Leipzig-Connewitz
St. Bonifatius
Biedermannstraße 86
04277 Leipzig
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
Bitte im Pfarrbüro erfragen! Anschrift Pfarramt Pfarrbüro St. Bonifatius Leipzig-Süd
Prinz-Eugen-Straße 21
04277 Leipzig
0341 301840-1
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Öffnungszeiten Pfarramt MO: 14.30 Uhr - 16.30 Uhr
DO: 14.00 Uhr - 16.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten finden Sie online unter: bonifatius-leipzig.de/gottesdienste
Kirchen im Osten
„Ein sakraler Aufschrei“
Von außen ist die als Diasporapfarrkirche und Kriegergedächtnisort gestaltete St. Bonifatius-Kirche weiß verputzt, klar in ihren Formen und modern im Erscheinungsbild. Von innen überzeugt sie durch ihre expressive und beinahe mystisch-verklärte Stimmung. Der Architekt Theodor Burlage hat zusammen mit den ausstattenden Künstlern ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das sich „der heutigen Horizontalen einordnet, um dann da, wo der Herrgott wohnt, zu einem mächtigen vertikalen, sakralen Aufschrei zum Himmel zu werden“ (T. Burlage, 1929). Vor wenigen Jahren renovierte man die Kirche und so erstrahlt sie heute – an der originalen Farbgebung orientiert – wieder in „altem“ Glanz.
- ÜberblickOrt
Leipzig-Connewitz
Bistum
Bistum Dresden-Meißen
Name der Kirche
St. Bonifatius
Weihe
1930 (18. Januar)
Architekt
Theodor Burlage
Künstler
Albert Burges, Theo M. Landmann, Wolfdietrich SteinBesonderheit
Für sein bemerkenswertes Frühwerk nahm der Architekt Theodor Burlage schon 1930 den Altar mit in das Rund des Gemeinderaums hinein.
Nutzung
Pfarr- und Gedächtniskirche der Gemeinde St. Bonifatius in der Pfarrei St. Bonifatius Leipzig-Süd
Standort / Städtebau
St. Bonifatius liegt am Rand des alten Dorfs Connewitz, im räumlichen Zusammenhang mit dem 1931 eingeweihten und ebenfalls unter Beteiligung des Architekten Theo Burlage gebauten St. Elisabeth-Krankenhaus. - Beschreibung
Grundriss
Die auf kreisrundem Grundriss erbaute Bonifatiuskirche ist von ihrem Inneren her geplant. Ausgangspunkt war der christozentrische Gedanke, der Altar- und Gemeinderaum im Kreisrund aufeinander bezieht. Um diese innere Trommel herum wurde ein niedrigerer Umgang gelegt, der wiederum zwei Kapellen, die Sakristei und den Eingangsbereich aufnimmt. Besonders markant ist – sowohl für den Grundriss als auch für die Gesamterscheinung der Kirche – der in den Umgang eingeschnittene Turm, der auf rechteckigem Grundriss die übrigen Baukörper überragt.
Außenbau
Der Turm, die weithin sichtbare Dominante der Kirche, ist zugleich Glockenträger und Kriegergedächtnisort: Vom Gemeinderaum aus zugänglich, war im Erdgeschoss ursprünglich eine Gedenkstätte für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitglieder des Verbands Katholisch-Kaufmännischer Vereinigungen untergebracht. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde die Skulptur „Der tote Soldat“ (A. Burges/W. Stein, 1929), die zusammen mit 18 Kandelabern an die Gefallenen erinnerte, in die Erde versenkt und an ihrer Stelle der Tabernakel untergebracht. Der Gedächtnisort für den toten Soldaten steht zusammen mit dem überdimensionalen Kruzifix vor der Altarwand (A. Burges/W. Stein, 1929) für den „Zwei Opfer“-Gedanken, den Burlage dem Gestaltungskonzept zugrunde legte.
Innenraum
Mit Terrakottafiguren besetzt wurden die Übergänge vom Innen- zum Gedächtnisraum auf der linken Seite und zur Taufkapelle auf der rechten Seite des Altarraums. Links sind in drei Reihen je vier Heilige dargestellt, die das Opferthema aufgreifen und als Vorbilder für die Kaufmänner dienen sollen. Auf der rechten Seite sitzen die vier Evangelisten auf einem Architrav (Querbalken) über dem Durchgang zur Taufkapelle. Der Adler des Evangelisten Johannes leitet gestalterisch von der Waagerechten des Architravs zur Senkrechten des Kreuzes im Altarraum über und schlägt damit zugleich eine inhaltliche Brücke vom Wort des Evangeliums zum Leben und Sterben Jesu: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1, 14).
- Liturgie und Raum
Der ganze Kirchenraum wird beherrscht von einem „christozentrischen Sog“. Anders als beispielsweise in St. Engelbert (1932) in Köln-Riehl von Dominikus Böhm wird der Altarbereich nicht an den runden Gemeinderaum angefügt, sondern in das Rund mit hineingenommen: Burlage versetzte die Altarwand nur leicht aus dem die Gemeinde umfassenden Kreis heraus. Auch wenn ursprünglich die Messe noch vom Hochaltar aus und mit dem Rücken zur Gemeinde gelesen wurde, so waren hier Altar- und Gemeinderaum schon näher aufeinander bezogen.
1968/69 wurde der Innenraum nach den neuen liturgischen Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils umgestaltet: Der Altar rückte von der Wand weg und zur Gemeinde hin, so dass der Priester „versus populum“ (den Gläubigen zugewandt) zelebrieren konnte. Auch die Kommunionbank wurde entfernt und der Tabernakel vom Hochaltar weg hin zur Stelle des „Toten Soldaten“ im Turm versetzt. Der Kirchenraum erfuhr somit eine neue Akzentsetzung: Zum einen wurde das ursprüngliche, an das Kriegergedächtnis geknüpfte „Zwei Opfer“-Konzept abgeschwächt, zum anderen die schon für Burlage bestimmende Christozentrik – mit ihrer engen Verbindung von Altar und Gemeinde – weiter hervorgehoben.
- Ausstattung
Neben den bildhauerischen Ausstattungsstücken sind die Fenster ein zweites wesentliches Element. Schon über dem Eingangsportal befindet sich das markante Rundfenster des Glasmalers Theo M. Landmann (1903-78), das den Heiligen Bonifatius vornehmlich in Rot- und Grüntönen mit zur Segnung erhobener Hand und einem Bischofsstab darstellt. Dieses im Durchmesser 380 Zentimeter große Bleiglasfenster, das im Inneren über der Orgelempore aufscheint, ist nur eine der raumprägenden Glasgestaltungen von Landmann. Expressiv-abstrakt inszenierte der Künstler in der Altarwand den Gekreuzigten in Rot, Blau und Gelb und griff somit die starken Farben des Innenraums auf: das Blau der Wände, das Rot des Bodens und das Gold der Kuppel.
In der Taufkapelle thematisierte Landmann in einem dreiteiligen Fenster in Blautönen die lebenspendende Kraft des dort verorteten Sakraments. Das zweite, schmale Fenster im Kriegergedächtnisraum wurde von Albert Burges und Wolf-Dietrich Stein entworfen: Auf der Höhe der Trauernden wird auch im Kapellenfenster der tote Soldat beweint und dann von Engeln emporgehoben. Darüber steht der Pelikan, der sich – gleichsam als Sinnbild Christi – selbst für die Jungen opfert. Sechs Heilige bilden den Übergang bis schließlich die Gottesmutter Maria über allem thront. Die (mit Ausnahme des Bonifatiusfensters) im Zweiten Weltkrieg zerstörten Glasarbeiten konnten Mitte der 1990er Jahre nach historischen Vorlagen rekonstruiert werden.
- Von der Idee zum Bau
1924 beschloss der Verband Katholisch-Kaufmännischer Vereinigungen (KKV) den im Ersten Weltkrieg gefallenen Verbandsmitgliedern eine Gedächtniskapelle zu stiften. Als Ort für das Denkmal, das zugleich eine Kirche für den Verband und die Leipziger Diasporagemeinde sein sollte, wurde die Messe- und Handelsstadt Leipzig gewählt. 1928 schrieb der KKV zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst (München) einen Wettbewerb aus, an dem sich alle katholischen Architekten des Landes beteiligen konnten.
Aus den rund 240 eingesendeten Entwürfen gelangten vier Konzepte in die engere Auswahl. Burlages Vorschlag, dem die Jury zunächst nur den dritten Platz zugestanden hatte, erhielt nach einer einstimmig entschiedenen Umfrage unter den Verbands-Delegierten den Zuschlag. Nachdem am 3. März 1929 der Grundstein gelegt wurde, konnte schon am 18. Januar 1930 die Weihe gefeiert werden.
- Der Architekt Theodor Burlage
Die Leipziger Bonifatiuskirche muss für den jungen Architekten Theodor Burlage (1894–1971) etwas Besonderes gewesen sein. Gerade erst hatte er sein Architekturstudium an der TH Stuttgart abgeschlossen und sich 1925 selbständig gemacht. Und schon verhalf ihm dieses Projekt, das deutschlandweit für Aufsehen sorgen sollte, zu einem frühen Durchbruch als Kirchenbauer. Zugleich war es für Burlage sicher eine Herzensangelegenheit, in der Heimat seiner Jugendjahre einen so prächtigen Bau entwerfen zu dürfen – im katholischen Milieu von Leipzig, für das schon sein Vater, der Reichsgerichtsrat und Zentrumspolitiker Eduard Burlage (1857–1921) besonders verdienstvoll tätig gewesen war.
Heute gilt die Bonifatiuskirche nicht allein als „der bedeutendste katholische Kirchenbau in Sachsen zwischen den beiden Weltkriegen“ (Stadt Leipzig, 953), sondern auch als das wichtigste Frühwerk von Burlage. Den runden Grundriss und die Stellung des Turms griff er bei späteren Projekten wieder auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte Bernd Niebuer, der schon an der Ausführungsplanung für St. Bonifatius beteiligt war, offiziell Burlages Partner werden und mit ihm bis in die 1960er Jahre u. a. zahlreiche Kirchen in den Bistümern Münster (auch Offizialat Vechta) und Osnabrück gestalten. Nachdem sie zunächst gemeinsam vor allem längsgerichtete Räume entwickelt hatten, näherte sich Burlage ab der Bremer St. Hedwigskirche (1963) wieder der Kreisform. Sein Spätwerk krönt Burlage wieder mit zwei Rundbauten: St. Pius in Marl-Brassert (1965) und St. Ansgar (1966) in Twist.
- Literatur (Auswahl)
- Georg Lill: Theo Burlages Kaufmanns-Gedächtniskirche in Leipzig-Connewitz. in: Die christliche Kunst 26, 1929/30, 348-358.
- Stadt Leipzig. Die Sakralbauten ( Die Bau- und Kunstdenkmäler von Sachsen), 2. Bd.e, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, München, 1995.
- Merkuria. Blätter für katholische Kaufleute und Angestellte in Handel und Industrie, 48/49, 1928/29.
- Veronika Laufen: Der Verband katholischer Vereinigungen Deutschlands 1877-1933 (Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte 22), Frankfurt 2011, S. 179-183 [zugl. Diss., Düsseldorf, 2011].
- Ruth und Theo M. Landmann Archiv e. V. (Abruf: 21. Mai 2016, www.landmann-archiv.de/3-landmann-archiv/landmann-archiv.php)
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