Stuttgart-Heslach
St. Josef
Finkenstraße 34/36
70199 Stuttgart
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
Wochentags tagsüber geöffnet. Anschrift Pfarramt Pfarrbüro St. Josef
Finkenstraße 36
70199 Stuttgart
0711 649650
E-Mail
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Öffnungszeiten Pfarramt MO, MI und FR: 10:00 - 12:00 Uhr
DI und DO: 15:00 - 17:30 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten entnehmen Sie bitte dem Gemeindebrief unter: www.kath-suedgemeinden-stuttgart.de
Kirchen im Südwesten
Glaubensbunker
Vergessen Sie, was Sie bisher über Prinzipien des Kirchenbaus zu wissen glaubten; hier ist alles anders! Die Kirche St. Josef liegt nicht auf einem Platz, sondern inmitten, quasi im Hinterhof eines Wohnquartiers. Im Ensemble der Neubauten beansprucht die Kirche zwischen Pfarrhaus und Seniorenwohnheim die geringste Bauhöhe. Von außen wirkt sie gar wie ein Betonbunker vergangener Zeiten. Ein gedrungener Turm führt nach unten, in die Tiefgarage und trägt nebenbei noch die Glocken. Trotzdem vermittelt der Komplex aus schalungsrauhem Beton das Gefühl einer gewissen Geborgenheit, erst recht beim Betreten des Kirchenraums, der mit farbigen Akzenten und indirekter Lichtführung das Gefühl der Transzendenz vermittelt. Kirche einmal ganz anders, brutal und einfühlsam.
- ÜberblickOrt
Stuttgart-Heslach
Bistum
Bistum Rottenburg-Stuttgart
Name der Kirche
St. Josef
Weihe
1975
Architekten
Rainer Zinsmeister, Giselher Scheffler
Künstler
Franz Bucher, Hans SchreinerBesonderheit
Schalungsrauher Beton außen, licht verputzte Weite und indirekte Beleuchtung im Inneren. Der Kirchenraum von St. Josef überzeugt durch schlichte Funktionalität in skulpturalem Ambiente.
Nutzung
Pfarrkirche der Südgemeinden Stuttgart
Standort / Städtebau
Der niedrige Bau ist inmitten eines weiten Karrees von Wohnhäusern eingebettet und über die Ecke Finkenstraße/ Böhmisreuteweg zu erreichen. - Beschreibung
Grundriss
Der in südöstlicher Richtung zwischen zwei Straßenverläufen eingepasste Baukomplex setzt sich aus mehreren Räumen zusammen. Die Grundform des Kirchenraums ist aus einem leicht gestauchten Oktogon entwickelt. Einzelne Seiten sind einmal gefaltet, um dem Haupteingang bzw. Durchgängen zur Werktagskirche Platz zu geben, die ähnlich der großen Kirche aus Wandelementen im 45-Grad-Winkel gebildet, aber nur als Sechseck angebaut ist. Hinter der Werktagskirche schließen in östlicher Richtung Pfarr- und Gemeindehaus dicht aneinander an.
Außenbau
Das weite Karree mit Wohnhäusern in Randbebauung aus verschiedenen Zeiten (Finkenstraße, Wilhelm-Raabe-Straße, Kelterstraße, Böhmisreuterweg) wird von Norden her aufgebrochen. Zwischen zur Pfarrgemeinde gehörigen Seniorenwohnheim und dem Pfarrhaus führt von der Finkenstraße/ Ecke Böhmisreuteweg her eine breite Treppe und anschließend ein gepflasterter breiter Weg ins Innere des Grundstücks mit der sich am anderen Ende erhebenden Kirchenarchitektur. Fensterlose, kristallin verspringende Mauern aus grauem Beton, dessen senkrechte Schalbretter deutlich zu erkennen sind, formen den achteckigen Kirchenraum. Das flache, mächtige Betondach kragt weit vor und verstärkt den trutzigen Eindruck. Durch schwere Metalltüren, die einem Tresor gut anstünden, führt der Weg ins Innere. Farbig gefasste Betonreliefs neben dem Portal und beim Eingang zur Werktagskirche sind die wichtigsten Hinweise, dass es sich um einen Kultbau handelt. Am oberen Ende der Freitreppe erhebt sich auf achteckigem Grundriss turmartig der Zugang zur Tiefgarage aus dem Pflaster. Die nur wenig hohe Betonformation trägt auch das Geläut. Die Materialwahl der Anbauten weist diese als zum Baukomplex gehörig aus, jedoch zeigen sie durch bauliche Details wie Balkons und Fensterbänder ihre unterschiedliche Nutzung als Pfarrhaus, Gemeindesaal und Seniorenwohnheim an.
Innenraum
Der Innenraum wirkt trotz einer sehr niedrig eingezogen Decke überraschend weit und großzügig. Weiße Rauputzwände nehmen die oktogonale Form des Außenbaus auf, grau sind der Fußboden aus Betonpflastersteinen und die Sichtbetondecke. Licht fällt durch eine große, achteckige Deckenöffnung über dem liturgischen Zentrum und ein Oberlichtband, das an den Eingangsseiten Wandscheiben und Decke voneinander trennt, ins Rauminnere. Drei große und ein kleinerer Block aus ineinandergehängten Stühlen bieten ausreichend Sitzplätze. Die indirekte Lichtführung, die wesentlich für die positive Wahrnehmung der Raumsituation verantwortlich ist, wendet den Blick des Besuchers auf die zweistufig erhöhte Altarinsel, die in von oben strömendes, helles Licht getaucht ist.
- Liturgie und Raum
In vier unterschiedlich großen Blöcken sind die koppelbaren Holzstuhlreihen fächerartig auf die als unregelmäßiges Sechseck ausgebildete Altarinsel ausgerichtet. Asymmetrisch an die Ostwand gerückt, ist diese um zwei Stufen erhöht und nimmt neben Ambo, Stele, Priestersitzen und Kerzenleuchtern vor allem den massiven Altarblock auf. Wenngleich dieser nicht mittig aufgerichtet ist, so wird er doch durch die unmittelbar darüber eingelassene Deckenöffnung mit kreuzförmiger Vergitterung achsial im Raum verankert. Das Kreuz des Oberlichts weist in der Verlängerung exakt auf den Haupteingang bzw. den Übergang in die Werktagskirche. Die Rückwand des Raums ist mit einem geometrisch aufgebauten, bandartigen Wandrelief gestaltet. Es werden Assoziationen an hebräische Buchstaben (JAHWE) geweckt. Östlich des Altars führt eine Wandöffnung in die kleinere, aber nach ähnlichen Prinzipien gestaltete Werktagskirche. Diese direkte Koppelung von Hauptkirche und Werktagskapelle ermöglicht eine äußerst sparsame Ausstattung.
- Ausstattung
Die Ausstattung wurde einheitlich zur Bauzeit geplant und nur teilweise nachträglich eingebaut. Material und Farben korrespondieren jeweils mit der Architektur. Der Betonarchitektur entsprechen die großen Ausstattungsstücke aus gestocktem oder geschliffenem Muschelkalk, die von Franz Bucher (1928-1995) ausgeführt wurden. Die Stele neben dem Altar, aus der der Gekreuzigte herauswächst, ist dabei das einzige figürliche Werk. Bucher gestaltete auch den Tabernakel aus Aluminiumguss, der zwischen Werktagskapelle und Kirche positioniert wurde. Die Werktagskapelle nimmt weitere wichtige Ausstattungsstücke auf, so eine alte Marienstatue, eine Reihe von Beichträumen und das Taufbecken. Letzteres wurde ebenfalls von Bucher als Brunnenbecken geformt. Die Farbigkeit changiert zwischen Ocker- und Brauntönen, die dem grauen Beton bzw. Stein bewusst entgegengesetzt wurden. So sitzt die von Peter Plum (Marbach, 1977) geschaffene Orgel in einem dunkelbraunen Gehäuse, dessen Farbe mit dem Holzgestühl und den Beichtkabinen korrespondiert. Die Reliefs im Außen- und Innenbereich wurden in Ockertönen gestaltet. Diese Malarbeiten wurden von Hans Schreiner (geb. 1930) aus Stuttgart ausgeführt.
- Von der Idee zum Bau
Von seiner Gründung im Jahr 1451 an war Heslach ein landwirtschaftlich geprägter Weiler im Südwesten von Stuttgart, der erst 1860 kräftig anwuchs. Die Katholiken hatten zunächst in St. Maria, der ersten katholischen Kirche Stuttgarts nach der Reformation (1879) eine Gottesdienststätte. 1909 erhielt Heslach mit der St.-Josefskirche eine eigene Kirche, eine sog. Notkirche. Das Wachstum des inzwischen nach Stuttgart eingemeindeten Orts hielt lange an und verstärkte sich nach dem Zweiten Weltkrieg nochmals. Um 1970 zählte Heslach etwa 6500 Gemeindeglieder. In jenem Jahr wurde ein beschränkter Wettbewerb zum Bau eines Gemeindezentrums unter 6 Architekturbüros ausgelobt, den das Büro Zinsmeister + Scheffler für sich entscheiden konnte. Besonders gelobt wurde die städtebauliche Lösung.
Bei der Ausarbeitung des Entwurfs wurden von Anfang an die Künstler für die Ausstattung – der Bildhauer Franz Bucher (Rottweil) und der Maler Hans Schreiner (Stuttgart) – miteinbezogen. Im Januar 1973 wurden die Bauarbeiten begonnen, Ostern 1975 wurde die Kirche geweiht. - Die Architekten
Rainer Zinsmeister (1938-2014) wurde in Stuttgart geboren und studierte an der heimatlichen TH Architektur. Nach seinem Diplom 1964 trat er einerseits in das Architekturbüro seines Vaters ein und blieb andererseits in der Lehre tätig. 1967 bis 1991 lehrte er an der Stuttgarter Staatsbauschule, der heutigen Hochschule für Technik. 1965 gründete Zinsmeister zusammen mit Giselher Scheffler (geb. 1938) das Architekturbüro Zinsmeister + Scheffler, das heute unter dem Namen zsp architekten weitergeführt wird. Zinsmeister + Scheffler schufen zahlreiche öffentliche Bauten. Zu ihren bekanntesten Projekten zählt das Haus der Abgeordneten in Stuttgart 1987. Seit 1967 entstanden in einer Phase vermehrten Kirchenbaus in Deutschland auch Entwürfe für meist katholische Kirchen. Sie orientierten sich an den neuen Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils.
- Literatur (Auswahl)
- Anton Bauer: Katholische Pfarrkirche St. Josef Stuttgart (Kunstführer Nr. 1272), München Regensburg 1981.
- Giselher Scheffler, Rainer Zinsmeister: Zinsmeister + Scheffler. Werkbericht 1965-1990; Stuttgart 1991.
- Andrea Steudle: Gemeindezentrum St. Josef in Stuttgart-Heslach, in: Gotteszelt und Großskulptur. Kirchenbau der Nachkriegsmoderne in Baden-Württemberg. Ausstellungskatalog ZWÖLF (Landesamt für Denkmalpflege; Arbeitsheft 38), Ostfildern 2019, 210-215 .
Wir danken allen Bildgebern für ihre freundliche Unterstützung: Die Bildnachweise werden jeweils am Bild selbst geführt.