München-Neuhausen
Herz Jesu
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80639 München
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Aktuelle Öffnungszeiten online unter: Offene Tore. Anschrift Pfarramt Pfarrei Herz Jesu München
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Öffnungszeiten Pfarramt MO, DO: 09.00 Uhr - 12.00 Uhr
DI 13.30 Uhr - 16.30 Uhr
FR 12.00 Uhr - 16.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Aktuelle Gottesdienstzeiten und Veranstaltungshinweise finden Sie online unter: www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/herz-jesu-muenchen/cont/84924p.
Kirchen im Süden
Vom irdischen zum mystischen Licht
Nach der Weihe war das Echo auf die neue Großstadtkirche enorm. Fachleute und die Presse schwelgten, einheimische Stimmen sprachen von einem Schuhkarton oder einer Lagerhalle, aber auch von dem Ferrari unter den Kirchen. Erklärungen für diese heftigen Reaktionen lassen sich viele finden. Einerseits nimmt der Bau mit der Wirkung sich wandelnder Oberflächen die Architekturavantgarde in München vorweg, die „Fünf Höfe“, die Nobelpassage in der Innenstadt, und das neue Fußballstadion entstehen wenig später. Andererseits erfüllt er alle Kriterien für einen Sakralraum. Komplizierte Technik, wie z. B. zum Öffnen des weltgrößten Portals, wurde „versteckt“ zugunsten eines sinnlich erfahrbaren Kirchenraums mit einer gezielt eingesetzten Lichtregie.
- ÜberblickOrt
München-Neuhausen
Bistum
Erzbistum München und Freising
Name der Kirche
Herz Jesu
Weihe
2000
Architekt
Allmann Sattler Wappner Architekten (ASW)
Künstler
Alexander Beleschenko, Lutzenberger + Lutzenberger, Matthias WähnerBesonderheit
Wirkung entmaterialisierter Architektur durch den Einsatz gezielter Lichtregie und neuer Techniken.
Nutzung
Pfarrkirche
Standort / Städtebau
Die Herz-Jesu-Kirche und der Glockenturm stehen auf einem Eckgrundstück zur Amortstraße. Dort ist der Kirchenbau nah an das gründerzeitliche Pfarrhaus im Norden und das 1971 errichtete Pfarrheim im Westen herangerückt. Kreuzsymbole auf dem Glockenturm weisen schon von weitem auf die Kirche hin. - Beschreibung
Grundriss
Der Grundriss zeigt zwei ineinander stehende Quader. An Feiertagen lässt sich der äußere durch die beiden Portalflügel vollständig öffnen. Im inneren ruht im Süden eine massive Orgelempore auf acht Säulen, im Norden liegt die rechteckige Altarinsel. Zwischen den beiden Körpern befindet sich ein umlaufender Gang, am Eingang zur Vorhalle geweitet und an der Seite mit Verbindung zur Sakristei. Der Glockenturm steht frei an der Grenze zum Straßenraum.
Außenbau
Das Äußere der Kirche hebt sich durch die strenge Grundform und das ungewöhnliche Material stark von der umgebenden Wohnbebauung ab. Die gesamte Außenhaut besteht aus Glas. Mit einem tiefen Blau und dem je nach Sonnenstand schwach sichtbaren monumentalen Kreuz kündigt das Portal den Kirchenbau an. Bei geöffneten Flügeln gehen Kirche und Vorplatz fließend ineinander über und vermitteln die Geste von Einladung und Offenheit. Die drei anderen Fassaden verändern ihre Blickdurchlässigkeit von transparent bis zu opak auf der Rückseite. Auf dem Glas spiegelt sich ständig die Umgebung wieder, auch den mit Metallgewebe ummantelten Glockenturm. Alle Oberflächen von Kirche und Turm verändern je nach Lichteinstrahlung ihre Wirkung.
Innenraum
Innen entfaltet sich das ganze Spektrum der unterschiedlichen Lichtqualitäten. Beim Betreten gelangt man zunächst in den Umgang. Als einziger Raumteil erhält er über die Decke direktes Licht und rahmt wie ein tageslichthelles Gehäuse den schreinartigen Innenraum. Dessen drei Wände setzen sich aus stehenden Lamellen aus Ahornholz zusammen, am Eingang noch ganz geschlossen, auf der Höhe des Altars weit geöffnet. Hinter dem Altar hängt ein wandgroßer Vorhang aus Metallgewebe (Tombak) mit eingearbeitetem Kreuz. Da Innen- und Außenwände unterschiedlich lichtdurchlässig gestaltet sind, steigert sich die Lichtfülle zum Altarbereich hin. Die Materialien und das indirekte Licht verleihen dem Innenraum Geborgenheit und eine immaterielle Stimmung. Von außen nach innen verkörpert das Gebäude kontinuierlich den Weg vom begreifbaren irdischen Licht hin zum mystischen Licht.
- Liturgie und Raum
Obwohl der Innenraum in modernen Formen gestaltet ist, greift er das herkömmliche Konzept einer Wegekirche auf. Die gottesdienstliche Versammlung ist nach vorne auf den Altarraum gerichtet. Das ausgefeilte Lichtkonzept unterstützt dieses Bestreben.
Man betritt den Raum im niedrigen halbdunklen Bereich unter der Orgelempore. Durch den stetig heller werdenden Raum weitergeleitet, erreicht man den Ort der Taufe inmitten des Gemeinderaums. An der Altarinsel erreicht die Lichtfülle ihren Höhepunkt. Aus ihr wächst der Altar als Monolith heraus. Sinnfällig besteht er aus dem gleichen Kalkstein wie der Boden von Kirche und Vorplatz. Ambo und Sedilien sind in der gleichen Formensprache aus Holz gefertigt. Seitlich davon steht der Alabastertabernakel in ein transparentes Gehäuse aus Tombakgestängen eingebettet. Vor dem Metallvorhang aus dem gleichen Material mit einer verwandten Struktur scheint er im Raum zu schweben. Das Vorhangkreuz hinter dem Altar bildet als Symbol der Auferstehung den Höhepunkt des liturgischen Weges. Es korrespondiert mit dem Kreuz im Eingangsportal, das dazu einlädt.
Unter der Orgelempore bietet sich der Ort für die persönliche Andacht. Ein Gemälde der Maria mit Kind (um 1500, Werkstatt Jan Polack) wird von einem ähnlichen Gehäuse wie beim Tabernakel getragen, hier in der Form eines gotischen Flügelaltars. Die gestalterischen Bezüge weisen auf die inhaltlichen, die des Jesusknaben zu dem im Tabernakel gegenwärtigen Christus.
- Ausstattung
Die vermeintlich bilderlose Kirche schmückt ein reiches Bildprogramm, bei dem das Patrozinium thematisch um die gesamte Passion und Erlösung ergänzt wurde. Den Auftakt bildet die Innenseite des blauen Eingangsportals mit einer codierten Wiedergabe der Stelle aus dem Johannesevangelium, die die Öffnung der Seitenwunde beschreibt. Das Codealphabet hat der britische Künstler Alexander Beleschenko (geb. 1951) in Anspielung auf die Kreuznägel mit Nagelsymbolen entwickelt.
Im Umgang folgen die 14 Kreuzwegstationen von Prof. Matthias Wähner (Akademie der Bildenden Künste München). Auf schwarz-weiß Dias zeigen sie die in Jerusalem verehrten Orte auf der Via Dolorosa.
Die Passionsthemen setzen sich im gesamten Innenraum fort. Eine Installation des Münchener Künstlerduos M+M (Marc Weis, geb. 1965, und Martin De Mattia, geb. 1963) zu den fünf Wundmalen greift tief in das Fundament des Kirchenbodens ein.
Auf die Innenseiten der Orgelempore hat Anna Leonie (geb. 1962) in Anspielung auf den Kreuzigungsort Jesu eine monochrome Malerei mit dem synthetischen Farbpigment Caput Mortuum (violettstichiges Rot) aufgetragen.
Im räumlichen Gegenüber hebt sich das monumentale Kreuz aus dem golden schimmernden Metallvorhang hervor, eine Arbeit von Lutzenberger + Lutzenberger (Susanna Lutzenberg, geb. 1963, Bernhard Lutzenberger, geb. 1958). Als Zeichen für die Auferstehung bildet es den visuellen und optischen Höhepunkt des Bildprogramms.
Alle Kunstwerke sind baulich untrennbar mit der Architektur verbunden und beziehen ebenfalls das Licht in die Gestaltung mit ein.
- Von der Idee zum Bau
Auf dem Grundstück hatten bereits zwei Vorgängerkirchen gestanden, die beide dem Feuer zum Opfer fielen, eine nach einem Bombenangriff 1944, die andere nach ungeklärter Ursache 1994. Beiden Kirchen hatten zweitverwendete Holzkonstruktionen gedient, die weder Platz für einen Vorplatz noch für einen Turm ließen.
Mit einer dritten sollte die Pfarrei nun endlich eine eigens für diesen Ort geplante Kirche erhalten. Die bisherigen Defizite sollten dabei behoben werden. Auch wünschte man sich wieder einen gerichteten Raum mit sehr guter Akustik, um die bestehende Musiktradition fortführen zu können. Zur Lösung dieser vielfältigen Aufgaben sah man in einem Wettbewerb, der auch ökonomische und ökologische Belange erfüllte, die geeignete Form. Aus den 158 eingereichten Arbeiten wurde der Entwurf der Architektengemeinschaft Allmann Sattler Wappner Architekten (ASW) ausgewählt.
- Die Architektengemeinschaft ASW
Mit der Herz Jesu Kirche erlangte die Architektengemeinschaft Allmann Sattler Wappner Architekten (ASW) zusammen mit dem kurz zuvor erhaltenen Deutschen Architekturpreis internationale Anerkennung. Bis auf die Teilnahme an einem Kirchenbauwettbewerb in Leipzig blieb sie innerhalb des Werkverzeichnisses die einzige Kirche.
Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen vielmehr in städtebaulichen Planungen, öffentlichen und gewerblichen Bauten, dem Wohnungsbau und der Entwicklung von Produktdesign, v.a. in Deutschland. Das Büro wurde 1987 von Markus Allmann (geb. 1959) und Amandus Sattler (geb. 1957) gegründet, 1993 kam Ludwig Wappner (geb. 1957) hinzu. ASW hat seinen Sitz in München und zählt mit derzeit ca. 60 Mitarbeitern zu den größten in Deutschland. Alle drei Geschäftsführer nehmen an verschiedenen Universitäten Lehraufgaben wahr.
- Literatur (Auswahl)
- Ulrich Kuder: Die Herz-Jesu-Kirche in München-Neuhausen. Neuinszenierung eines antiquierten Patroziniums, in: Kunst und Politik 14 (2012) S. 113-131.
- Religiana.com: Sacred Heart Church, Munich
- Phyllis Richardson: Neue sakrale Architektur, München 2004.
- Monika Römisch: Kath. Pfarrkirche Herz Jesu München-Neuhausen, Lindenberg 2002 (3. Auflage 2005).
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.