Mainz

Heilig Kreuz

Anschrift Kirche
Weichselstraße 60
55131 Mainz
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche ca. 9.00 - 18.00 Uhr
    Anschrift Pfarramt Katholisches Pfarramt Heilig Kreuz
    Weichselstraße 60
    55131 Mainz
    06131 52674
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    Öffnungszeiten Pfarramt DI: 9.00 - 10.30 Uhr
    MI: 14.00 - 16.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche SO: 10.00 Uhr
    aktuelle Gottesdienstzeiten online im Gemeindebrief "Die Brücke": www.bistummainz.de/mainz-oberstadt
    Kirchen im Südwesten

Ein Irrtum?

„Irrig ist die weitverbreitete Meinung, daß eine zentrale Aufstellung des Altars inmitten der gläubigen Gemeinde anzustreben sei …“ So hieß es in den 1949 erschienen Richtlinien der „Liturgischen Kommission“ der Fuldaer Bischofskonferenz. Doch Richard Jörg gelang es in Mainz, das Gegenteil zu beweisen: Er baute „die erste reine katholische Zentralkirche“ Deutschlands (Hugo Schnell), deren raffinierte Konstruktion aus Stahlbeton und Glasbausteinen den Blick hinauf zur Kuppel lenkt, die den Raum erhellt. Die Plätze der Gemeinde sind angeordnet wie in einem antiken Theater. Der Altartisch ist ganz klar der Mittelpunkt der Versammlung und weist doch über sich hinaus. Wie unter einem Baldachin steht er im Zentrum der Kuppel, die den Himmel auf die Erde holt. Damit ist die Heiligkreuzkirche ein außergewöhnlicher moderner Bau, der souverän mit Anklängen an die Tradition umzugehen weiß. Kein Irrtum.

  • Überblick
    Ort
    Mainz

    Bistum
    Bistum Mainz

    Name der Kirche
    Heilig Kreuz

    Weihe
    1954 (25. April)

    Architekten
    Richard Jörg, Bernhard Schmitz

    Künstler
    Paul Meyer-Speer, Lioba Munz, Hermann Volz
    Besonderheit
    Die Heilig Kreuz Kirche ist im Bereich des katholischen Kirchenbaus der erste reine Zentralbau des 20. Jahrhunderts in Deutschland.

    Nutzung
    Pfarrkirche der Gemeinde Heilig Kreuz innerhalb der Pfarrgruppe "Katholische Kirchen in der Oberstadt"

    Standort / Städtebau
    Südwestlich der Altstadt von Mainz, im Vorort Mainz-Zahlbach liegt die Kirche in einer Siedlung, die mit der Gartenstadtbewegung nach dem Ersten Weltkrieg entstand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie eine neue Heimat für Flüchtlinge und erhielt den Namen "Schlesisches Viertel".

  • Beschreibung

    Grundriss

    Mainz | Heilig Kreuz | Grundriss

    Mainz | Heilig Kreuz | Grundriss

    Der Grundriss zeigt einen Zentralraum. Um den kreisrunden Altarbereich legt sich im Westen ein Fünf-Achtel-Ringsegment: der Raum der Gemeinde. Damit erinnert der Grundriss an ein antikes Theater. Im Bereich der erhöhten Altarinsel zeichnen sich die vier paarweise im Norden und im Süden angeordneten Stützen ab. Der an der Südostseite des Vorplatzes geplante Turm kam nicht zur Ausführung.

     

    Außenbau

    Mainz | Heilig Kreuz | Außenbau | Foto: Marcel Schawe

    Mainz | Heilig Kreuz | Foto: Marcel Schawe

    Die Kirche liegt auf einem etwa trapezförmigen Grundstück, das von drei Straßen umfasst ist. Der Zugang erfolgt über einen begrünten Vorplatz; er wird durch zwei Mauern und die jeweiligen Wege entlang der Trapezschenkel gerahmt. An der breiten Basisseite des Trapezes erhebt sich die klar symmetrisch gegliederte Fassade. Sie wird dominiert von der zentralen Kuppel (14 Meter hoch) und dem darüber aufgerichteten Kreuz, umgeben vom etwa die halbe Höhe erreichenden Gemeinderaum.

    Die Umfassungsmauern des Vorplatzes erinnern an die sammelnde Wirkung, wie sie etwa bei den Kolonnaden von St. Peter in Rom zu beobachten ist. Sie führen direkt zu den beiden Zugängen zum Kirchenraum und den seitlich davor liegenden Abgängen zur Unterkirche. Inmitten der Fassade, unterhalb der Kuppel wird der Raum von sieben Portalen durchbrochen, die zu besonderen Gelegenheiten zum Vorplatz hin geöffnet werden können. Die geschlossene Rückwand des Gemeinderaumes beschreibt einen Fünf-Achtel-Kreisbogen und ist durch 14 Wandvorlagen gegliedert. Die so sichtbare Konstruktion eines Betonrippen-Skeletts aus Halbrahmen lassen an gotische Strebepfeiler denken.

     

    Innenraum

    Mainz | Heilig Kreuz | Innenraum | Foto: Marcel Schawe

    Mainz | Heilig Kreuz | Foto: Marcel Schawe

    Durch die seitlichen Portale gelangt man in den niedrigen Gemeinderaum, dessen Decke zum zentralen Kuppelbau hin ansteigt, während der Boden zu den Altarstufen leicht abfällt. Die flache Kuppel, deren Durchmesser dem der obersten Altarebene entspricht, wird von vier filigranen Stahlbetonstützen getragen, die im Norden und Süden der Altarinsel paarig angeordnet sind. Dadurch bleibt der Blick auf den Altar vom Gemeinderaum her frei und unverstellt. Von der Kuppel sind drei Stahlbetonringe abgehängt, deren Innendurchmesser nach unten hin den jeweils darüber liegenden Außendurchmesser aufnimmt. Die sich ergebenden Zwischenräume sind mit Glasbausteinen ausgefacht. Die tragenden Anker sind so in die transluzente Konstruktion eingebunden, dass diese nahezu zu schweben scheint. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass die drei rundumlaufenden Lichtbahnen die einzige natürliche Belichtung des Raumes bilden.

  • Liturgie und Raum
    Mainz | Heilig Kreuz | Gemeinderaum | Foto: Marcel Schawe

    Mainz | Heilig Kreuz | Gemeinderaum | Foto: Marcel Schawe

    Die Heiligkreuzkirche stellt eine außergewöhnliche Variante des gottesdienstlichen Zentralraums dar. Gebaut ist das Bild der sich um den Altar versammelnden Gemeinde in einem Einheitsraum, der zugleich klar gegliedert ist – durch die Stufen, die den Altarraum erhöhen und die Kuppel, die wie ein „Baldachin“ (Richard Jörg) den Altar überspannt. Johannes van Acken, ein Vertreter der Liturgischen Bewegung, schrieb in seinem 1922 veröffentlichten programmatischen Büchlein „Christozentrische Kirchenkunst“: „Der Altar als der mystische Christus soll der Ausgangspunkt und gestaltende Mittelpunkt des Kirchenbaus und der Kirchenausstattung sein.“

    Richard Jörg gelang es aber zugleich, dass der Altar nicht nur Zielpunkt ist, sondern auch die vermittelnde Funktion Christi sichtbar macht – zu Gott und zur Welt: Gegenüber der Gemeinde tun sich sieben hohe Tore auf und öffnen sich zur Welt, sind die 14 schlanken Torflügel geschlossen, umstehen zwölf Engel (Darstellung entworfen von Peter Paul Etz) den Altar und verbinden die Gemeinde mit der himmlischen Liturgie. Nach oben wird der Blick – über das Kreuz – zur Kuppel gelenkt, die auch durch ihre farbliche Gestaltung auf den dreifaltigen Gott hinweisen will.

    Die Liturgiereform des Konzils ermöglichte die Zelebration zur Gemeinde hin, der freistehende Altar ließ dies zu. Lediglich die Aufstellung des Tabernakels wurde verändert. Nachdem man den Ambo erstmals 1964 in einem römischen Reformdokument erwähnt hatte, wurde ein solcher in Mainz in die ursprüngliche Konzeption eingefügt: in der zentralen Achse vor dem Altar inmitten der Gemeinde. Die heutige Ausstattung (Ambo, Sedilien und Kredenz aus Edelstahl) nach einem Entwurf von Wilhelm Jungherz stammt von 1994.

  • Ausstattung
    Mainz | Heilig Kreuz | Gemeinderaum | Foto: Marcel Schawe

    Mainz | Heilig Kreuz | Foto: Marcel Schawe

    Die farbliche Gestaltung des Innenraums wurde von Paul Meyer-Speer (1897–1983) konzipiert. Die radial verlaufenden Farbflächen der Kuppel und der Ringe nehmen die Struktur des Betons auf. Zielpunkt ist die blaue Kuppel mit dem smaragdenen Kuppelring (Gott-Vater), vermittelt durch den gelb-gold-schimmernden Ring (Gott-Sohn) und davon ausgehend der sich nach unten absenkende rötliche Strahlenkranz (Heiliger Geist). Diesen Eindruck vermittelt auch die 2005 durch Eberhard Münch erneuerte Farbfassung.

    Kurze Zeit nach der Weihe kam das über dem Altar hängende Kreuz, ein Werk von Lioba Munz (1913–97), in die Kirche. Auf dem Metallkreuz mit Emaille-Arbeiten und Schmucksteinbesatz wird der Gekreuzigte als Sieger über Tod und Sünde dargestellt – u. a. durch alttestamentliche Verweise auf seine Lebenshingabe: Abraham ist bereit, seinen Sohn Isaak hinzugeben (Nordseite). Auf Geheiß des Engels opfert er den Widder (Gen 22,1-19).

    Mainz | Heilig Kreuz | Madonna | Foto: Marcel Schawe

    Ebenfalls alttestamentliche Bezüge zeigen die Schmuckfelder über den Eingangstüren (Sgrafitto und Mosaik von Peter Paul Etz): im Süden (zu den Lesungen vom Patronatsfest Kreuzerhöhung, 14. September) die kupferne Schlange an der T-förmigen Stange (Num 21,4–9) als schon im Neuen Testament bezeugte Analogie zum Kreuzestod Jesu (Joh 3,14–15) und über dem Nordportal ein waagerechtes Schwert über den mit Blut bestrichenen Türpfosten und dem Paschalamm (Ex 12), was als Verweis auf das eucharistische Mahl gelten kann. Bemerkenswert ist die 1961 von Hermann Volz (1923–85) geschaffene und am nördlichen Kuppelpfeiler angebrachte Muttergottesfigur.

  • Von der Idee zum Bau
    Mainz | Heilig Kreuz | Baustelle in den 1950er Jahren | Foto: Katholische Kirchengemeinde Heilig Kreuz, Mainz

    Mainz | Heilig Kreuz | Baustelle in den 1950er Jahren | Foto: Katholische Kirchengemeinde Heilig Kreuz, Mainz

    Schon 1938 war die Pfarrei errichtet worden. Oberbaurat Richard Jörg, der der Gemeinde angehörte, übernahm 1951 die Planung des Neubaus. Hinzu kam als Statiker Fritz Grebner. Für die außergewöhnliche Form eines Zentralraums mussten zunächst Domkapitel und Bischof gewonnen werden. Der aufgeschlossene Bischof Dr. Albert Stohr stimmte zu und legte am Pfingstsonntag 1953 den Grundstein. Dies ist bemerkenswert, denn noch vier Jahre zuvor hatte die Liturgische Kommission der Bischofskonferenz, der auch Stohr seit ihrer Errichtung 1940 angehörte, Richtlinien verabschiedet. Darin wurde einer zentralen Aufstellung des Altars sowie dem Zentralbau eine Absage erteilt.

    Jörgs Mitarbeiter Bernhard Schmitz übernahm die Bauleitung. Am Weißen Sonntag 1954, dem 25. April, wurde die Kirche geweiht. Nach dem Konzil kam der Tabernakel vom Altar auf die Seite des Chorraums. 2001/02 wurde die Unterkirche durch Schmitz fertiggestellt, ein Ort der Kontemplation, der den Feierraum ergänzt. Umfangreiche Sanierungsarbeiten dienten dem Erhalt. Zuletzt wurde 2009/10 die Kamp-Orgel (Aachen 1958) restauriert und erweitert.

  • Der Architekt Richard Jörg

    Richard Jörg, geboren 1908 in Karlsruhe, war von 1947 bis 1952 Leiter des Hochbauamtes der Stadt Mainz. Vordringlichste Aufgabe war der Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt. Einen Namen machte sich Jörg mit der Wiederherstellung des bedeutenden durch Georg Moller 1833 errichteten Stadttheaters. Vermutlich gingen von diesem Bau mit seinen Bezügen zum griechischen Theater, das die Zuschauer im Rund und nicht gegenüber einer Guckkastenbühne anordnete, Impulse für Jörgs Pläne zum Bau seiner ersten Kirche aus. Noch ehe der Bau begann, wechselte Jörg als Stadtbaudirektor nach Mannheim und übertrug die Bauleitung an den Mainzer Architekten Bernhard Schmitz. So sind die Pläne bezeichnet mit „Architekten Jörg, Schmitz“. Jörg baute noch weitere Kirchen u. a. in Mannheim. Er starb 1992 in Konstanz.

  • Literatur (Auswahl)
    • Werner Durth/Niels Gutschow: Architektur und Städtebau der Fünfziger Jahre (Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz Bd. 33), Bonn 1987, 108.
    • Joachim Glatz: Heilig Kreuz in Mainz. Ein idealer Zentralraum, in: Rheinische Heimatpflege 45 (3/2008) 185–196.
    • Barbara Kahle: Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1990, 104–109.
    • Kirchenbau der Gegenwart in Deutschland. Ausstellung anläßlich des Eucharistischen Weltkongresses, München 28. Juli bis 30. September 1960, München/Zürich 1960.
    • Heike Lehrbach: Heilig Kreuz Kirche im Schlesischen Viertel, in: Jürgen Nikolay (Hg.), Mainzer Kirchenführer – Entdeckungen in katholischen Kirchen in und um Mainz, Ingelheim 2004, 114 f.
    • Karin Leydecker/Enrico Santifaller: Baustelle Heimat. Architekturführer Rheinland-Pfalz 1945–2000, Regensburg 2005, 198 f.
    • Andreas Poschmann: 1954 Mainz, Heilig Kreuz, in: Birgit Kita/Andreas Poschmann (Hg.), AUF EWIG. Moderne Kirchen im Bistum Mainz, Regensburg 2016, 66-91.
    • Hugo Schnell: Die neue Kirche Hl. Kreuz in Mainz von Richard Jörg, in: das münster 8.1955, 21­–32.
    • Hugo Schnell: Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in Deutschland, München/Zürich 1973, 92.
    • Angela Schumacher u. a. (Bearb.): Stadt Mainz. Stadterweiterungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz Bd. 2.1.), hg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Düsseldorf 1986, 1997, 2. Auflage, 140–142.
    • Theater. Neubau. Zurück zur Loge, in: Der Spiegel, 15. Oktober 1952, 26–30.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Andreas Poschmann, Trier (Beitrag online seit 04/2017)