Leipzig-Gohlis

Versöhnungskirche

Anschrift Kirche
Franz-Mehring-Straße 44
04157 Leipzig-Gohlis
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
    Bitte beim Pfarramt erfragen.
    Anschrift Pfarramt Versöhnungs-Kirchengemeinde
    Hans-Oster-Straße 16
    04157 Leipzig
    0341 9014195
    E-Mail
    Zur Webseite
    Öffnungszeiten Pfarramt MI: 15.00 -18.00 Uhr
    DO: 10.00 -12.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die Gottesdienstzeiten können online abgerufen werden unter: versoehnungs-gemeinde.de/gottesdienste
    Kirchen im Osten

Predigt- und Feierkirche unter einem Dach

Der Einsatz ausgewogen zueinander in Beziehung gebrachter horizontaler und vertikaler Bauglieder und zugleich die Beschränkung darauf führen zu einer betont sachlichen Architektursprache, die genau dadurch eine humane Monumentalität gewinnt. Im Inneren der Leipziger Versöhnungskirche formt die Regie aus natürlichem und künstlichem Licht die Architektur zu einem symbolischen Ausdruck. Auf diesen Sakralbau, der Gemeinderäume, eine Predigt- und eine Feierkirche unter einem Dach vereint, ist die ästhetische Funktionalität der klassischen Moderne mit seltener Konsequenz angewendet worden.

  • Überblick
    Ort
    Leipzig-Gohlis

    Landeskirche
    Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens


    Name der Kirche
    Versöhnungskirche

    Einweihung
    1932 (6. März)

    Architekt
    Hans Heinrich Grotjahn

    Künstler
    Max Alfred Brumme, Matthias Klemm, Odo Tattenpach
    Besonderheit
    Der Längsbau in sachlicher kubischer Architektursprache trennt – als einziges Beispiel in Sachsen – konsequent Predigt- und Feierkirche.

    Nutzung
    Evangelisch-Lutherische Pfarrkirche für den Norden des Leipziger Stadtteils Gohlis

    Standort / Städtebau
    Die Versöhnungskirche steht eingerückt mit vorgelagertem Platz an der Ecke Viertelsweg/Franz-Mehring-Straße, wo sie die höchste Stelle einnimmt. Die beabsichtigte Wirkung kommt nicht zur vollen Entfaltung, da die umgebende Bebauung nie wie geplant ausgeführt wurde.

  • Beschreibung
    Grundriss

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Grundriss

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Grundriss

    Dem längsrechteckigen, von Süden nach Norden ausgerichteten Saalraum ist ein breiterer und höherer Eingangstrakt quer vorgelagert. Die Altarzone wird vom Turm mit Brauthalle im Erdgeschoss sowie der Feierkirche mit Treppenhaus und Seiteneingang flankiert. Durch Funktionseinbauten an der nördlichen Schmalseite des Saalraums entsteht eine rechteckige Altarnische.

     

    Außenbau

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Foto: © Bertram Kober/PUNCTUM

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Foto: © Bertram Kober/PUNCTUM

    Die Mitte der weiß verputzten Fassade wird von einem plastisch hervortretenden und aus parallelen Vierkantstäben zusammengesetzten Kreuzfenster eingenommen, vor dem sich ein vertiefter „Ehrenhof“ für das Kriegergedächtnis befindet, während Freitreppen zu den beiden seitlichen Doppelportalen mit Horizontalverdachung emporführen. Ein durchfensterter Drempel mit ganz flachem Walmdach schließt die Fassade ab. Der 43 Meter hohe Turm mit asymmetrisch höhergeführtem Uhrengeschoß über der Aussichtsplattform zeigt aufgrund durchgehender schmaler Fensterbänder eine entschieden vertikale Gliederung. Das über die Trauflinie höher geführte Treppenhaus der Feierkirche besitzt die Wirkung eines Seitenturms.

     

    Innenraum

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Predigtkirche | Foto: © Bertram Kober/PUNCTUM

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Predigtkirche | Foto: © Bertram Kober/PUNCTUM

    Die Predigtkirche ist von der Decke her wie eine Pseudobasilika ohne Stützen gegliedert, bei der die Fenster rahmende Lisenen als Träger des nur ausgemauerten Eisenbetonskelettes über die gestufte Decke bis zu den Deckenträgern fortgeführt sind. Statt Lampen ist die Deckenkante als Lichtband ausgeführt. Nur an der Eingangsseite befindet sich eine tiefe Empore, während sich die Emporen über der Brauthalle und der Feierkirche mit schmal hervortretenden Brüstungen zur Altarzone öffnen und diese dadurch hervorheben. Ein sich herabsenkender und leicht hervortretender Wandschirm verdeckt den Oberlichteinfall in die fensterlose Altarnische. Statt eines Orgelgehäuses ist die eine Wand seitlich der Altarnische von einer Lamellenstruktur durchbrochen. Auch die einfach rechteckige Feierkirche hat eine gestufte Decke, allerdings in Längsrichtung, um durch Herabsenkung den Altarstandort auszuzeichnen. Altarwand und in gleicher Breite die Mittelpartie der Decke sind durch Metallrahmen abgesetzt und farblich hervorgehoben. Seitlich der Altarwand sind die Wände in voller Höhe über Eck in Fensterbahnen für Glasmalerei geöffnet.

  • Liturgie und Raum

    Die Haupt- oder Predigtkirche ist deutlich auf die Altarnische ausgerichtet, deren Lichtregie über den Gnadenort des Altars hinausweist zum Osterlicht und zur Wiederkunft des Herrn. Von dieser Symbolik her bezieht die Kanzel, auf welche die versammelte Gemeinde ebenso ausgerichtet ist, ihre Wirkmächtigkeit. Die Kanzel ist als Teil der Architektur aufgefasst, während die Wand hinter dem Altar mit einem Kunstwerk ausgezeichnet ist. Abweichend vom Grünton der Wände und der Decke der Altarzone ist die Kanzel genauso weiß gestrichen wie die Altarnische.

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Feierkirche | Foto: © Bertram Kober/PUNCTUM

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Feierkirche | Foto: © Bertram Kober/PUNCTUM

    Die Kanzel verlängert die Seitenwand der Altarnische in den Raum hinein und schließt in gleicher Höhe und Ausprägung ab mit dem Gesims der gegenüberliegenden Seitenwand, über dem sich die weißen Lamellen der Orgel befinden. Damit rahmen Wort-Ort und Ort der Musica sacra als Verkündigungsstätten den Ort der sichtbaren Darbietung Christi in Brot und Wein. Nach damaliger Gottesdienstpraxis aber wurde das Abendmahl nur selten in der Hauptkirche gefeiert, sondern viel häufiger gesondert vor oder im Anschluss an den Predigtgottesdienst.

    Die Feierkirche schließt sich im rechten Winkel an, so dass deren Altar anders ausgerichtet ist als in der Predigtkirche. Für Taufen, Trauungen und Abendmahlsfeiern sollte ein intimerer und zu besonderer Andacht einstimmender Raum dem Gemeinschaftsgefühl im kleineren Kreis dienlich sein. Ergänzt wird das Gefüge zweier Kirchenräume um ein Untergeschosses mit Sakristei unterhalb des Altarraums sowie um Nebenräume im Eingangstrakt und im Turm: Sie bieten in der Versöhnungskirche alle Funktionen eines Gemeindehauses an, ohne dass dies die Wirkung eines klassischen freistehenden Sakralbaus beeinflusst.

  • Ausstattung
    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Fenstergestaltung | Foto: © Bertram Kober/PUNCTUM

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Fenstergestaltung | Foto: © Bertram Kober/PUNCTUM

    Die künstlerische Ausstattung stammt von dem Leipziger Bildhauer Max Alfred Brumme (1891-1967). Oberhalb des Altars ist an der Wand die über vier Meter hohe Sandsteinskulptur des zur Versöhnung mit dem Vater aufrufenden Gottessohnes angebracht. Am Sockel dazu befinden sich die Reliefs der Gleichnisse vom verlorenen Sohn und vom barmherzigen Samariter. An der Kanzel ist ein Relief des Sämanns angebracht.

    Für die Feierkirche schuf Brumme die Bronzeplastik des Kruzifixus. Altar und Taufstein der Feierkirche aus weißem und violettem Marmor, die Altarausstattung der Predigtkirche aus violettem Marmor sowie die Tauf- und Abendmahlsgeräte sind ebenfalls nach Entwürfen des Künstlers ausgeführt worden. 1936 fertigte er noch die Sgraffitti Bergpredigt und Gethsemane links und rechts des Einganges zur Feierkirche.

    Die Glasmalerei entwarf größtenteils Odo Tattenpach (1905-53). In der Predigtkirche und den Treppenhäusern ist diese ungegenständlich, während sie in der Feierkirche in figürlicher Gestaltung das Leben Jesu zeigt und in einem Einzelfenster „Der Prophet in der Großstadt“. Die Sakristeifenster „Gleichnis vom Sämann“ entstanden 1931 nach Entwürfen von Curt Metze (1891-1976). 1973 wurde das nicht mehr reparaturfähig erscheinende Süd-, bzw. Kreuzfenster durch den Leipziger Künstler Matthias Klemm (* 1941) in abstrakter Farbigkeit neu gestaltet. Damit ist die bauzeitliche Ausstattung einschließlich der wiederhergestellten Farbigkeit, der Heizkörperverkleidungen und der Lampen fast vollständig vorhanden. An liturgischen Orten sind in der Predigtkirche nur Lesepult, Taufe und Osterleuchter hinzugefügt worden, die ursprünglich nicht vorgesehen waren.

  • Von der Idee zum Bau
    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Baustelle 1932 | Foto: Atelier Hermann Walter

    Leipzig-Gohlis | Versöhnungskirche | Baustelle 1932 | Foto: Atelier Hermann Walter

    Die Kirchgemeinde ist am 1. Januar 1913 gegründet worden. Wettbewerbsbedingungen für einen Kirchbau hatte der Kirchenvorstand bereits 1916 und 1918 formuliert. Zur Durchführung kam es erst 1928. Gefordert waren die Kirche mit großem Turm aus städtebaulichen Gründen und ein Pfarr- und Gemeindehaus. Der Altarraum sollte weniger tief als breit sein, der Orgelstandort war nicht vorgegeben, mit der Hauptkirche sollten Brauthalle und Feierkirche verbunden sein. Es beteiligten sich 52 Leipziger Architekten am Wettbewerb, zu dessen Preisrichtern auch Otto Bartning aus Weimar gehörte.

    Pfarrer D. Johannes Herz hatte sich intensiv mit den neuesten Entwicklungen des Sakralbaus beschäftigt und dem Architekten vor der Ausführungsplanung die Lektüre von Bartnings Schrift „Vom neuen Kirchenbau“ empfohlen. Die Pläne des Architekten Hans Heinrich Grotjahn, für den man sich in Leipzig-Gohlis schließlich entschied, mussten gegen die Bedenken des Landeskonsistoriums und des beratenden Vereins für kirchliche Kunst durchgesetzt werden. So konnten am 31. August 1930 der Grundstein gelegt und am 6. März 1932 die Einweihung gefeiert werden.

  • Der Architekt Hans Heinrich Grotjahn

    Hans Heinrich Grotjahn (1887-1962) erlernte das Maurerhandwerk in seiner Heimatstadt Hannover, besuchte zunächst die Baugewerkeschule Hildesheim und studierte ab 1905 Architektur an der Technischen Hochschule Stuttgart. Beruflich war er in Berlin, Stuttgart, München und Bozen für Verwaltungs-, Kultur-, Wohn- und Verkehrsbauten tätig. Von 1914-19 arbeitete er in den sächsischen Militärbauämtern und lebte seit 1917 in Leipzig.

    Starke Prägungen erhielt Grotjahn von der Reformarchitektur (Prof. Littmann), der Gartenstadtidee und der Heimatschutzarchitektur, bevor er sich über das Art déco, so sein Rathaus in Leipzig-Mölkau von 1925, dem Neuen Bauen öffnete. Da er seit 1933 keine öffentlichen Aufträge mehr erhielt, ließ er sich 1936 in Stuttgart nieder, der Heimatstadt seiner Frau.

  • Literatur (Auswahl)
    • Henrike Dietze/Dieter Michel/Sieghard Mühlmann (Hg.): Die Versöhnungskirche in Leipzig-Gohlis. Geschichte und Gegenwart eines Bauwerks der klassischen Moderne, hg. vom Förderverein Versöhnungskirche Leipzig-Gohlis e. V., Leipzig 2009.
    • Angelika Raulien: Versöhnungskirche Gohlis. Leipziger Gotteshaus 20 Jahre lang saniert – jetzt wird gefeiert, in: Leipziger Volkszeitung, 3. Mai 2016 , (12.5.2016)

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Frank Schmidt, Dresden (Beitrag online seit 05/2016)

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