Neuss-Weckhoven
St. Paulus
Maximilian-Kolbe-Straße 4
41466 Neuss-Weckhoven
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
FR 9:30-11:00 Uhr + zu den Gottesdiensten geöffnet
Tageskapelle: DI - FR 8:30-17:00 Uhr Anschrift Pfarramt Pastoralbüro Neuss-Süd
Maximilian-Kolbe-Straße 4
41466 Neuss-Weckhoven
02131 5281500
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Öffnungszeiten Pfarramt MO: 10:00 - 12:30 Uhr + 14:00 - 16:00 Uhr
Di-Fr: 08:30 - 12:30 Uhr + 14:00 - 16:00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.katholisch-neuss-sued.de/gottesdienste/aktuelle-gottesdienste/.
Kirchen im Westen
Beton-Origami
Mit Blick auf die Eingangsseite wirkt die Kirche wie ein riesiges, vorzeitliches Schalentier, das seinen Kopf unter einen Panzer aus hellgrünen, faltig aufgeworfenen Platten zurückgezogen hat. Auch aus der „Googleperspektive“ passt ein Vergleich aus der Tierwelt. Wie sich das Bauwerk zu zwei Seiten aus sphärischen eingezogenen Rauten gliedert. Wie es einem Rückgrat gleich eine langgezogene Decke in seine Mittelachse spannt, das erinnert an den Körperbau einer Spezies, die vor einer halben Milliarde Jahre die Weltmeere bevölkerte: die Trilobiten. Sollten solche Vergleiche überhaupt einen Sinn haben, dann durch die Ahnung, dass in diesem atemberaubend kühnen, wie aus Papierwerk statt aus Beton gestaltetem Gotteshaus sich der große Bauplan der Schöpfung spiegeln mag.
- ÜberblickOrt
Neuss-Weckhoven
Bistum
Erzbistum Köln
Name der Kirche
St. Paulus
Weihe
1978 (8. April)
Architekten
Christian Schaller, Fritz Schaller
Künstler
Sepp Hürten, Franz PauliBesonderheit
Die Architekten Schaller und der leitende Bauingenieur Stefan Polónyi schufen eines der kühnsten und filigransten Betonfaltwerke: eine nur sieben Zentimeter starke und dem Vorbild der Papierfalttechnik entlehnte Knickbetonschale.
Nutzung
Pfarrkirche
Standort / Städtebau
Die winklig aneinandergefügten und die Kirche von drei Seiten umgebenden backsteinernen Gemeindebauten nehmen in Höhe und Material den Sakristeiunterbau des Turms auf. Kirche, Turm und Gemeindebauten ergeben eine Art Pfarrinsel, ein kleines Kirchdorf, das von der Maximilian-Kolbe-Straße und dem angrenzenden Friedhof umfasst wird. - Beschreibung
Grundriss
Der Grundriss der Pauluskirche basiert auf einem unregelmäßigen, aber achsensymmetrischen Sechseck, dessen schmalere Stirnwände an der westlichen Eingangsseite zweimal im 2/4-Schluss (zwei Seiten eines Quadrats) und an der geosteten Altarseite mittels zweier 3/8-Schlüsse (drei Seiten eines Achtecks) ausgebuchtet sind. Südlich schließt sich über einen kurzen Verbindungsgang das Grundquadrat der Sakristei an. In den spitzen Winkel zwischen Kirche und Sakristei ist ein Andachtsraum geschmiegt.
Außenbau
Der imponierende Außenbau scheint aus einer einzigen, mit patinierten Kupferplatten verkleideten Dachlandschaft zu bestehen. Auch der dem gotischen Knickhelm entlehnte Turm über dem niedrigen Sakristeibau besteht eigentlich nur aus eben diesem, ebenfalls mit patinierten Kupferplatten gedeckten Helm. Das westlich gelegene Hauptportal wird von einer großen scheibenhaften Sichtbetonwand gerahmt.
Innenraum
Der Innenraum baut sich aus sphärischen, axial geknickten Sichtbeton-Rhomben auf. Sie bilden in drei Ebenen den einheitlichen, unterbaulosen Gewölberaum aus. Die untere Rhombenebene ist bereits leicht geneigt. Die auf Lücke gestellte zweite Ebene neigt sich beidseitig um 45 Grad zur Raummitte. In der dritten Ebene lehnen sich die beiden Rhombenreihen in äußerst stumpfem Winkel gegeneinander. Die Rhomben dieser Ebene sind in ihren unteren Hälften bis auf die Knickstege aufgebrochen, so dass dahinter eine Deckenzone bis an zwei beidseitig eingebrachte Oberlichter geführt werden kann.
Das indirekte Licht dieser Fensterbänder formt die gefalteten Wände im Licht-Schatten-Effekt. Der tief verschattete Scheitelbereich der dritten Rhombenebene ist mittels der dünnen Knickstege als einheitliches flaches Gewölbe in den Raum gespannt. Es ist der Rest eines ursprünglich geplanten monumentalen Architekturbaldachins, der über vier Freistützen im Raum stehen sollte. Raumkonstruierende Funktion haben auch die schmalen Fensterbänder unten an den Langseiten. Sie senken sich an ihren Enden ab und bilden so jeweils einen virtuellen, aus Licht gebauten Unterbau aus Schrägstützen und Unterzug. Die zurückhaltende abstrakte Farbverglasung in den unteren Fensterbändern steigert die schwerelose Wirkung des Gesamtraums.
- Liturgie und Raum
Der Fußboden senkt sich von der Eingangsseite leicht in Richtung des Altarraums. Der Altarraum ist durch eine einstufige, die volle Breite des Raumes messende Estrade (erhöhte Fußbodenzone) gekennzeichnet. Abfallende Fußböden gibt es öfter in Kirchen der 1960er Jahre. Dem Bilde nach kann so die Feiergemeinde von den minimal erhöhten „hinteren Rängen“ aus das Geschehen am Altar wie in einem Theater- oder Konzertsaal verfolgen. Die hintergründige Idee ist, dass sich Zelebrant und Feiergemeinde gewissermaßen auf Augenhöhe begegnen. Die Estrade mit dem einstufigen Altarpodest und der oberste Punkt des abfallenden Bodens definieren dieselbe Raumebene. Die bereits in der liturgischen Reformbewegung der 1920er Jahre erhobene Forderung, dass sich die Kirchgänger als Mitfeiernde und insofern mit dem Zelebranten als gleichrangig ansehen sollten, wird auf diese Weise baulich erfüllt. Die in vier Gassen gestellten Bankreihen richten sich mehrseitig auf den Altar aus und unterstreichen so den Gemeinschaftsgedanken.
- Ausstattung
Die Ausstattung erfolgte fast ein Jahrzehnt nach Fertigstellung der Kirche, da lange Zeit keine Einigung zwischen dem leitenden Architekten und der Gemeinde in der Auswahl des Künstlers bestand. Der Kölner Bildhauer Sepp Hürten (geb. 1928) schuf dann aus hellem Muschelkalk und Bronze ein sehr einheitlich wirkendes blockhaftes Ausstattungsensemble. 1977 wurde der Altar aufgestellt. Ihm folgten ab 1980 Ambo, Tabernakel und Tabernakelstele sowie Altarkreuz, Ewig-Licht-Ampel, die Sedilien, der Siebenarmige Leuchter und noch in den 1990er Jahren das Taufbecken. Zusätzlich zu diesen Stücken sind auf der Estrade noch eine steinerne Kredenz, eine Muttergottesstatue, Kerzenleuchter und die barocken Holzfiguren der Apostel Petrus und Paulus versammelt. Das optisch gleichrangige Neben- und Hintereinander all dieser Ausstattungswerke verunklärt deren unterschiedliche Funktions- und Bedeutungsniveaus.
Bei den abstrakten bzw. rein symbolischen Kirchenfenstern hat sich der Glasmaler Franz Pauli (1927-70) anstelle seiner oft zeitbezogenen Figurenbilder in St. Paulus ganz an der Architektur orientiert. Das aus roten Glasriemchen gebildete diagonale Andreaskreuz im Dreieckfenster über dem Altar ist eine subtile Antwort auf die Knickkanten des sphärischen Rhombenfaltbaus.
- Von der Idee zum Bau
Das Büro Fritz Schaller wurde 1965 anscheinend ohne Wettbewerb mit dem Bau der Kirche beauftragt. Bereits mit Vorlage des ersten Entwurfes nahm Fritz Schaller Kontakt zu dem Berliner Ingenieurbüro Stefan Polónyi auf. In gemeinsamer Arbeit, die nach Fritz Schaller einem kreativen „Ping-Pong-Spiel“ geglichen habe, entwickelten das Architektur- und das Ingenieurbüro in mehreren Stufen den dann ausgeführten Bau, welcher sich letztlich nur durch die versteifenden Kräfte des scheinbar papierdünnen Faltbetons bildet. Die Idee, eine ursprünglich geplante Baldachinarchitektur zugunsten eines gänzlich stützenlosen Raums aufzugeben, geht wohl auf Christian Schaller zurück, der bei diesem Projekt zum ersten Mal aktiv im Büro seines Vaters mitwirkte. Die Kirche wurde zwischen 1966 und 1968 errichtet, der Turm nach weiteren Auseinandersetzungen zwischen Gemeinde und Fritz Schaller, der einen reinen Betonkubus bauen wollte, erst 1970.
- Die Architekten Fritz und Christian Schaller
In den 1950-70er Jahren experimentierten viele Architekten mit den durch den modernen Betonbau hinzugewonnenen konstruktiven Möglichkeiten. Fritz Schaller empfand ein Ungenügen daran, dass seine im Architekturstudium erworbenen Kenntnisse nicht mehr den zeitgenössischen Kenntnissen der Bauingenieure entsprachen. So war es eine bewusste Entscheidung, Professor Stefan Polónyi zur Zusammenarbeit zu bewegen. Der junge Polónyi entwickelte damals an der TU Berlin neue statische Bautechniken und war bereits eine der einflussreichsten Gestalten der Architektenwelt. Entscheidende Impulse für das nur mittels Formung Machbare kamen von ihm, so dass sein Beitrag für St. Paulus ebenso gewürdigt werden muss, wie der des Büros Schaller.
- Literatur (Auswahl)
- Karl Josef Bollenbeck (Hg.): Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1955-1995. Bd. 2, Köln 1995, 585, 834 f.
- Emanuel Gebauer: Fritz Schaller. Der Architekt und sein Beitrag zum Sakralbau im 20. Jahrhundert (Stadtspuren. Denkmäler in Köln 28), Köln 2000, 315-322.
- Barbara Kahle: Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts. Ein Beitrag zum Kirchenbauschaffen zwischen Tradition und Moderne (Arbeitshefte Landeskonservator Rheinland 39), Pulheim 1985, 86 f.
- Neuss-Weckhoven, Kath. Kirche St. Paul, auf: www.glasmalerei-ev.de (12.1.16)
- Edvard Norman: Das Haus Gottes, Frankfurt am Main 1990, 301.
- Hugo Schnell: Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Dokumentation, Darstellung, Deutung, München/Zürich 1973, 161, 200.
- Annette Ziegert: Sankt Paulus, Neuss-Weckhoven, in: Manfred Becker-Huberti (Hg.): Neusser Kirchen. Die katholischen Kirchen im Kreisdekanat Rhein-Kreis Neuss, Köln 2006, 115 f., 151.
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.