München

St. Matthäus

Anschrift Kirche
Nußbaumstraße 1
80336 München
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche DI - FR: 9.00 - 16.00 Uhr
    Anschrift Pfarramt Evang.-Luth. Pfarramt St. Matthäus
    Nußbaumstraße 1
    80336 München
    089 54541680
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    Öffnungszeiten Pfarramt MO, DI, DO: 10.00 - 12.00 Uhr
    DI: 14.00 - 16.00 Uhr
    FR: 11.00 - 13.00 Uhr
    Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuelle Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.stmatthaeus.de/gottesdienste-und-veranstaltungen.
    Kirchen im Süden

„Herrgotts Achterbahn“

Der weitläufige Sendlinger-Tor-Platz wird ober- wie unterirdisch vom Verkehr umtost. Etwas davon abgesetzt erhebt sich St. Matthäus mit Bezug auf den südlichen Altstadtrand und das mittelalterliche Sendlinger Tor. Die Hauptkirche der evangelisch-lutherischen Christen in München ist zugleich eine der beiden Bischofskirchen der bayerischen Landeskirche. Zudem steht sie in der Nachfolge eines 1938 abgebrochenen Bauwerks, der ersten evangelischen Kirche der Stadt. Fachleute schätzen den 1955 eingeweihten Neubau als eines der frühesten Beispiele der organhaften süddeutschen Kirchbaumoderne. Im Volksmund freilich heißt der geschwungene Bau schlicht „Herrgotts Achterbahn“ oder „Christkindls Badewanne“ …

  • Überblick
    Ort
    München

    Landeskirche
    Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern 


    Name der Kirche
    St. Matthäus

    Einweihung
    1955 (27. November, 1. Advent)

    Architekt
    Gustav Gsaenger

    Künstler
    Angela Gsaenger, Andreas Schwarzkopf
    Besonderheit
    Mit ihrem "geometrische Formen frei weiterentwickelnde(n) Grundriss" (Helmut Braun) gilt St. Matthäus als ein Hauptwerk des organisch-bewegten 1950er-Jahre-Stils in Bayern.

    Nutzung
    Pfarrkirche, Münchner Predigtstätte des Landesbischofs (Bischofskirche)

    Standort / Städtebau
    Der Bau liegt zwischen dem Nußbaumpark und dem Sendlinger-Tor-Platz, einem der verkehrsreichsten Orte Münchens. Nach Nordosten – zur Platzanlage, zur Altstadt und zum mittelalterlichen Sendlinger Tor – vermitteln Blickachsen und gestalterische Bezüge.

  • Beschreibung

    Grundriss

    München | St. Matthäus | Grundriss

    Die Matthäuskirche erstreckt sich parallel der von Nordost gen Südwest verlaufenden Verkehrsachse Lindwurmstraße. Ihr gekurvter Grundriss schwingt scheinbar frei, geht aber auf Kreissegmente und einen asymmetrisch abgewandelten Dreikapellenraum zurück. Den herzförmigen Kirchenraum umgeben an drei Seiten weitere Strukturen: im Westen ein zuschaltbarer, nierenförmiger Gemeindesaal mit Podium und Empore, im Norden und Süden je eine Vorhalle. Hinzu kommen Pfarramt und weitere gemeindliche Räume, im Südosten vorgelagert ist der Turm mit Sakristei. Der Kirchenraum erweckt den Eindruck einer Zentralanlage – und ist doch nach Osten zum Sendlinger-Tor-Platz hin ausgerichtet. Erschlossen wird der Bau über mehrere Zugänge, der Haupteingang liegt an der Nordseite.

     

    Außenbau

    München | St. Matthäus | Foto: CineAmigo, CC BY SA 3.0

    Den auf- und abschwingenden Trauflinien mit ihrem nach oben gewölbten Dachraum steht eine klare, durch vertikale und horizontale Betonbänder gegliederte Fassade gegenüber. Große, nahezu geschlossene, rot gefasste Mauerflächen wechseln hier mit wandhohen, skelettartig verglasten Fensterzonen. Die fast wehrhafte Ostfassade trägt Strebepfeiler aus Beton und dazwischengeschobene Beton-Rahmenelemente. Im Südosten wird der 51 Meter hohe, abgesetzte Glockenturm durch ein nach unten schwingendes Dach abgeschlossen und bekrönt von einem 14 Meter hohen Kreuz mit vergoldetem Engel. Die Nord-Ost-Seite des Bauwerks zeigt eine hochaufragende Wandscheibe mit kreisförmigem Ausschnitt für die „Vater-Unser-Glocke“.

     

    Innenraum

    München | St. Matthäus | Foto: Anja Lempges

    München | St. Matthäus | Foto: Anja Lempges

    Den gen Osten gerichteten Kirchenraum erreicht man von Norden über die dortige Vorhalle. Durch das weite Halbrund der Empore betritt der Besuchende ein ca. 51 x 45 Meter großes Raumgefüge, in dem das Schiff, der Chor und die weit vorgezogene Emporenanlage fließend ineinander übergehen. Die geschwungene, auf sechs dunklen Rundstützen ruhende Decke steigt zum Altarraum hin an. Zwei der Stützen markieren den Übergang vom Gemeindebereich in den deutlich erhöhten, fensterlosen Chor. Im Hauptraum, insbesondere an der Nordseite, reichen dagegen große Fenster fast vom Boden bis zur Decke hinauf. Licht verglast sind außerdem die mit Messing beschlagenen Türen zu Gemeindesaal und Vorhallen. Die Wand- und Deckenflächen wurden farbig abgesetzt.

  • Liturgie und Raum
    München | St. Matthäus | Altar | Foto: Anja Lempges

    München | St. Matthäus | Altar | Foto: Anja Lempges

    Die liturgische Ordnung orientiert sich wohl an den von der 2. Evangelischen Kirchbautagung in Rummelsberg 1951 verabschiedeten „Grundsätzen für die Gestaltung des gottesdienstlichen Raumes der evangelischen Kirchen“. Damit entstand ein längsgerichteter, auf den mit sieben Stufen deutlich erhöhten Chorbereich zulaufender Kirchenraum. Der hier mittig verortete Altartisch wurde quer zur Raumachse aufgestellt. Insgesamt 24 auf und hinter dem Altar angeordnete Kerzenleuchter verstärken die bühnenartige Raumwirkung noch. Die Kanzel wurde an der rechten, südlichen Chorraum-Stütze angehängt, während man die Taufe zwischen der linken Stütze und der nördlichen Apsisrundung anordnete. Das raumgreifende, auf bis zu 800 Personen ausgelegte Gestühl gruppierte man in drei radial auf den Chor zulaufenden Bankblöcken. Weitere 170 Plätze finden sich im Süden der Emporenanlage, deren nördlicher Part – jenseits des Orgelprospekts – als Sängerempore ausgebildet wurde.

  • Ausstattung

    München | St. Matthäus | Orgelempore | Foto: Mühleisen, via Evang. Luth. Kirchengemeinde St. Matthäus München

     

    Die bauzeitliche Ausstattung der von 1997 bis 2010 sanierten Kirche blieb weitenteils erhalten. Beherrschend ist das raumhohe Altarwandmosaik, das Angela Gsaenger, Malerin und Tochter des Architekten, gestaltete. Es nimmt Offenbarung 21 auf: Drei Kreuze erscheinen in einem nach oben und unten gerichteten Lichtstrahl vor dem himmlischen Jerusalem. Zwischen den beiden Rundstützen zum Chorbereich hängt, über den Altarstufen, ein farbig gefasstes Kruzifix, das der Ruhpoldinger Künstler Andreas Schwarzkopf fertigte. Die von schlichter Formensprache gekennzeichneten, nebeneinander angeordneten Prinzipalien entwarf wohl der Architekt: Einem grauen, steinernen Altartisch entsprechen Taufstein und Kanzel aus rotem Untersberger Marmor. Ansonsten finden sich im weitgehend schmucklosen Kirchenraum – wie im weiteren Bauwerk – noch Reste der Ausstattung der Vorgängerkirche. Die von 1955 bis 1963 von der Werkstatt Steinmeyer (Oettingen) erstellte Orgel wird seit 2013 durch Woehl (Marburg/Lahn) schrittweise erweitert.

  • Von der Idee zum Bau

    München | St. Matthäus | Foto: Stal, gemeinfrei, via muenchenwiki.de

     

    Dem Bayerischen Religionsedikt von 1803, das für Katholiken und Protestanten gleiche Rechte brachte, folgte ein starker Zustrom evangelischer Christen nach München. Doch erst ab 1833 stand ihnen nahe dem Karlsplatz (Stachus) ein von Johann Nepomuk Pertsch entworfener, auch als evangelische Hofkirche genutzter Kirchenneubau zur Verfügung. Im 20. Jahrhundert wurde der Bau zur Predigtstätte des Kirchenpräsidenten, später Landesbischofs. Die Nationalsozialisten verfügten 1938 – angesichts städtebaulicher Absichten, vielleicht auch Animositäten – den Abriss des nachklassizistischen Bauwerks. In der Folge lebte die Gemeinde in Provisorien, bis sie nach dem Zweiten Weltkrieg einen Neubau an neuem Standort in Angriff nehmen konnte. Dazu führte man 1951 einen Wettbewerb durch, an dem sieben in Bayern ansässige, namhafte Architekten teilnahmen. In den Großbau, den schließlich Gustav Gsaenger für bis zu 1.500 Gottesdienstbesucher ausführte, waren ein Saal sowie Gemeinde-, Jugend-, Mesner- und Pfarramtsräume einzubinden. Am 8. November 1953 wurde der Grundstein für die neue Matthäuskirche gelegt, die man am 27. November 1955 einweihen konnte. Seit 1992 steht sie unter Denkmalschutz und ist seit 2008 Baudenkmal von nationaler Bedeutung.

  • Der Architekt Gustav Gsaenger

    Hirschegg | Kreuzkirche | Foto: Böhringer Friedrich, GFDL oder CC BY SA 3.0

     

    Der Architekt Gustav Gsaenger wurde am 25. Mai 1900 in München geboren. An der dortigen TH studierte er von 1920 bis 1924 u. a. bei German Bestelmeyer, an dessen Lehrstuhl er nachfolgend auch Assistent war. Zwischenzeitlich in der Bauabteilung der Oberpostdirektion München tätig und hier mit Robert Vorhoelzer und der Postbauschule in Kontakt, machte er sich bald mit einem eigenen Büro selbstständig.

    Neben verschiedenen Profanbauten wie Wohngebäuden und -anlagen, Schul- und Museumsbauten entstanden nach seinen Plänen zahlreiche, fast ausnahmslos protestantische Kirchen. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnete er für etliche Kirchenwiederauf- und -neubauprojekte – besonders in Bayern – verantwortlich, so in Erlangen, Sulzbach-Rosenberg, Amberg, Rieden, Schwandorf, Dingolfing, Waldkraiburg und Ingolstadt sowie mehrfach in und um München. Kirchenbauten von ihm finden sich aber auch in Wolfsburg, Kassel und Hirschegg im Kleinwalsertal (Österreich). 1972 erhielt er den Bayerischen Verdienstorden, er war langjährig Mitglied im Bayerischen Landesbaukunstausschuss und auch im Städtebau aktiv. Am 14. September 1989 verstarb der Regierungsbaumeister Gustav Gsaenger in München im Alter von 89 Jahren.

  • Literatur (Auswahl)
    • Helmut Braun: München St. Matthäuskirche. Gustav Gsaenger 1955, in: Hans-Peter Hübner/Helmut Braun (Hg.): Evangelischer Kirchenbau in Bayern seit 1945, Berlin/München 2010, 118-121.
    • Andreas Hildmann/Norbert Jocher (Hg.): Die Münchner Kirchen. Architektur – Kunst – Liturgie, Regensburg 2008.
    • Birgit-Verena Karnapp: Kirchen. München und Umgebung nach 1945, München/Berlin 1996.
    • Matthias Ludwig/Beate Frankenberger/Helmut Gottschl[ing]: Kirchbauprogramme anhand gebauter Beispiele, in: 28. Evangelischer Kirchbautag. „Evangelisch präsent. Kirche gestalten für die Stadt“, München 2014.
    • Winfried Nerdinger/Inez Florschütz (Hg.): Architektur der Wunderkinder. Aufbruch und Verdrängung in Bayern 1945-1960, Katalog, Pinakothek der Moderne, Salzburg/München 2005.
    • St. Matthäus in München. Die Kirche, die Hitler im Wege stand, auf: br.de (Abrufdatum: 12. Februar 2018, www.br.de/themen/bayern/inhalt/geschichte/matthaeus-muenchen-kirche-100.html).
    • Wolfgang Jean Stock: Architekturführer. Architectural Guide. Christliche Sakralbauten in Europa seit 1950. Christian Sacred Buildings in Europe since 1950, München u. a. 2004.
    • Nachlass des Architekten Gustav Gsaenger, auf: mediaTUM, Universitätsbibliothek, TU München (Abrufdatum: 12. Februar 2018, https://mediatum.ub.tum.de/914462).

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Matthias Ludwig, Schweinfurt (Beitrag online seit 02/2018)

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