Leipzig-Wiederitzsch
St. Gabriel
Georg-Herwegh-Straße 22
04158 Leipzig
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Bitte Schlüssel beim Pfarramt erfragen. Am Tag des offenen Denkmals geöffnet von 13.00 - 17.00 Uhr. Anschrift Pfarramt Pfarramt St. Georg
Hoepnerstraße 17
04157 Leipzig
0341 9120143
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Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: leipzig-st-georg.de/gottesdienste/.
Kirchen im Osten
Nur-Dach im Grünen
In einer Reihe mit Gärten und Einfamilienhäusern steht eine Nur-Dach-Kirche aus Betonfertigteilen. „Klein, aber oho“, denn der kleine Bau mit der großen (Außen-)Wirkung wird damals wie heute gerne hergezeigt: So schmückte die Kirche bereits 1969 den Titel des damaligen Standardwerks zum katholischen Bauen in der DDR „kirchbau heute“. Und auch bei der Ausstellung „Zwei deutsche Architekturen: 1949-1989“, die im Jahre 2004 insgesamt nur zwei Beispiele ostmoderner Kirchenarchitektur zeigte, durfte St. Gabriel nicht fehlen. Ein Gesamtkunstwerk, für das sich der Bildhauer Friedrich Press 1970 mit dem Architekten Peter Weeck zusammengetan hatte.
- ÜberblickOrt
Leipzig-Wiederitzsch
Bistum
Bistum Dresden-Meißen
Name der Kirche
St. Gabriel
Weihe
1970 (21. März)
Architekt
Peter Weeck
Künstler
Friedrich PressBesonderheit
Die Zeltkirche St. Gabriel wurde – als eine der ersten Kirchen in der DDR überhaupt - hauptsächlich aus Betonfertigteilen zusammengefügt.
Nutzung
Pfarrkirche
Standort / Städtebau
Im Leipziger Stadtteil Wiederitzsch, der durch den Siedlungsbau des frühen 20. Jahrhunderts geprägt wird, steht St. Gabriel in einer Reihe mit Gärten und Einfamilienhäusern. - Beschreibung
Grundriss
St. Gabriel erhebt sich auf einem rechteckigen Grundriss: Der Altarraum findet sich im Osten, nach Süden ist ein schmaler Funktionsbau mit Nebenräumen und dem Kirchenzugang angegliedert.
Außenbau
In Größe und Gestalt ist die Kirche mit Anbau und Pfarrhaus so in die umliegende Gartensiedlung eingebunden, dass sie zunächst kaum auffällt. Ungewohnt ist jedoch die Architektursprache, die durch ein steiles Pultdach aus doppelt gekrümmten und kassettierten Spannbetonschalen (HP-Schalen) geprägt wird. Von beiden Giebelwänden, die mit Sichtziegeln aufgemauert sind, bezieht sich die Straßenseite mit ihrem Relief auf das Patrozinium St. Gabriel. Nach Süden wird die Gebäudelangseite über dem eingeschossigen Funktionsbau durch eine durchgehende Profilglaswand abgeschlossen.
Innenraum
Der Innenraum, der im Profil einem Dreieck ähnelt, wird durch abstrakte Reliefgestaltungen geprägt. Im Spiel der Baustoffe steht das Grau des Betondachs neben dem Ziegelrot der Giebelwände. Altar und Tabernakel wurden aus Sichtbeton, die Bestuhlung aus hellem Holz gefertigt. Ungewöhnlich für den DDR-Kirchenbau dieser Zeit, verzichtete man auf eine feste Bebankung und gruppierte stattdessen eine freie Bestuhlung hufeisenförmig um den Altarbereich.
- Liturgie und Raum
Der Bauherr, Pfarrer Theobald Beer, beauftragte den Bildhauer Friedrich Press damit, eine Kirche zum Thema „Der wiederkommende Christus“ zu gestalten. Hierfür schuf Press mehrere abstrahierende Reliefs aus behauenen Ziegeln: An der äußeren dreieckigen Giebelwand werden die biblischen Motive „Verkündigung“ (der Geburt Jesu durch Gabriel an Maria) und „Ehe die Welt war“ (Christus) bzw. „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns sein Zelt aufgeschlagen“ verarbeitet. An der Giebel-Innenseite wird der Einzug in Jerusalem thematisiert: Jesus nähert sich dem Betrachter auf dem Palmesel auf Bodenniveau. An der 12 m hohen Altarwand interpretierte Press das Thema „Das Lamm auf dem Thron“ bzw. „Das Lamm vor dem Thron Gottes, der wiederkommende Christus“ nach der Offenbarung des Johannes. „So hat Friedrich Press in der Aufschlüsselung des Themas vom wiederkommenden Christus in diesen drei Bildern die Ewigkeit Christi zum Ausdruck gebracht: der da ist und der da war und der da kommt“ (Seifert 1969, 224).
- Ausstattung
Für die gesamte künstlerische Ausgestaltung zeichnet der Bildhauer Friedrich Press verantwortlich: Er entwarf das innere wie äußere Giebelrelief ebenso wie Altar, Tabernakel, Vorstehersitz und Altarkreuz. Aus Sichtbeton gefertigt, finden sich der Altar und die teilweise verglaste Tabernakelstele mit abstrahierter Dornenkrone auf der um eine Stufe erhöhten Altarinsel. Das als Liegekreuz gestaltete Altarkreuz wurde von der Dresdener Firma Pirner & Franz gegossen. Diese fast noch vollständig erhaltene bauzeitliche Ausstattung wurde später um ein Ewiges Licht und ein kleines Standkruzifix ergänzt.
- Von der Idee zum Bau
Ab 1942 erteilte ein katholischer Seelsorger in seiner Mietwohnung in Wiederitzsch auch Religionsunterricht. Die Gottesdienste fanden zunächst im Krankenhaus St. Georg, später in der evangelischen Kirche statt. Nach Kriegsende wuchs die kleine Gemeinde durch die Flüchtlingsströme an und konnte auf dem späteren Kirchengelände einige ehemalige Wehrmachtsbaracken zum Gemeindezentrum umnutzen. Als man in den 1960er Jahren einen Neubauplan aus Betonfertigelementen und Ziegeln zur Genehmigung einreichte, wurde dieser von den staatlichen Stellen abgelehnt: Die Kirchengemeinde solle stattdessen ihre Behelfsbauten reparieren. Die örtlichen Behörden befürchteten nämlich, dass der außergewöhnlich gestaltete Bau zu einem Wallfahrtsort werden könnte.
Doch geschickt nutzte die Gemeinde den Umstand, dass (Bau-)Holz damals in der DDR teuer und schwer zu beschaffen war: Als die sogenannten Holzverwendungsverbote im Bauwesen verbindlich wurden, ließ die Gemeinde von einem Ingenieur detailliert bescheinigen, dass für die Reparatur der Baracken mehr als 10 m³ Bretter und Kanthölzer benötigt würden. Damit ging man zwar in einen langwierigen aktenfüllenden Streit durch mehrere Instanzen der DDR-Bürokratie. Doch konnte am Ende die neue Kirche wie geplant errichtet werden.
- Der bildende Künstler Friedrich Press und der Architekt Peter Weeck
Der Bildhauer Friedrich Press (1904-90) studierte zunächst in Dortmund, Berlin und Dresden. Ab 1935 lebte er in Dresden und arbeitete nach 1945 hauptsächlich im kirchlichen Raum. Zwar hatte Press seinen Lebensmittelpunkt in der DDR, war jedoch weit darüber hinaus bekannt. So wurden z. B. bereits 1967 zwei seiner Konzepte für bundesdeutsche Kirchen verwirklicht. Während Press in der DDR vorwiegend die Umgestaltung von Kirchen begleitete, konnte er mit St. Gabriel an einem Neubauprojekt mitwirken.
Mit dem Hallenser Architekten Peter Weeck schuf er in Wiederitzsch eine „geistvolle Synthese“ (Stephan-von Finck 2008, 34) aus bauender und bildender Kunst. Nach seiner Ausbildung auf Burg Griebichenstein arbeitete Weeck (geb. 1937) für das Wohnungsbaukombinat Halle und für Herbert Müller (1920-95), einer der prominentesten Vertreter der HP-Schalenkonstruktion. Über „Schalenmüller“ kam Weeck in Kontakt zum Leipziger Theologen Theobald Beer (1902-2000) aus dem Umkreis des Leipziger Oratoriums und wandte für ihn die Müllersche HP-Schale auf den Kirchenbau St. Gabriel an. In den späten 1980er Jahren prägte Weeck eine der spätmodernen „Altstadtplatten“, die Wohnanlage am Domplatz in Halle (mit Wolf-Rüdiger Thäder, 1986-90).
- Literatur (Auswahl)
- Karin Berkemann: Peter Weeck, auf: Straße der Moderne (27.12. 2015).
- Jürgen Lenssen/Walter Zahner: Friedrich Press, Regensburg 2010, 254 f.
- Religiana.com: St. Gabriel Church, Leipzig
- Verena Schädler: Katholischer Sakralbau in der SBZ und in der DDR, Regensburg 2013, 38 f., 57 f., 98, 214-217, 302, 313.
- Siegfried Seifert, in: Kirchbau heute, Leipzig 1969, 224.
- Bärbel Stephan-von Finck: Der Bildhauer Friedrich Press (1904-1990) – Leben und Werk, in: Friedrich Press 1904-1990, hg. vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege, Berlin 2008, 19-38, hier: 34.
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.