Schwerte

Kapelle der Tagungsstätte Haus Villigst

Anschrift Kirche
lserlohner Straße 25
58239 Schwerte
  • Informationen
    Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
    Täglich geöffnet von ca. 7.30 Uhr bis ca. 21.00 Uhr, gemäß den Öffnungszeiten der Tagungsstätte. Die Kapelle ist frei zugänglich, der Schlüssel für die Orgel befindet sich am Empfang der Tagungsstätte.
    Anschrift Pfarramt Haus Villigst – Tagungsstätte der Evangelischen Kirche von Westfalen
    lserlohner Straße 25
    58239 Schwerte
    02304 755-0
    E-Mail
    Zur Webseite
    Gottesdienstzeiten Kirche In der Kapelle werden jede Woche Gottesdienste und Andachten gefeiert: montags und donnerstags um 9.00 Uhr sowie nach Absprache mit Gruppen. Reguläre Sonntagsgottesdienste finden nicht statt.
    Kirchen im Westen

Aus dem Keller an Deck

Haus Villigst in Schwerte, heute die zentrale Tagungsstätte der Evangelischen Kirche von Westfalen, verfügte lange nur über einen eher bescheidenen Kapellenraum, der noch dazu im Souterrain untergebracht war. Als 2004 der Entschluss fiel, die gesamte Tagungsarbeit der Landeskirche in Villigst zu konzentrieren, sollte auch eine neue Kapelle entstehen. Seit 2007 bietet dieser Neubau nicht nur eine beeindruckende Lichtinszenierung, sondern darüber hinaus eine moderne Interpretation der Kirche als Schiff. Mit dieser Form griff man ein prägendes Motiv der frühen Moderne auf: Otto Bartnings Pressa-Kirche und Rudolf Schwarz’ Paradigma des „Heiligen Wurfs“ wären als Beispiele zu nennen. Damit mauserte sich die Kapelle von Haus Villigst – selbstbewusst und traditionsbezogen zugleich – vom „Kellerkind“ zum Markenzeichen.

  • Überblick
    Ort
    Schwerte

    Landeskirche
    Evangelische Kirche von Westfalen


    Name der Kirche
    Kapelle der Tagungsstätte Haus Villigst

    Einweihung
    2007 (31. August)

    Architekten
    Baureferat der Evangelischen Kirche von Westfalen, Reinhard Miermeister, Hans-Walter Pahmeier

    Künstler
    Thomas Kesseler
    Besonderheit
    Für die materiell und gestalterisch sehr qualitätvolle, auf das Äußerste konzentrierte Kapellengestaltung aus dem frühen 21. Jahrhundert wurden die Motive von Parabel und Schiff aufgegriffen, die für die Kirchbaumoderne des 20. Jahrhunderts so prägend waren.

    Nutzung
    Kapelle einer Tagungsstätte

    Standort / Städtebau
    Die Kapelle wurde als Solitärbaukörper in den Park von Haus Villigst gesetzt. Er steht am Schnittpunkt wichtiger Verkehrswege im Gelände und liegt dem zeitgleich neugebauten großen Saal gegenüber.

  • Beschreibung

    Grundriss

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Grundriss

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Grundriss

    Der Grundriss der Kapelle erinnert durch die spitzbogenförmig zusammenlaufenden Seitenwände stark an einen Schiffsbug. Zwischen die Seitenwände ist, an der Breitseite etwas zurückversetzt, die verglaste Eingangsseite mit zwei Zugängen eingespannt. Sie wird von schmalen Mauerzungen etwas überragt. Dem spitzbogenförmigen Äußeren entspricht im Inneren eine parabelförmige, den Altarbereich hinterfangende Wand.

     

    Außenbau

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Foto: Martina Chardin

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Foto: Martina Chardin

    Das kompakte Äußere der Kapelle hat skulpturale Qualitäten. Aus einer der Topographie angepassten, leicht angeschrägten, gepflasterten Fläche erhebt sich die Großform des Schiffsbugs, die bewusst als Solitär gesetzt wurde. Ihre Außenwände, eine „mit Putzträgerplatten beplankte Holzkonstruktion auf Betonbodenplatte“ (Martin Struck), sind mit rotbraunem Kratzputz auf mineralischer Basis gestaltet. Durch die Fensterlosigkeit wird die ungegliederte Gesamtform betont. Einzig die verglaste Eingangsfront und der metallverkleidete Oberlichtaufbau über dem Altarbereich durchbrechen diese Geschlossenheit. Das Oberlicht kann von außen als Turm oder auch – entsprechend der Schiffsmetaphorik – als Segel verstanden werden.

     

    Innenraum

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Foto: Martina Chardin

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Foto: Martina Chardin

    Das Innere wird durch die Eingangsfront betreten, eine Glaswand mit durchscheinender Wellenmalerei in transparenten und halbtransparenten Blautönen. Teile der Glaswand sind sandgestrahlt, was die Transparenz stellenweise zurücknimmt. Die Wellenmalerei setzt sich auf den Innenwänden fort. Dabei überdeckt eine dunklere Farbschicht eine hellere. Zum Scheitel des Raums laufen die Linien zusammen und gipfeln in der rein weiß gefassten, von dem Oberlichtaufbau erhellten Altarnische. Die Altarnische ist frei umgehbar, ihre Rückwand durchstößt die Dachfläche und wird von oben durch eine teils sandgestrahlte Glasfläche erleuchtet. Eine kreuzförmige Teilung in der Glasfläche wird morgens durch das Sonnenlicht auf den Altarbereich projiziert.

  • Liturgie und Raum
    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Oberlicht | Foto: Haus Villigst, Schwerte

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Oberlicht | Foto: Haus Villigst, Schwerte

    Der Kapellenraum ist in besonderer Weise auf die Lichtwirkung bei morgendlichen Gottesdienstfeiern ausgelegt. Durch die Glasfläche des Oberlichts wird ein geschwungenes Schattenkreuz auf die Altarnischenwand projiziert. An zentraler Stelle im Raum wird damit ein Hinweis auf das Thema der Auferstehung sichtbar. Das Wasser – Sintflut und Wasser des Lebens zugleich – ist in der Malerei der Innenwände (Thomas Kesseler) und auf der Eingangsfront gegenwärtig: Die Wellen scheinen gleichsam auf den Altarbereich zuzulaufen und hier zu kulminieren. So sammelt sich das liturgische Geschehen in der parabelförmigen Apsis, auf welche die Stuhlreihen in der Regel frontal ausgerichtet sind.

  • Ausstattung
    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Foto: Martina Chardin

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Foto: Martina Chardin

    Die malerische Ausgestaltung wurde, ebenso wie die gesamte Ausstattung der Kapelle, durch den Düsseldorfer Künstler Prof. Thomas Kesseler konzipiert: „Die Farbe Blau vermag psychologisch folgende Assoziationen auszulösen: Ferne, Weite, Unendlichkeit, nächtliche Stille, Entspannung, Treue, Vertrauen, Zuverlässigkeit und geistige Versenkung.“ Interessant ist, dass der Künstler bei dieser Deutung selbst die Lesarten des Wassers nicht in den Vordergrund stellte.

    Die liturgische Ausstattung zeichnet sich durch größte Klarheit aus. Alle Prinzipalstücke sind aus Bronze gefertigt: ein Kreuz, drei im Boden verankerte Kerzenhalter im Altarbereich, der Altar selbst – ein transportables Gestell, dessen Platte ein feines Kreuzrelief trägt – sowie zu seinen Seiten Lesepult und Taufbecken. Die Birkenholzstühle mit Filzauflage kann man frei gruppieren, z. B. zu strengen Reihen, die wie Bänke wirken. Die Glasgestaltung entwarf Kesseler unter Mitarbeit von Kun San Moon und Nikolai Dohlen, die Ausführung wurde von der Werkstatt Hein Derix in Kevelaer übernommen.

  • Von der Idee zum Bau
    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Foto: Martina Chardin

    Schwerte | Kapelle von Haus Villigst | Foto: Martina Chardin

    Angeblich schon im 12. Jahrhundert belegt, lässt sich die Geschichte von Haus Villigst als Rittergut immerhin seit der Zeit um 1300 nachweisen. Als Ludwig Gisbert aus dem protestantischen Zweig der Familie von Elverfeldt das heutige, klassizistische Herrenhaus 1819 errichten ließ, konnte seine Familie auf eine mehrhundertjährige Tradition an diesem Ort zurückblicken.

    130 Jahre und zwei Besitzerfamilienwechsel später wurden Haus und Park 1948 an die Landeskirche verpachtet. Damit begann die bis heute andauernde Tradition als wichtiger evangelischer Studien- und Weiterbildungsort. Man brachte hier im Laufe der Zeit das Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung, das Amt für Jugendarbeit, das Pädagogische Institut sowie das Evangelische Studienwerk unter. In all diesen Jahren blieb die Kapelle ein eher bescheidener Raum, der 2004 durch einen Neubau ersetzt werden sollte: Die Planung lag beim landeskirchlichen Baureferat, die künstlerische Ausgestaltung übertrug man nach einem Wettbewerb (2005) Thomas Kesseler. Am 31. August 2007 wurde die Einweihung gefeiert.

  • Das Baureferat der Evangelischen Kirche von Westfalen und Thomas Kesseler

    Auch wenn es in Zeiten von Kirchenschließungen, -umnutzungen und -abbrüchen nicht der erste Gedanke sein mag: Bauen spielt in den Kirchen auch heute eine große Rolle. Zuständig für das Unterhalten, Renovieren, Erweitern und manchmal auch Neugestalten ist ein eigenes Baureferat. Der Bestand der Evangelischen Kirche von Westfalen umfasst rund 6.000 Bauten, und immer wieder kommen neue dazu. Projekte wie die Kapelle von Haus Villigst sind freilich die Ausnahme. Die Arbeiten erfolgten unter der Leitung von Landeskirchenbaudirektor Reinhard Miermeister nach einer Entwurfsidee von Dipl.-Ing. Hans-Walter Pahmeier.

    Das Baureferat verwirklichte sein Vorhaben in Zusammenarbeit mit dem Architekten, Maler und Bildhauer Thomas Kesseler. 1956 in Gelsenkirchen geboren, studierte er an der Folkwang Hochschule in Essen, an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Der Förderpreis für Architektur des Westfälischen Kunstvereins Münster (1987), der Förderpreis des Landes NRW für Architektur (1990) und ein Lehrauftrag für Architektur an der Düsseldorfer Kunstakademie (1990-92) unterstreichen die hohe Anerkennung seiner Arbeit. 1998 wurde Kesseler als Professor an die Hochschule Ostwestfalen-Lippe (Detmold) berufen. Wiederkehrendes Thema seines Werks ist die großflächige monochrome Malerei, wie sie auch in Villigst das Wellenmotiv hinterfängt und die plastisch durchdrungene Architekturform zum Gesamtkunstwerk zusammenbindet.

  • Literatur (Auswahl)
    • Bauen in der Evangelischen Kirche von Westfalen, hg. vom Baureferat der Evangelischen Kirche von Westfalen, Bielefeld 2003.
    • Martin Struck: Kapelle Haus Villigst. Tagungsstätte der evangelischen Kirche von Westfalen, in: Das Münster 2009, 3, 216-217.
    • Tagungsstätte Haus Villigst. Die Kapelle, hg. von Haus Villigst, Tagungsstätte der Evangelischen Kirche von Westfalen, Schwerte o. J. [um 2009] [Faltblatt].
    • Übergänge gestalten. Bauen in der Evangelischen Kirche von Westfalen, hg. vom Baureferat der Evangelischen Kirche von Westfalen, Bielefeld 2008.
    • Internetauftritt von Prof. Thomas Kesseler, Düsseldorf: www.baukunstkesseler.de [Abrufdatum: 21. Februar 2017].

     

    Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.

Text: Dr. Martin Bredenbeck, Bonn (Beitrag online seit 02/2017)