aus einer Bauern- und Handwerksfamilie. Von 1930 bis 1935 studierte er Architektur an der Technischen Hochschule in München bei German Bestelmeyer und Hans Döllgast. Das erste Jahrzehnt seiner Berufstätigkeit fällt in die Zeit der NS-Diktatur. 1936 trat er in das Büro von Roderich Fick ein und war u. a. für die Bauprojekte auf dem Obersalzberg verantwortlich. Im letzten Kriegsjahr wurde Wiedemann eingezogen und geriet 1945 in Gefangenschaft. 1946 kehrte er nach München zurück und musste sich zunächst einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen, bevor er sich in den 1950er Jahren als freier Architekt einen Namen machte. Wiedemann starb am 18. April 2001.

    Der Kirchenbau nimmt im Werk Josef Wiedemanns einen hohen Stellenwert ein, was nicht zuletzt mit seiner langjährigen Tätigkeit als Hochschullehrer für Entwerfen, Denkmalpflege und Sakralbau an der TH München zusammenhängt. Insgesamt entstanden in seinem Büro rund 23 Kirchenplanungen, von denen 13 umgesetzt wurden. Mit der Landsberger Kirche setzte Wiedemann erstmals die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils konsequent um. Zugleich fasste er damit über die Diözese München-Freising hinweg auch im Augsburger Bezirk Fuß. Wiedemanns Sakralbauten der 1960er Jahre zeigen eine reiche Variationsbreite an zentralisierenden Raumformen. Die bestimmenden Elemente eines zeitgenössischen Kirchenbaus waren für den Architekten die Konstruktion, das Material und das Licht.

  • Literatur (Auswahl)
    • Ilka Backmeister-Collacott: Josef Wiedemann. Leben und Werk eines Münchner Architekten. 1910-2011, Tübingen 2006.
    • Rudolf Ehrmann: Josef Wiedemann. Bauten und Projekte, München 1981.
    • Josef Wiedemann: Gedanken über den Kirchenbau, Manuskript (Anleitung für die Bearbeiter der Diplomarbeit an der Münchner TH im Jahr 1965), in Auszügen publiziert in: das münster 19.1966, 337.


    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Zara Tiefert-Reckermann M. A., Waldshut-Tiengen (Beitrag online seit 08/2017)

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