Mechernich-Wachendorf

Bruder-Klaus-Kapelle

Anschrift Kirche
Iversheimer Straße
53894 Mechernich-Wachendorf
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite

    Sommerzeit: täglich 10.00 Uhr - 17.00 Uhr
    Winterzeit: täglich 10.00 Uhr - 16.00 Uhr

    Anschrift Pfarramt Stiftung Andachtsstätte Nikolaus von der Flüe
    Heidehof
    53894 Mechernich-Wachendorf
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    Kirchen im Westen

Der Weg heraus nach innen

Die Annäherung an die Bruder-Klaus-Kapelle geschieht von innen. Was physisch nicht möglich ist, wird zur Gewissheit, wenn man in dem hermetischen Heiligtum Einkehr hält. In dem Moment, da man zwischen den meterstarken Betonwänden steht, findet man sich inmitten einer Landschaft wieder. Subjekt dieser Landschaft ist der die Stille und Abgeschiedenheit suchende Mensch – sein Gegenüber ist der Himmel! Kaum ein anderes sakrales Bauwerk dürfte so eindrücklich die totale Umschließung des Körpers mit der völligen Öffnung von Geist und Sinn verbinden wie dieses. Kaum ein anderes Bauwerk vermittelt auf engstem, fensterlosem Raum solche Geborgenheit und Weite. Wer die innere Bereitschaft zu solcher Weite mit sich bringt, wird hier reich beschenkt.

  • Überblick
    Ort
    Mechernich-Wachendorf

    Bistum
    Erzbistum Köln

    Name der Kirche
    Bruder-Klaus-Kapelle

    Weihe
    2007

    Architekt
    Peter Zumthor
    Besonderheit
    Die privat gestiftete Kapelle wurde von den Bauherren und Freunden weitgehend in Eigenarbeit errichtet. Der Architekt entwickelte über die intensive Auseinandersetzung mit dem heiligen Niklaus von Flüe und dem Standort der Kapelle ein intimes, ganz individuell zugeschnittenes Heiligtum.

    Nutzung
    Feld- und Pilgerkapelle

    Standort / Städtebau
    Die Kapelle befindet sich etwas oberhalb der Ortschaft Wachendorf auf der offenen Flur und ist nur zu Fuß über einen etwa 1,3 km langen Feldweg zu erreichen.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Foto: Wolkenkratzer, CC-BY-SA 4.0

    Wachendorf | Bruder Klaus Kapelle | Foto: Wolkenkratzer, CC-BY-SA 4.0

    Bereits der Grundriss ist vom Kontrast geprägt. Die innere Grundgestalt wird durch ein uterales organisches Gebilde mit absatzlos angefügtem und sich weitendem schlauchähnlichem Ausgang gebildet. Radial im eigentlichen Kapellenraum und im Gang parallel geführte Schraffuren deuten die Faltenstruktur eines kleinen, stützenlosen Raumes an. Der äußere Grundriss erscheint als Fünfeck mit vier stumpfen und einem spitzen Winkel, ähnlich dem Aufriss eines natürlich gewachsenen Bergkristalls. Im spitzen Winkelbereich, also im Kristallkopf, liegt der Ausgang. Zwischen äußerem und innerem Grundriss liegen massive, teils die Raumbreite messende Wände.

     

    Außenbau

    Wachendorf | Bruder Klaus Kapelle | Foto: S. Angerhausen

    Der Außenbau erscheint von weitem als silohafter monolithischer Block. Beim Näherkommen erweisen sich die Wände aber als recht belebt. Insgesamt 24 Tagwerke waren angesetzt, um die Kapelle im traditionellen Stampfbetonverfahren aufzuschichten. Die Nähte zwischen den einzelnen Schichtkampagnen lassen sich deutlich ablesen. Durch Beimengung von ortsnahem Flusskies sowie rötlichem und weißem Sand entstand eine rauhe, zwischen Sandgelb und Rotocker changierende, schlierenhafte Wandoberfläche. Parallel zu den Nähten weisen die Wände enge röhrenartige Lochlinien auf. Das sind die belassenen Bundöffnungen, die mit Einbringen der Verbindungen zwischen äußerer und innerer Schalung für den Sichtbetonbau entstanden waren.

    Das unregelmäßige Grund-Fünfeck lässt den flachgedeckten Bau von jeder Seite anders proportioniert erscheinen. An den drei rückwärtigen Seiten (vom Eingang betrachtet) ist die unterste Betonschicht zu einem deutlich vorspringenden Sockel verbreitert. Am Eingang befindet sich ein hohes dreieckiges und ohne Verbindung zum Mauerwerk, nur auf einem Bodenzapfen sich drehendes Portal. Erst jetzt entdeckt der Besucher das zarte griechische Metallkreuz über dem Eingang.

     

    Innenraum

    Mechernich-Wachendorf | DLI

    Wachendorf | Bruder Klaus Kapelle | Foto: © S. Angerhausen, Trier

    Hinter dem Portal beginnt ein höhlenartiges Gebilde. Der niedrige gewundene Gang im Innern lässt zunächst keinen Blick in den eigentlichen Kapellenraum zu. Die rußgeschwärzten, geriffelten Stollenwände, an denen Brandgeruch haftet, laufen oben im spitzen Winkel aufeinander zu. Nach wenigen Metern weitet sich der Stollen zu einem hohen zeltartigen Raum. Die Bundöffnungen der auch hier tief geriffelten Brandwände wurden mit Glaspfropfen geschlossen; das matt durchscheinende Licht lässt an ein Sternenzelt denken. Den Zenit des Raums bildet ein tropfenförmiges Opaion (runde Lichtöffnung im Scheitel einer Kuppel). Es gibt den Blick auf den Himmel frei. Je nach Witterung fällt Regen in die Kapelle, tropft von den schrägen Wänden wie von Felsvorsprüngen oder läuft an ihnen herab. Auf dem wie schlackenartig ausgegossenen Zinnbleiboden entsteht dann ein kleiner See, in dem sich die Wolken spiegeln.

  • Liturgie und Raum
    Mechernich-Wachendorf | DLI

    Wachendorf | Bruder Klaus Kapelle | © S. Angerhausen, Trier

    Die privat gestiftete Bruder-Klaus-Kapelle ist eine Feld- und Pilgerkapelle. Sie dient ausschließlich der individuellen Andacht und ist kein gottesdienstlicher Gemeinschaftsraum. Die Kapelle benötigt deshalb keinen Altar. Eine Sitzbank, ein Kerzenständer und ein Ständer für Opferkerzen sind die einzigen „Möbel“. Der ganz auf das stille Gebet ausgerichtete Bau entspricht insofern einerseits dem Eremitentum ihres Patrons, des Schweizer Mystikers Niklaus von Flüe (1417-1487). Anderseits unterscheidet er sich dadurch aber auch von den traditionellen Feldkapellen. Ihrer Funktion nach lässt sich die Bruder-Klaus-Kapelle eher mit einem begehbaren Heiligenhäuschen vergleichen.

  • Ausstattung

    Die Kapelle birgt eine amorphe Bronzebüste auf hohem schlankem Sockel. Die Büste stammt vom Schweizer Bildhauer Hans Josephson (1920-2012). Josephsons Schaffen galt ganz der menschlichen Gestalt. Aus Gips fertigte er mit Hand, Spachtel und Beil rohe, die Figuren mehr andeutende Modelle. Die fertigen Güsse lassen die Spuren dieser groben Arbeit erkennen, sie wirken wie Gestaltungen aus einem Vorzustand der Schöpfung. Auf der Suche nach einem Bildnis für die Kapelle entdeckten das Stifterpaar und der Architekt die in Eigenauftrag entstandene, namenlose Büste in Josephsons Atelier. Die Ähnlichkeit mit frühen Darstellungen des Niklaus von Flüe war Anlass, sie als Bruder-Klaus-Büste in die Kapelle aufzunehmen.

    Mechernich-Wachendorf | DLI

    Wachendorf | Bruder Klaus Kapelle | © S. Angerhausen, Trier

    Stirnseitig befindet sich in Augenhöhe ein Radzeichen an der Wand. Drei von sechs, pfeilartig sich verjüngende Speichen des Rades sind mit der Spitze zur Nabe, die übrigen zur Felge gekehrt. Bruder Klaus hatte gemäß einer Gottesvision ein solches Zeichen als abstrakte Anschauung der Trinität in seiner Klause: Vom dreifaltigen Gott geht alles aus, es strebt aber auch alles dorthin. Den Messingguss in Wachendorf entwarf Peter Zumthor.

  • Von der Idee zum Bau

    Wachendorf | Bruder Klaus Kapelle | Foto: S. Angerhausen, Trier

    Stifter der Kapelle sind die Landwirte Hermann-Josef und Trudel Scheidtweiler aus Mechernich-Wachendorf. Das Ehepaar fasste 1998 den Entschluss, „aus Dankbarkeit für ein gutes und erfülltes Leben“ auf eigenem Grund eine Kapelle zu Ehren des heiligen Niklaus von Flüe zu errichten. Bruder Klaus ist der Patron der Katholischen Landjugend, welcher die Scheidtweilers seit Jahrzehnten verbunden sind. Auf der Suche nach einem Architekten stießen sie auf den Schweizer Peter Zumthor, der in Köln gerade den Bau des Diözesanmuseums „Kolumba“ vorbereitete. Ein mutiger Brief und der Umstand, dass Niklaus von Flüe auch der Lieblingsheilige der Mutter Zumthors war, brachten Architekten und Bauherren in spe einander näher. Im Oktober 2005 begannen die Bauarbeiten, ausgeführt vom Stifterpaar und einem Freundeskreis sowie von ortsansässigen Handwerkern. Am 29. Mai 2007 segnete der Kölner Weihbischof Koch die fertige Kapelle.

  • Der Architekt Peter Zumthor

    Der Schweizer Architekt Peter Zumthor (geb. 1943), ausgebildet als Möbelschreiner und erst später zur Architektur gekommen, schuf mit der Bruder-Klaus-Kapelle ein intimes Porträt des Heiligen. Wie dieser sich in eine waldige Schlucht zurückzog und meditierte, während er in einer allenfalls durch ein kleines rauchiges Feuer beheizten Hütte mäßigen Schutz vor der Witterung fand, so wurde in Art und Bauweise die Kapelle angelegt. Die innere Schalung bestand aus 112 Fichtenstämmen, die nach Aushärten des Betons durch ein drei Wochen unterhaltenes Mottfeuer von den Wänden gelöst wurden. Das Opaion vergegenwärtigt eine Vision Bruder Klaus’ von einem Turm, der bis zum Himmel reichte. Das Symbol einer Weltachse oder Himmelssäule, welche den in der Mitte seiner Existenz befindlichen Menschen mit dem Über-ihm-Seienden verbindet, findet sich in allen Kulturen der Welt. Peter Zumthor hat es in entmaterialisierter Gestalt in der Bruder-Klaus-Kapelle realisiert.

    Möglichst ortsnah gewonnenes Baumaterial, aufs Grundlegende beschränkte Bearbeitungstechniken oder – konkret – römische Ziegelmaße im 2.000 Jahre alten Köln geben jedem zumthorschen Bau eine völlig eigene und immer ortsbezogene Gestalt. Eine Handschrift des Architekten wäre außer in der immer klaren und einfachen Form nur in dieser extremen Individualisierung zu finden. Bauten im ländlichen Raum sollen nach Zumthor „wie Skulpturen in der Landschaft stehen und gleichsam aus ihr (herauswachsen)“, so, als seien sie schon immer da.

  • Literatur (Auswahl)
    • Markus Bönsch: Zum Himmel offen. Die Bruder Klaus Kapelle in Wachendorf, 3. Aufl., Köln 2011.
    • Gerrit Confurius: Architektur der Architektur. Bruder Klaus Kapelle in Wachendorf von Peter Zumthor, in: Werk Bauen + Wohnen 95.2008, 17-22.
    • P. Drutmar Cremer OSB: Wachtturm und Kamin Gottes. Zu einer ungewöhnlichen Kapelle , in: das münster 60.2007, 201ff.
    • Religiana.com: Bruder Klaus Chapel, Mechernich-Wachendorf
    • Andreas Rossmann: Wallfahrt nach Wachendorf, in Hochparterre 20.2007, 44-47.
    • Peter Zumthor: Architektur Denken, 3., erweiterte Auflage, Basel 2010.

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Markus Juraschek-Eckstein M.A., Bergisch Gladbach (Beitrag online seit 07/2015)

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