Weimar-Schöndorf
St. Bonifatius
Edith-Stein-Straße 1
99427 Weimar
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Informationen
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99423 Weimar
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Kirchen in Deutschlands Mitte
Schuld und Sühne
Bescheiden, in seiner Formensprache zurückgenommen, fast schon karg präsentiert sich St. Bonifatius in Weimar-Schöndorf den Besuchern: Ein typischer Kirchenneubau in der DDR der 1950er Jahre. Mit beschränkten Spendenmitteln der katholischen thüringischen Jugend mitfinanziert, errichtete man ihn als sogenannte Jugendsühnekirche nahe der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Gleichzeitig stellen dieser Kirchenbau und seine bemerkenswert gut erhaltene Ausstattung – insbesondere die emotional ergreifende Christusdarstellung im Altarraum – ein hochwertiges Beispiel für die sakrale Kunst in der frühen DDR dar.
- ÜberblickOrt
Weimar-Schöndorf
Bistum
Bistum Erfurt
Name der Kirche
St. Bonifatius
Weihe
1957
Architekt
Johannes Reuter
Künstler
Maxkarl Beyer, Joachim KaiserBesonderheit
Besonders gut erhaltenes und charakteristisches Beispiel für den Kirchenbau der 1950er Jahre in der DDR.
Nutzung
Klosterkirche der Karmelitinnen und Außenstelle der katholischen Pfarrgemeinde Weimar
Standort / Städtebau
städtebaulich markant, im Ort, in erster Reihe frei stehend - Beschreibung
Grundriss
Die Kirche hat einen langrechteckigen Grundriss in „klassischer“ Ost-West-Ausrichtung. Im Norden wurde die Sakristei angefügt. Der Altar befindet sich in dem im Grundriss querrechteckigen Chorturm, der geringfügig breiter ist als das Kirchenschiff.
Außenbau
Das verputzte Mauerwerk des Außenbaus, das Satteldach und auch die hohen, schmalen Reckteckfenster entsprechen dem tradierten Bild einer Kirche. Die Westfassade nimmt das zweiflüglige Portal auf; einige Stufen und zwei Außenleuchten markieren den Zugang zum Gotteshaus.
Darüber sind Reliefdarstellungen angebracht: Zentral ist der heilige Bonifatius (gest. 754) dargestellt. Der Bischof, erkennbar an Mitra und Stab, blickt die Eintretenden an. In seinen Händen hält er ein Buch, bezeichnet mit dem Kreuz: die Botschaft von Jesus Christus für die Menschen der Gegenwart. Stellvertretend für sie stehen drei Frauen und drei Männer, inmitten derer der Apostel der Deutschen kniet: ein Bauer, eine Mutter, ein Techniker, eine Musikerin, ein Arbeiter und eine betende Frau. Diese Figuren reihen sich optisch in die seinerzeit gängigen künstlerischen Darstellungen der werktätigen Bevölkerung im „Arbeiter- und Bauernstaat“ DDR ein.
Innenraum
Im Innenraum wird die Schlichtheit des Kirchenbaus jener Jahre exemplarisch deutlich. Die Saalkirche ist mit einer Flachdecke versehen, im mittleren Teil aus Holz, in den seitlichen Randbereichen verputzt. Durch diese Unterschiede in der Deckengestaltung und durch die Wände mit den Heiligendarstellungen, die den Altarraum ein- und abgrenzen, wird eine Zonierung des Raumes erreicht. Die dem Altar gegenüberliegende Innenansicht mit der Orgelempore wurde symmetrisch angelegt; zwei nischenartige Räume bilden mit dem Windfang eine gestalterische Einheit.
- Liturgie und Raum
Bei St. Bonifatius wurde das Prinzip der Wegkirche angewendet, wobei der Raum der Gemeinde deutlich vom Altarbereich abgegrenzt wurde. Der Altarraum ist um einige Stufen erhöht und ebenfalls durch eine Flachdecke nach oben abgeschlossen. Die Wand hinter dem Altar ist durch die drei dezent farbigen, schmalen Rechteckfenster geprägt, die eine natürliche und unmittelbare Belichtung des Chores und des über dem Tabernakel aufgehängten Kreuzes bewirken. Der Altar selbst war, der bauzeitlichen Gestaltung zufolge, um weitere drei Stufen erhöht und an der Außenwand angeordnet.
Als 1995 vier Schwestern aus dem Dachauer Karmel nach Schöndorf kamen, um dort eine neue Klostergemeinschaft in Ostdeutschland zu gründen, suchte man auch nach einer neuen Gestaltung zur Feier einer zeitgemäßen Liturgie. Dort, wo zuvor der Altar seinen Platz hatte, stellte man den Tabernakel auf eine Stele. Ein neuer Zelebrationsaltar wurde von der Wand abgerückt in den Chorraum eingefügt. Außerdem wurde das schlichte mobile Chorgestühl für die Nonnen ergänzt, entsprechend der Nutzungserweiterung des Sakralbaus als Klosterkirche. Die Sakristei hat man zur Klosterkapelle umgebaut.
- Ausstattung
Die Ausstattung aus den 1950er Jahren ist noch vollständig erhalten. Auf den beiden Wänden, die den Altarraum optisch eingrenzen, befinden sich die Mosaik-Darstellungen des Kirchenpatrons St. Bonifatius und der Gottesmutter Maria (Entwurf: Maxkarl Beyer, Erfurt; Ausführung: Fa. Jungbloedt, Berlin). Vor dem mittleren Fenster hinter dem Altar ist ein Kreuz mit einem in Messingblech getriebenen Corpus aufgehängt. Die Besonderheit dieser Christkönigdarstellung, die eigens für diese Kirche in so unmittelbarer Nachbarschaft zum ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald geschaffen wurde, zeigt sich erst auf den zweiten Blick: Der Gekreuzigte lebt. Doch in den weit aufgerissenen Augen dessen, der über den Tod triumphiert, wird das Entsetzen über die Taten der Lebenden sichtbar. Tabernakel und Ewiges Licht sind in der Achse des Kreuzes angeordnet. Der Goldschmied Joachim Otto Kaiser (1929-2010) aus Erfurt fertigte Tabernakel und Kruzifix; die Entwürfe zu diesen Ausstattungsstücken wie auch zu den Apostelleuchtern stammen vom Erfurter Grafiker Siegfried Kraft (1920-2013).
Auf Maxkarl Beyer, ebenfalls aus Erfurt, gehen nicht nur die Fenstergestaltungen zurück. Ihm gelang mit den 14 Mosaiktafeln des Kreuzwegs ein intensiver Zugang zum Leidensweg Jesu – durch die Konzentration auf die Darstellung der Hände.
Der Taufort befindet sich an seinem bauzeitlichen Standort, gut sichtbar am Übergang von Altarraum zum Gemeindebereich.
- Von der Idee zum Bau
Weimar-Schöndorf ist ein Beispiel für eine nach dem Zweiten Weltkrieg stark angewachsene Diasporagemeinde. Zunächst fanden die Gottesdienste in einer Gaststätte statt.
Die Kirche wurde vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken errichtet und entscheidend mitfinanziert von der Jugend Thüringens. Diese hatte sich 1954 beim 1200-jährigen Bonifatiusjubiläum verpflichtet, ein Jahr lang wöchentlich einen Stundenlohn für den Bau einer neuen Kirche in der thüringischen Diaspora zu spenden. Schöndorf als Standort für die Sühnekirche wurde durch den Erfurter Weihbischof Josef Freusberg festgelegt – die Nähe zum ehemaligen KZ Buchenwald mag das Motiv hierfür gewesen sein.
Im Jahre 1953 konnte der damalige Weimarer Pfarrer den Baugrund im Tausch gegen ein kircheneigenes Grundstück erwerben. Nach einer Bauzeit von eineinhalb Jahren – gerechnet ab der Grundsteinlegung – konnte St. Bonifatius am 26. Mai 1957 durch Weihbischof Freusberg konsekriert werden.
Behutsame aber grundlegende Umstrukturierungen wurden an Kirche und Pfarrhaus vorgenommen, als man ab 1995 die Pfarrkirche zur Kirche des Karmelklosters umbaute. Es erfolgte die konstruktive Sicherung und Sanierung des Gotteshauses unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten. Für die baulichen Änderungen, die durch die Nutzungserweiterung als Klosterkirche notwendig wurden und für die Ergänzungsbauten für das klösterliche Leben auf dem Gelände zeichnet das Architekturbüro Junk & Reich aus Weimar verantwortlich. Am 14. Dezember 1996 weihte der Erfurter Bischof Joachim Wanke das Kloster und konsekrierte den neuen Altar.
- Der Architekt Johannes Reuter
In den 1950er Jahren war selbst in dem atheistischen SED-Staat eine gewisse Konjunktur im sakralen Bausektor zu verzeichnen. Johannes Reuter (1897-1975) tritt dabei in erster Linie durch die Vielzahl seiner Projekte heraus; bevor er 1958 die DDR verließ, waren nach seinen Plänen 21 Kirchen in acht Jahren entstanden.
Nach einer Maurerlehre hatte er ein Studium der Architektur an den Technischen Lehranstalten Offenbach/Main absolviert. Dort prägte ihn vor allem der Unterricht bei Dominikus Böhm. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung arbeitete Reuter zunächst in verschiedenen Frankfurter Büros und war dann von 1921 bis 1923 im Stadtbauamt Bitterfeld tätig. Ab 1924 arbeitete er in dieser Stadt als freischaffender Architekt, plante Verwaltungsgebäude sowie Wohn-, Schul-, und Gewerbebauten. Trotz der Zeit des Nationalsozialismus konnte er bereits in den 1930er Jahren auch einige katholische Kirchen, vorwiegend im heutigen Bistum Magdeburg, planen und zur Ausführung bringen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bildete in der DDR das sakrale Bauen einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Auch als er Ende der 1950er Jahre in die Bundesrepublik übersiedelte, war er dort wiederum hauptsächlich im Kirchenbau tätig, in den Bistümern Paderborn, Hildesheim und Fulda.
Der Baumeister Johannes Reuter war einer der wichtigsten Kirchenarchitekten Ost- und Mitteldeutschlands. Die dortigen Diasporakirchen wurden entscheidend durch seine Architektursprache geprägt. Er konzipierte i.d.R. kleinere Kirchen mit etwa 200 Sitzplätzen, die in Form von Standardangeboten entworfen und an die jeweilige ortsspezifische Situation angepasst wurden. Anregungen und Beispiele sah er in den romanischen Dorfkirchen Mitteldeutschlands. Viele Details der Kirchenräume Reuters, wie z. B. Taufbecken und Orgelprospekt, gehen oft auf seine eigenen Entwürfe zurück.
- Literatur (Auswahl)
- Eberhard Hempel/Elfriede Kiel (Hg.): Kunst im heiligen Dienst, Leipzig 1964, 85 ff., 97, 160, 162, 199.
- Wolfgang Lukassek: Karmel St. Teresa in Weimar-Schöndorf, in: Alte und neue Kunst 2000, 96 f.
- Verena Schädler: Katholischer Sakralbau in der SBZ und in der DDR, Regensburg 2013, 76, 90, 93 f., 146.
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