Lemgo
Heilig Geist
Pideritstraße 12
32657 Lemgo
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
MO - SO: 9.00 Uhr - 18.00 Uhr Anschrift Pfarramt Pfarramt Heilig Geist Lemgo
Pidgeritstraße 12
32657 Lemgo
05261 4839
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Öffnungszeiten Pfarramt DI, FR: 9.00 – 12:30 Uhr
MI: 14.00 – 17.00 Uhr
tel. Erreichbarkeit: 9.00 - 16.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die Gottesdienstzeiten können online abgerufen werden unter: www.pv-lippe-detmold.de/kirchorte/heilig-geist-lemgo/kalender-termine.html
Kirchen im Westen
Zugang über Andock-Schleuse
Heilig Geist wirkt futuristisch, fremd, nicht von dieser Welt. Fast wie ein gewaltiges Raumschiff steht diese Kirche da – und macht neugierig. Zwei Andock-Schleusen dienen als Eingänge. Sie haben am Kirchenbau festgemacht. Landungsstege und leichte Landungstreppen sind vorgeschoben und laden zum Betreten ein. Die Schleusen zeigen eine technische Oberfläche aus geometrischen Reliefs in Stegen und Rahmungen, in Rechtecken und Kreisen. Öffnungen sind nicht zu sehen. Man ahnt Türflügel, deren Beweglichkeit durch Körperkraft aber zweifelhaft erscheint. Die beiden Schleusenmodule sind gut befestigt. Sie können nicht abdriften. Dies suggerieren aufgemalte Bänder in Weiß und in Blau, welche die Gebäudeteile miteinander verklammern. Das, was der Außenbau an Formen, Farben und Zeichen anklingen lässt, wird im Inneren konsequent weitergeführt. Als Besucher weiß ich: Hier kann ich mich ganz und gar in eine andere Welt einschleusen lassen.
- ÜberblickOrt
Lemgo
Bistum
Erzbistum Paderborn
Name der Kirche
Heilig Geist
Weihe
1968 (27. Juni)
Architekt
Joachim-G. Hanke
Künstler
Otto Herbert HajekBesonderheit
Strenger Zentralbau mit diagonaler Innenstruktur und verdecktem Lichteinfall sowie mit einer konstruktivistischen Ausstattung.
Nutzung
Katholische Pfarrkirche der Stadt Lemgo
Standort / Städtebau
Eckgrundstück in heterogener städtebaulicher Umgebung mit Kirchturm an der Straßenecke und leicht erhöhtem Kirchplatz, die kirchlichen Nebenbauten aus der Hand des Architekten. - Beschreibung
Außenbau
Auf den ersten Blick scheint eine Beschreibung der Kirche Hl. Geist wenig aufwendig: Es handelt sich um einen schmucklosen, quadratischen, hohen und fensterlosen Baukörper aus rotem Backstein, ergänzt um einen niedrigen Nebenbau und um den Turm an der Straßenecke. Städtebaulich ergibt sich mit Pfarrhaus, Gemeindehaus und Kindergarten ein Ensemble. Bereits ein zweiter Blick irritiert, treten doch auf allen vier Seiten der Kirche hohe Balkenköpfe aus dem Mauerwerk. Diese Stahlbeton-Balken laufen schräg in die Wände. Sie bilden zusätzlich in der Mitte jeder Seite je eine eckige Kerbe im Mauerwerk.
Innenraum
Das quadratische Gebäude ist ein großer Einheitsraum mit dem Altar in der nordöstlichen Ecke. Im Raum stehen vier Betonstützen, die jedoch wenig auffallen. Das liegt an ihrer Position: Sie stehen mittig vor den vier Außenwänden und gar nicht weit entfernt von diesen. Sie unterstützen vier diagonal über den Grundriss geführte Hauptträger, die beim Einlaufen in die Außenwände die erwähnten Kerben bilden. So ergeben sich in der Decke ein diagonal gestelltes mittleres Quadrat sowie vier Eckflächen in den Winkeln. Diese fünf Abschnitte sind alle von schmalen und hohen Betonträgern in gleichmäßigen Intervallen überbrückt. Ergebnis ist ein diagonales Tragsystem in einem orthogonalen Raum. Schon von außen veranschaulichen die schräg vortretenden Balkenköpfe diese beiden Ordnungen.
Im Inneren werden sie zusätzlich durch die Lichtführung verbunden. Dazu dient ein Lichtband über den diagonalen Hauptträgern. Durch einen Versatz in der Deckenfläche fällt Licht über die vier Eckwinkel von oben in den Raum. Dies führt zu einer gleichmäßigen Ausleuchtung der Innenseiten der vier Außenwände. Vortretende Mauersteine in einem regelmäßigen Raster veranschaulichen den Lichteinfall zusätzlich in ihrem Schattenwurf.
- Liturgie und Raum
Hl. Geist in Lemgo interpretiert eines der großen Themen des Kirchenbaus: Der strenge Zentralbau (Versammlung) wird ergänzt durch eine gerichtete Struktur (Ausrichtung zum Altar). Schon in der diagonalen Decke ergibt sich durch die Lage der Betonträger im mittleren Feld eine bevorzugte Richtung. Diese Ausrichtung wird zusätzlich unterstützt durch die leicht fallende Bodenfläche, durch eine um drei Stufen angehobene Altarzone von geräumigem Zuschnitt und durch eine Stufenanlage in der gegenüberliegenden Ecke. Diese rückseitigen Stufen dienen zur Aufstellung eines Chores und führen zum leicht erhöhten Standort der Orgel.
Auch die Lage der beiden Eingänge in der Mitte zweier Außenwände unterstützt die innere Orientierung des Raums. Das in fünf Blöcken aufgestellte Gestühl bildet einen Viertelkreis. Es konzentriert den Raum auf die Altarzone in einer Ecke des Grundrisses. Ergebnis ist ein kompakter und geometrisch bestimmter einheitlicher Kirchenraum der ersten Jahre nach dem Konzil. Die Altarzone, in der die liturgischen Orte Altar, Ambo, Vorstehersitz und Tabernakel als gestalterisch eigenwertige Objekte zur Geltung gelangen, ist nur mäßig erhöht und erscheint auf diese Weise als Teil des Gesamtraumes.
- Ausstattung
Liturgische Orte
Die liturgische Ausstattung ist in Sichtbeton hergestellt und folgt einer plastischen, geometrisch bestimmten Formgebung. Der Ambo umfasst ein freies Relief aus nach unten weisenden Stegen mit einem aufgemalten blauen Dreieck. Er veranschaulicht das Glaubenswirken des Hl. Geistes im verkündeten Wort. Der Tabernakel, zwei offene Rahmungen, dazwischen der Schrein mit einer roten Raute, verbildlicht das Liebeswirken des Hl. Geistes im gewandelten Brot. Dazwischen gewinnt der kleine Altar auf vier Stützen bestimmenden Charakter, jedoch nur zusammen mit Retabel und Wandmalerei. Das Retabel hinter dem Altar besteht aus einem Balkenwerk aus Stahlbeton. Gestaltet ist eine offene Raute, die von fünf vertikalen Stegen geschnitten wird. Diese Geometrie interpretiert die Struktur des Kirchenbaus und ist teilweise farbig gefasst. Seit 2023 verfügt die Kirche mit einer original Kino-Orgel aus der Stummfilmzeit über ein ganz besonderes Instrument. Die Wurlitzer Style D aus dem Jahr 2024 kam aus den USA nach Lemgo und wurde fachmännisch in die Kirche eingebaut.
Malereien und Farbsymbolik
Bei der rückseitigen Farbflächenmalerei handelt es sich um eine offene goldfarbene Raute in der Raumecke. Sie ist höher als das Retabel auf die Wandfläche gemalt und wird in den unteren Konturen von einem roten und einem blauen Streifen begleitet. Diese drei Farben liegen nicht allein auf den rückseitigen Wandflächen. Sie sind zusätzlich und in derselben Geometrie auf dem Balkenwerk des Retabels zu sehen. Schließlich finden sich auf der Wand zwei große gelbe Balken, weit entfernt von der Goldraute, aber parallel zu ihr. Sie markieren den Altarbezirk und greifen seitlich zu den Standorten von Ambo und Tabernakel.
Raute und Goldfarbe können für Gott stehen, die blaue Farbe für den Glauben (Ambo) und die rote Farbe für die Liebe (Tabernakel). Ergänzend möchte man in den gelben Bändern die dritte der Tugenden, die umfassende Hoffnung, verbildlicht sehen. Ein zusätzliches gelbes Band umläuft auch den Kopf des Turmes, der drei Manschetten aus konstruktivistischen Reliefs in Sichtbeton aufweist.
- Von der Idee zum Bau
Die Stadt Lemgo im früheren Fürstentum Lippe besitzt eine beeindruckende historische Altstadt mit St. Nicolai und St. Marien, die heute evangelisch sind. Katholiken konnten sich erst verstärkt im 19. Jahrhundert in Lemgo ansiedeln. 1846-1847 entstand ihre Pfarrkirche St. Bonifatius (Turm von 1912). Nach dem Zuzug vieler Ostvertriebener wurde sie jedoch zu klein. Die neue Kirche Hl. Geist nördlich der Altstadt sollte nach Vorstellung des Kirchenvorstandes ausdrücklich „ein würdiges Zeugnis der Gegenwart“ darstellen, das in Anspruch und zeitgenössischer künstlerischer Qualität neben den beiden historischen Kirchen bestehen kann. Der Bauauftrag wurde ohne Wettbewerb vom örtlichen Kirchenvorstand vergeben.
- Der Architekt Joachim-G. Hanke und der Gestalter Otto Herbert Hajek
Die Bauaufgabe ging an einen regionalen Architekten, der durch zeitgemäße Kirchenbauten aufgefallen war. Joachim-G. Hanke wurde 1931 in Bielefeld geboren, war Schüler der Bielefelder Werkkunstschule bei Prof. Paul Griesser, vervollständige seine Ausbildung an der Technischen Hochschule Stuttgart und arbeitete folgend in Stuttgarter Architekturbüros. Nach der Gründung eines eigenen Büros war er im Alter von 27 Jahren bei einem Wettbewerb für den Bau der Kirche St. Liborius in Bielefeld erfolgreich. In der Folgezeit beschäftigte sich Hanke fortlaufend mit Kirchenbauten. Dabei spielten Zentralbauten und diagonale Ordnungen schon vor der Planung in Lemgo eine Rolle. Zu nennen sind St. Kilian in Paderborn, ein Rundbau mit gerichteter innerer Struktur, und St. Laurentius in Löhne, ein versetztes Quadrat mit diagonaler Ordnung.
Neben dem Architekten wirkte in Hl. Geist in Lemgo als zweiter Gestalter Otto Herbert Hajek (1927-2005), der architektonisch arbeitete und die Planungen von Hanke künstlerisch entwickelte. Auf ihn gehen sämtliche Reliefarbeiten, die Zugangsschleusen, die liturgischen Orte und die Farbflächen-Malerei zurück. Der an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste als Bildhauer ausgebildete Hajek erntete nach dem Studium Anerkennung mit Reliefs in St. Aurelius in Hirsau. Sein bekanntestes Werk ist der Kreuzweg in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Berlin-Plötzensee. Zusammen mit Architekt Hanke realisierte er im ostwestfälischen Bünde die Kirche St. Josef mit umfangreicher Farbflächen-Malerei.
- Literatur (Auswahl)
- Marianne Bonney: 25 Jahre Heilig-Geist-Kirche Lemgo, konsekriert am 30. Juni 1968 o. O. ca. 1979.
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen II, Westfalen, Berlin-München 2011, 541.
- Markus Jonas: Wie eine Wurlitzer-Orgel in die Kirche kam, in: Der Dom online vom 18.06.2023.
- Dekanat Lippe (Hg.): Katholische Kirche in Lippe. 100 Jahre Dekanat 1892-1992. Berichte, Bilder, Dokumente aus der Geschichte, Schlangen 1992, 79-80.
- Heinrich Otten: Der Kirchenbau im Erzbistum Paderborn 1930-1975 (Studien und Quellen zur westfälischen Geschichte, Bd. 60), Paderborn 2009, 145-147 sowie 310-311.
- Josef Rüenauver: Der neue Kirchenbau im Erzbistum Paderborn 1948-1967. Bild-Dokumentation, in: das münster 20.1967, 81-144, hier besonders 139.
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.