Waldweiler
St. Willibrord
Hauptstraße 9
54429 Waldweiler
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Informationen
Kontakt / Öffnungszeiten Kirche Zur Webseite
Bitte im Pfarrbüro erfragen. Anschrift Pfarramt Zentrales Pfarrbüro Schillingen
St.-Albanus-Straße 4
54429 Schillingen
06589 581
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Öffnungszeiten Pfarramt DI, DO: 14.00 - 17.00 Uhr
Gottesdienstzeiten Kirche Die aktuellen Gottesdienstzeiten können online eingesehen werden unter: www.pg-schillingen.de/aktuelles/.
Kirchen im Südwesten
Noch zu retten!
Im kleinen Örtchen Waldweiler im Hunsrück-Hochwald hebt sich ein monumentaler Ziegelbau von der dörflichen Nachkriegsbebauung deutlich ab. Sind Römerzeit und Mittelalter hier miteinander verwachsen? Schlicht und zurückhaltend, aber doch mit beeindruckender Präsenz vermitteln 1 Meter dicke Mauern eine Atmosphäre der Einkehr und des Innehaltens. Doch die immer wieder mit Bauschäden und Sanierungen verbundene Geschichte des Pfarrkirchenbaus St. Willibrord macht ihn seit vielen Jahren zu einem Sorgenkind der Denkmalpflege. Der ungebrochene Enthusiasmus und Erfindungsreichtum, mit dem sich Konservatoren und Gemeinde immer wieder aufs Neue ans Werk machen, diesen außergewöhnlichen Sakralraum in seiner Wirkung und in seiner Bausubstanz zu erhalten, ist daher genauso zu würdigen wie das Bauwerk selbst.
- ÜberblickOrt
Waldweiler
Bistum
Bistum Trier
Name der Kirche
St. Willibrord
Weihe
1973
Architekt
Heinz Bienefeld
Künstler
Otto Frankfurter, Theo Heiermann, Werner HuppertzBesonderheit
Dieses Stück moderner Kirchenarchitektur vereint mehrere Eindrücke in sich: asketisch, vertraut wie eine südländische Basilika aus dem Mittelalter, stark und standfest wie ein antikes Bauwerk, und dennoch im ornamentalen Mauerwerk ganz verspielt und zart.
Nutzung
Pfarrkirche Waldweiler der Pfarreiengemeinschaft Schillingen
Standort / Städtebau
Zentral errichtet längs der Hauptstraße des dörflichen Orts Waldweiler im Hunsrück. - Beschreibung
Grundriss
Der asymmetrisch-polygonale Grundriss mit zwei längeren und zwei kürzeren Seiten sowie zwei Ausbuchtungen an den Längsseiten besitzt keine ablesbare Orientierung. Der Altar ist nahezu mittig aufgestellt. Dennoch ist das Gestühl dreiseitig in geraden Blöcken so angeordnet, dass sich die liturgische Mitte mit dem Altar vor der (längeren) Südostwand aufspannt. Der Taufort befindet sich hinter dem Altar, inmitten baulicher Reste einer mittelalterlichen Vorgängerkapelle. Im Westen, Norden und Südosten bzw. Südwesten und Nordosten sind über Treppen erreichbare Zugänge in das dicke Mauerwerk eingelassen. An der Nordostseite befindet sich der Zugang zur Sakristei, die in den Baukörper integriert wurde.
Außenbau
Der mächtige Bau erhebt sich auf einem stumpfwinklig an drei Seiten vom Straßenverlauf begrenzten Eckgrundstück. In eindrucksvoller Virtuosität und Detailliebe setzt sich das ziegelsichtige Mauerwerk aus auf- und nebeneinander angeordneten, auf ihre Stirn-, Flach- und Längsseiten gestellten, vertikal, diagonal oder horizontal im römischen Fischgrätmuster zusammengestellten und zuletzt im wilden Verband geschichteten, gefügten, gekippten und gestuften Steinen zusammen. Die zur Straßenlage hin exponierte Gebäudeseite im Südosten grenzt an einem schmalen Vorplatz. Eine asymmetrisch Richtung Westen verschobene, dreiseitig geknickte Ausbuchtung erinnert entfernt an eine Apside, verschmilzt jedoch mit dem Mauerwerk. Ihr liegt an der Norwestseite eine dreiseitig-asymmetrische Weitung des Kirchenraums gegenüber. Mehrere, mit lichtdurchlässigem Alabaster verschlossene Rechteck-Öffnungen sind schießschartenartig im oberen Drittel des Mauerwerks angebracht. Der Campanile (1990) der Südostseite birgt nicht nur das Geläut, sondern auch den Haupteingang. Ein kurzer, gläserner Gang mit Satteldach verbindet Turm und Kirche. Drei weitere Zugänge sind als unspektakuläre Rechtecköffnungen ringsum in die Mauer eingelassen. Die Dachlandschaft setzt sich aus 10 längs der Nord-Südachse parallel angeordneten Satteldächern zusammen und erzeugt im Inneren als offene Holzkonstruktion eine richtungsweisende Orientierung des Raums. Eine Sanierungsmaßnahme 2005 führte zu einer Foliendacheindeckung. Ein quadratisches Oberlicht ersetzt heute die ursprünglich das liturgische Zentrum außen markierende gläserne Laterne.
Innenraum
So wie der der Ziegelverbund außen an Stadtmauern erinnert, erzeugt er im dämmrigen Inneren den Eindruck von Fassaden, die einen Platz umschließen. Ein von nur wenigen Lichtquellen getragener Kontrast zwischen hellen und dunklen Raumteilen rhythmisiert das stützenfrei angelegte, großzügige Innere. Als Blickpunkt steht der Altar einstufig erhöht in der Raummitte, schlaglichtartig beleuchtet durch die quadratische, verglaste Laternenöffnung im Dach. Das Bodenniveau des Raums senkt sich zum Altar hin ab. Der Bodenbelag besteht aus Backsteinplatten, die im Bereich der Altarinsel ein Fischgrätmuster ausbilden und intarsienartig mit hellen Platten stilisierte Blüten aufweisen. Durch die Alabasterscheiben der hochliegenden Fenster ist das aus Leimholzbindern bestehende Dachtragwerk nur wenig erhellt. Die Parallelität seiner Konstruktion verleiht dem Raum einen richtungsgebenden Eindruck. Im Südosten, leicht versetzt hinter dem Altar, erheben sich Teile des spätgotischen Chores und der Sakristei der Vorgängerkapelle. Die historischen Bauteile wurden für ihre neue Verwendung umgestaltet und dienen heute als Sakramentskapelle und Taufort. Beide Räume aus Bruchsteinmauerwerk sind im Inneren verputzt und mit Kreuzgratgewölben versehen. Direkt an die Südwand der Sakramentskapelle ist eine Brüstung aus Backstein angebaut, hinter der sich ein bühnenartiges Podest für den Kirchenchor befindet. An der nordöstlichen Wand des Raums erhebt sich ein feingliedriges Bretter-Spalier, hinter dem über zwei Geschosse die Sakristei und die Pfarrbücherei untergebracht sind.
- Liturgie und Raum
Der in ornamental geschichtetem Ziegelmauerwerk errichtete Kirchenbau stellt bewusst einen Lokalbezug zu römischer Mauerwerkstradition (Trier) sowie eine Ambivalenz zwischen öffentlicher und privater Raumwirkung her. Beim Betreten des Innenraums öffnet sich dem Betrachter ein fast fensterloser, eigenwillig ausgeleuchteter Baukörper. Nach römisch-frühchristlichem Vorbild mit Alabaster verschlossene Lichtöffnungen erzeugen eine ganz besondere, fast mystische Beleuchtung. Unterstützt wird diese Wirkung durch das exponierte Oberlicht über dem Altar. Der Bodenbelag aus Ziegelsteinen läuft von allen Seiten in leichter Neigung auf den Altar zu, so dass gleichsam der Eindruck erweckt wird, der Altar stehe zentral auf einem polygonalen Platz – vergleichbar mit historischen Plätzen, mit Orten, an denen man sich versammelte und feierte. Dies wiederum nimmt Bezug zum liturgischen Versammlungsort in der Feier der Eucharistie. So stellen die beiden wichtigsten liturgischen Orte die Altarinsel in der Raummitte und der unter separatem Denkmalschutz stehende spätgotische Chorraum des Vorgängerbaus dar. Dieser freistehende intime Raum dient als Sakramentskapelle, die fast selbst wie eine Reliquie wirkt. Bei dieser Raumgestaltung rückt die Gemeinde in den Mittelpunkt. Hier verbinden sich Vertrautheit und Askese, Standfestigkeit und verspieltes Ornament. So entsteht in diesem Innenraum eine ganz besondere Atmosphäre für die Liturgie, für Andacht und Gebet. Schlichte Sedilien im Altarraum und an der „Bibliotheksrückwand“ vervollständigen die liturgische Ausstattung. Anders als ursprünglich geplant, steht heute das Taufbecken inmitten der ehemaligen Sakristei.
- Ausstattung
Der in seiner Architektur kontemplative Leere ausstrahlende Raum birgt eine Vielzahl kleinerer und größerer Kunstwerke – darunter einige aus dem 1969 abgebrochenen Vorgängerbau, etwa die Kreuzwegstationen im Nazarenerstil aus dem 19. Jahrhundert. Eine Figur des Hl. Willibrord (19. Jh.) vom ehem. Hochaltar hängt heute hoch über dem nördlichen Seiteneingang. Nahe des Westeingangs findet sich eine Holzstatue der hl. Anna (1932).
Zentral fällt die große, freistehende Sandsteinskulptur (1997) des Herzogenrather Künstlers Werner Huppertz ins Auge: eine Madonna mit ihrem Sohn, gearbeitet aus zwei getrennten Steinen. Die Sakramentskapelle hinter dem Altar gestaltete 1985/86 der Künstler Otto Frankfurter (Mehring). Von ihm stammt auch der Osterleuchter aus marmoriertem Holz. Die Evangelistensymbole tragenden Gewölbeschlusssteine der Vorgängerkirche fanden einen neuen Platz an der kreuzgratgewölbten Decke der Kapelle, während ihre Bildsäulen von Theo Heiermann (1925-1996) im Auftrag Bienefelds neu gestaltet wurden. Die sechseckigen Pfeiler besitzen Kelchblockkapitelle, ein Kapitell mit dem Geißelheiland mit Dornenkrone sowie ein in Stein gemeißelter Korb mit Weintrauben, dahinter eine Ährengarbe und eine Sense, Symbole für Leib und Blut Christi und seinen Tod.Das spätgotische Sakramentshäuschen im Chorraum der Vorgängerkirche wurde 1983 restauriert und neben einem schmalen Rundbogenfenster aufgehängt. Der Tabernakel aus der alten Kirche wurde mit Blattgold verziert, ebenso das nach Osten gerichtete Fenster mit dem Ewigen Licht. Im südlichen Fenster findet sich ein stilisiertes Ährenmotiv. An der Nordwand findet sich auf einer schmalen Konsole der Grundstein der Kirche (18. Mai 1970) mit einer Darstellung der Weinvermehrung aus der Vita des Hl. Willibrord. Unter der Platte des quaderförmig aus Ziegeln gemauerten Altartischs wird eine Reliquie des Hl. Willibrord aus Echternach aufbewahrt. Der Taufstein ist eine private Stiftung. Die Orgel (1979) wurde 2010 für die Kirche erworben.
Erwähnenswert ist auch die Kirchturmspitze mit ihren posauneblasenden Engeln aus Eisenblech und dem vergoldeten Wetterhahn (Klaus Apel, Trier). 1990 wurde eine Darstellung des Hl. Georg (19. Jh.) aus Sandstein neben dem neu errichteten Turm aufgestellt. Eine Gedenktafel am Turm erinnert an Pastor Nikolaus Demmer (1929-1933), der sich im Nationalsozialismus stark gegen das herrschende Regime positionierte. In einer vergitterten Außennische an der Hauptstraße findet sich eine weitere Darstellung des Kirchenpatrons, 1984 geschaffen vom Bildhauer Willi Hahn. - Von der Idee zum Bau
Eine St. Willibrord-Kapelle mit kreuzgratgewölbtem Chor in gotischem Stil findet erstmals in Quellen aus dem 16. Jh. (1569) Erwähnung. 1816 entstand unter Beibehaltung von Chor und Sakristei eine dreiachsige Erweiterung des Kirchenschiffs. Nach Plänen des Trierer Baumeisters Karl Fackel wurde dieses in den Jahren 1924/25 vergrößert. Zugunsten eines Neubaus wurden 1969 die Ergänzungen des 19. und frühen 20. Jhs. abgebrochen und nur die spätgotische Bausubstanz erhalten. 1970-74 wurde die jetzige Pfarrkirche über den alten Teilen nach Plänen des Overather Architekten Heinz Bienefeld erbaut. Der alte Bestand wurde dabei i n einer einzigartigen Art und Weise integriert. Zwischen Altar und angedeuteter Apsis platzierte der Architekt vieldeutig den Chor der Vorgängerkirche, der von Bienefeld bewusst geostet wurdet, um dem Raum liturgisch eine Spannung zwischen alter und neuer Ordnung zu geben. Ein nach oben offen geplanter Campanile des Architekten wurde nicht ausgeführt. 1989/90 errichtete man vor dem Südostportal einen Turm nach neuem Entwurf, dessen gestalterische Qualität nicht an Bienefelds Arbeit heranreicht.
Seit 2003 steht der Bau unter Denkmalschutz. Bereits wenige Jahre nach der Errichtung erwies sich das unverputzte Backsteinmauerwerk als problematisch: Frost und Feuchtigkeit ließen Mörtel und Ziegel aufbrechen und Aufblühungen im Inneren entstehen. 2010 wurde der nischenartig vorspringende Teil der Nordwand verkleidet. Zugleich wurde die ebenfalls Undichtigkeiten aufweisende Dachlandschaft erneuert. - Der Architekt Heinz Bienefeld
Heinz Bienefeld wurde am 8. Juli 1926 als Sohn eines Malermeisters in Krefeld geboren, wo er auch seine Jugend verbrachte. Nach Kriegsdienst sowie Kriegsgefangenschaft in England studierte er 1948-1951 Architektur mit Schwerpunkt Sakralbau bei Prof. Dominikus Böhm in Köln. Bienefeld schloss sein Studium mit Auszeichnung ab, was ihm den Rang eines Meisterschülers und damit verbunden ein zweijähriges Stipendium an der Werkschule verschaffte. 1952-54 war Bienefeld Assistent von Böhm, in den Jahren 1955-58 sein Mitarbeiter. Nach einigen Jahren bei Emil Steffan (1958-1963) arbeitete Bienefeld ab 1963 bis zu seinem Tod 1995 als freier Architekt. Bereits bei seinem ersten eigenständigen Werk – der Villa Wilhelm Nagel in Köln Wesseling (1964) – zeigte sich Bienefelds Vorliebe für die Arbeit mit Backstein, dessen ganze Virtuosität an der Fassade für St. Willibrord sichtbar wird. Die Kirche in Waldweiler ist auch ein Beispiel für Bienefelds architektonische Grundhaltung, Archetypen wiederzubeleben, Räume und Baukörper ausgewogen zu gliedern und mit einer neuen, reichhaltigen Formensprache gleichzeitig für die Gegenwart verständlich zu machen. Trotz seines überschaubaren Werks und seines langanhaltenden „Außenseiterdaseins“ zählt Heinz Bienefeld heute zu den bekannteren Architekten des 20. Jahrhunderts.
- Literatur (Auswahl)
- Ansgar Brockmann: St. Willibrord in Waldweiler: gebaut für die Ewigkeit?, in: Rheinische Heimatpflege, 46.2009 (2), 95-104.
- Hans Caspary: Hoch gelobt und viel gescholten – Heinz Bienefelds Backsteinkirche in Waldweiler bei Trier, in: Backsteinbaukunst Bd. V. Zur Denkmalkultur eines Baustoffes, Bonn 2015, 96-103.
- Wilfried Dechau: … in die Jahre gekommen. St. Willibrord in Waldweiler, in: db-Bauzeitung – Archiv – db 03|2008 (Abruf: 281019)
- Kai Kappel: Eine andere Moderne. Heinz Bienefeld, Alexander von Branca und Italien, in: ders. (u. a. Hrsg.), Blickwendungen. Architektenreisen nach Italien in Moderne und Gegenwart, München 2019, 276 ff.
- Manfred Speidel: Sebastian Legge: Heinz Bienefeld. Bauten und Projekte, Köln 1991.
- Manfred Speidel: Heinz Bienefeld: Die Kunst der Räume, in: Der Architekt 1995, H. 12, 727-730.
- Werner Strodthoff: Die Architektur von Heinz Bienefeld (1926-1995), in: Bauwelt 90 (1999), 14, 736 f.
- Wolfgang Voigt (Hrsg.): Heinz Bienefeld 1926-1995, Berlin Tübingen 1999
- Wolfgang Voigt: Heinz Bienefeld, in: Neue Deutsche Architektur. Eine Reflexive Moderne, hrsg. von Ullrich Schwarz, Ostfildern-Ruit 2002, 224-229.
- Ulrich Weisner: Neue Architektur im Detail. Heinz Bienefeld. Gottfried Böhm. Karljosef Schattner. Bielefeld 1989.
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